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Die Top-10-Britcoms der 00er-Jahre: Platz 4

Einer der nationalen Charakterzüge der Briten ist ihre Kompromißbereitschaft. In der Politik hielten sich (im ersten Zweikammerparlament der Moderne) Oberhaus (das nicht demokratisch gewählte House of Lords) und Unterhaus (per Wahl bestimmte House of Commons) die Waage, die anglikanische Kirche setzt sich aus evangelischen und katholischen Elementen zusammen, und der englische Philosoph Herbert Spencer definierte trial and compromise geradezu als Fundamentalprinzip der Ethik. (Lesenswerte Einführungen ins englische Wesen und den englischen Humor sowie englischen und deutschen Humor im Vergleich hat übrigens der deutsche Anglist Hans-Dieter Gelfert geschrieben.)

Auf Alltagsebene ist der sense of compromise wiederzufinden im muddling through, dem Durchwursteln, Improvisieren, Durchlavieren. Dem haftet schon nicht mehr so viel Positives an wie der Diplomatie, und das halbherzige, unentschlossene muddling through dürfte einer der Gründe sein, daß es die britische Wirtschaft nicht so leicht hat, sich gegen effizienter organisierte Konkurrenz durchzusetzen. Das Durchwursteln unter einer so kompromißlos-unenglischen Regierung wie der von Margaret Thatcher war Gegenstand einer der beliebtesten Britcoms aller Zeiten, „Only Fools And Horses“, und es ist auch (wenn auch eher in familiärer Hinsicht als in ökonomischer) eines der prägenden Momente der Britcom auf Platz vier meiner völlig subjektiven, willkürlich zusammengeschusterten Top 10:

Platz 4: „Outnumbered“ (2007 — , BBC1)topten04

Drei Kinder gegen zwei Eltern — das ist der ungleiche Kampf, in dem Pete und Sue sich regelmäßig gegen Jake (12), Ben (7) und Karen (5) durchsetzen müssen. Was nicht eben leichter wird dadurch, daß sie einerseits ein gerüttelt Maß an pädagogischer Inkompetenz mitbringen (ungeachtet dessen, daß Pete Lehrer ist), daß sie aber andererseits stets vorbildlich bemüht sind, ihre Kinder mit so wenig emotionalen Kollateralschäden wie möglich zu erziehen. Und sich dementsprechend  in endlosen Diskussionen mit Karen verheddern, Bens ewige Lügengeschichten so behutsam es geht torpedieren und Jakes Ängste ernst nehmen, aber auch nicht zu ernst, schließlich würde das seine Ängste wiederum verstärken.

Es sind oft schwere Proben, auf die Pete und Sue gestellt werden, wenn Ben behauptet, ein Lehrer habe ihm vorgeschlagen, ein paar Tage schulfrei zu nehmen, damit er ein wenig zur Ruhe käme (was sich als eine von wenigen seiner Geschichten auch noch als wahr herausstellt), Jake zu jedem Konversationsthema eine erschreckende Zeitungsmeldung zu zitieren weiß, oder Karen beginnt, ihre Mutter auf dem Flughafen mit Fragen über Terroristen zu löchern, die Flugzeuge in die Luft sprengen wollen:

Sue: Well, it’s quite complicated, because they believe that their religion tells them to do it, so that they can get into heaven.

Karen: Is this muslims?

Sue: No, not just muslims, it’s not just muslims, no.

Karen: What other religions have blown up planes?

Sue: Well… uh… the… Well, it’s mostly muslims, yes. But it’s just a tiny, tiny group of muslims, that do bad things, because they think, god is telling them to do it.

Karen: That’s silly! Why would god tell them to blow up planes?!

Sue: Well, exactly!

Karen: God could do it much easylier than they could! He can do whatever he wants, he is god!

„Outnumbered“ bleibt in den erzählten Geschichten immer glaubwürdig: Die Plots, man mag kaum von Handlung reden, erzählen von Karens Geburtstag, an dem die Familie einen Erlebnisbauernhof besucht, von einem Abend, den Pete und Sue für sich haben wollen, aber permanent gestört werden, oder von einem Sonntag, an dem die Eltern den Kindern das Fernsehen verbieten, um statt dessen einen altmodischen Familientag mit Spielen wie Verstecken oder Stein, Schere, Velociraptor zu verbringen; unter der Hand werden aber ernste Themen behandelt, etwa die zunehmende Demenz des Großvaters oder das schwierige Verhältnis Sues zu ihrer Schwester.

(Hier ein Clip aus der zweiten Staffel, in dem Karen Sues Cousine Julie bei ihrer Hochzeit mit Fragen über ihre ehemaligen Boyfriends beinahe in die Verzweiflung treibt:)

„Outnumbered“ (hier meine TITANIC-Humorkritik vom Januar) kommt an die perfekte Sitcom der Nullerjahre schon ziemlich nahe ran. Es ist vor allem das halb improvisierte Spiel, das die Serie zum Leben erweckt: Zwar haben die Erwachsenen vom Drehbuch vorgegebene Dialoge, die Kinder aber improvisieren an halbkonkreten Vorgaben entlang. Und das tun sie geradezu begnadet, allen voran die fünfjährige Ramona Marquez. Aber auch Daniel Roche als Ben geht so in seiner Rolle auf, daß man vor allem die beiden jüngsten kaum als Schauspieler begreifen kann, die (nur) eine Rolle spielen, wie es bei vielen anderen Kinderdarstellern ist, die eben nur Texte von vierzigjährigen Drehbuchautoren aufsagen. Tatsächlich war, den Worten der Autoren Andy Hamilton und Guy Jenkin zufolge, das Casting der Kinder extrem langwierig, weil die Produktion eben keine jungen Schauspielschulen-Talente haben wollte, sondern Kinder, die sowohl talentiert als auch selbstbewußt waren und vor allem Spaß an den Dreharbeiten haben würden. Dieser spielerische Ansatz funktioniert ganz offensichtlich — so gut sogar, daß Marquez und Roche alle anderen an die Wand gespielt hätten, wären nicht Claire Skinner und Hugh Dennis (als Sue und Pete) kongenial in ihren improvisierten Reaktionen, die von einem verblüffenden Sinn für komisches Timing zeugen.

(Hier abermals ein Ausschnitt aus der zweiten Staffel, in dem Karen sich in ein Gespräch über Sues neuen Boss Tyson einmischt und erklärt, warum sie sich vom Christentum abgewendet zum Satanismus übergewechselt hat:)

Kein Zweifel: „Outnumbered“ ist harmlos. Es gibt keine peinlichen Cringe-Momente, es wird nicht geflucht, es geht nicht um die Untiefen der menschlichen Seele oder kaputte Beziehungen. „Outnumbered“ ist Familienunterhaltung pur, warmherzig und hin und wieder anrührend. Wer glaubt, britischer Humor müsse immer schwarz und böse sein, wird hier eines Besseren belehrt.

„Outnumbered“ ist komplett auf DVD erhältlich; die zweite Staffel, die sogar noch besser ist als die erste, ist heute erschienen. Für Weihnachten ist ein christmas special geplant, Series 3 wird im Moment gedreht und soll im nächsten Jahr ausgestrahlt werden.

  1. Jeun
    16. November 2009, 16:30 | #1

    Ich halte Outnumbered (bzw. die erste Staffel, da ich nur diese gesehen habe) für süß und gut und auch rund und glaubwürdig und toll gemacht und alles in allem also für unbedingt sehenswert, nur komisch finde ich sie nicht. Oder nur selten.

  2. Klaas
    1. Dezember 2009, 13:26 | #2

    Ich habe mal ne Frage,
    hat die DVD Series 1-2 deutsche Untertitel? Danke für ne Antwort.

  3. 1. Dezember 2009, 13:29 | #3

    nein, deutsche nicht, aber englische.

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