Home > Stand Up > The remarkable Bill Bailey strikes again

The remarkable Bill Bailey strikes again

Wer dachte, die Gigantomanie der letzten Bill Bailey-DVD „Tinselworm“, die in der ausverkauften Wembley-Arena alle Register moderner Licht-Ton-Bild-und-Komik-Kunst zieht, sei nicht mehr zu übertreffen, den belehrt der Meister der Musik-Comedy eines Besseren: „Bill Bailey’s Remarkable Guide To The Orchestra“ (hat UT) bietet ein komplettes Symphonieorchester auf, nämlich das BBC Concert Orchestra, das Bailey in der ebenso ausverkauften Royal Albert Hall erstmals die Möglichkeit gibt, den Musik-Anteil in seiner Show auf nahezu 100 Prozent zu erhöhen. Und diese Gelegenheit nutzt Bailey weidlich: Da kommt der Nokia-Klingelton zur Aufführung, es wird enthüllt, wo in der klassischen Musik sich Bee Gees-Melodien verstecken, wie ein Schwarm Heuschrecken oder Quallen sich von einem Orchester in Musik umgesetzt anhören (eine Fortsetzung von Camille Saint-Saëns‘ „Karneval der Tiere“, nur  mit unangenehmen Viechern), wie der „Universal“-Trailer sich in fast forward anhört (ein Erlebnis, das man bei DVDs nie haben wird, weil sich die Eröffnungstrailer ja nicht schnell vorspulen lassen) und wie Nachrichten-Jingle sich rückwärts gespielt anhören.
(Hier ein Clip aus dem Telegraph, in dem heute eine begeisterte Review zu lesen steht:)


Lustig ist das und lehrreich, denn Bailey versteht es, mittels Dekonstruktion altbekannter Melodien von Beethoven, Händel und Strauss bis zur Stock Music der Filmstudios aus den Zwanzigerjahren, wie sie etwa bei „Ren & Stimpy“ en masse verwendet werden, und zeitgenössischer Popkultur auch noch fast alle Instrumente des Orchesters einzeln vorzustellen und zu erläutern, welche Charaktere sie haben und wofür sie deshalb verwendet werden können — für Banken-Fernsehwerbung bis zu Krimiserien aus den Siebzigern.

(Hier der Trailer von Universal:)
https://www.youtube.com/watch?v=SKWxJUmWXFM&hl=de_DE&fs=1&

Daß so viele Facetten aus einigen hundert Jahren Musikgeschichte zu einer nicht immer konsistenten Show führen (und man zwischendurch schon mal denkt, ein so großes Orchester ist an einige Bailey-Nummern fast ein bißchen verschwendet; eine Kritik, die auch der Guardian anführt), scheint aber im Nachhinein verzeihlich. Und klar kommen bei zwei Stunden Laufzeit einige musikalische Nummern vor, die uns Nichtbriten nicht unbedingt etwas sagen, wenn Bailey sich etwa der „Emmerdale“- und „Coronation Street“-Titelmelodien annimmt. Und auch etliche Elemente aus früheren Bailey-Shows recyclet er hier, „Hats Off to the Zebras“ bis „Insect Nation“, und auch die schreiend komische Nummer aus „Cosmic Jam“, in der er „Cockney Music“-Intros in Werken von Mozart, Bach und Beethoven einbaut, ist wieder mit dabei — diesmal allerdings, mit dem Bombast eines Symphonieorchesters, mit noch größerer Fallhöhe. Darum stören diese Wiederholungen auch nicht — es ist schließlich ein Konzert, mehr als eine Comedy-Show. Allerdings eins, das endlich die Antwort auf Frank Zappas Frage „Does Humor Belong in Music?“ gibt: Yes, indeed. And very much so.

  1. Stevland
    2. Dezember 2009, 13:14 | #1

    Es ist wirklich interessant, wie viele Elemente Bill Bailey wieder verwendet. Aber anstatt Dinge eins zu eins zu übernehmen, werden sie neu aufgearbeitet, es kommen Gags hinzu, manche werden unter den Teppich gekehrt. Während ích mir jetzt alle 5 Live-DVDs angeschaut habe, dachte ich des öfteren: „Oha, kenn ich schon. Moment, das ist doch neu“

    Remarkable guide ist natürlich sehr gut, flacht allerdings in der letzten halben Stunde sehr ab, finde ich.
    Von den 5 Live-Programmen die ich jetzt gesehen habe, gefällt mir persönlich Part Troll am besten.

  2. plicktzah
    2. Dezember 2009, 21:34 | #2

    Ah, endlich ist es soweit :]
    Hab damals nur das Radio Special gehört und war begeistert.

    Vielen Dank übrigens für die Ren & Stimpy-Links. Nach sowas hab ich jahrelang gesucht.

  3. Emil S.
    3. Dezember 2009, 17:22 | #3

    Danke für den Tipp, ich hab’s gleich geordert.
    Für mich ist ja immer Victor Borge der Vater aller Musik-Comedy gewesen, den gab es in den 70ern ab und zu im deutschen Fernsehen, aber den kennt anscheinend kaum einer. Gegen den kann man mir so Typen wie Hans Liberg schenken.
    Jetzt setze ich meine Hoffnung auf Bill Bailey.
    Sehr empfehlenmswert finde ich übrigens auch „Igudesman & Joo“, fällt mir dabei ein. Gute „Musik-Comedy“ (wenn man das so nennt) gibt’s nicht so viele.

  4. Emil S.
    8. Dezember 2009, 10:35 | #4

    Ich hab’s jetzt gesehen, und es hat mir gut gefallen, es war sehr lehrreich usw. Ich war aber auch ein bißchen enttäuscht.
    Den Witz mit der Mondscheinsonate z.B. hat Victor Borge ja früher auch gebracht (natürlich nicht mit „Cockney-Music“), aber er hat sich viel mehr Zeit gelassen. Einmal spielte er so langsam, daß ihm dabei ab und zu die Augen zufielen und er kurz einnickte, einfach weil ihm die Musik (ich glaube es war sogar die Mondscheinsonate) zu langweilig war. So sollte man glauben, und das war schon sehr witzig. Er zelebrierte die Sachen irgendwie mehr. Bill Bailey hat’s in meinen Augen manchmal zu schnell abgefackelt.
    Bei Bill Bailey ist die Witzdichte viel größer, aber für mich ist Borge immer noch unerreicht.

  1. Bisher keine Trackbacks