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Archiv für März, 2010

Dumm zu sein bedarf es wenig

8. März 2010 6 Kommentare

Die frühen Zeiten waren die besten. Damals, in der wilhelminischen Schlußphase des Kaiserreichs, hatten sich die Wege von Nachrichten und Feuilleton noch nicht geschieden … Sagen wir es ungescheut: Richtig gut war das Feuilleton nie. Seine Verdienste konnte es trotzdem haben, und zwar nach Maßgabe der Beherztheit, die es benötigte, um überhaupt zu existieren … Besonders intelligent war das Feuilleton zwar nie, in seinen Blütezeiten aber machte es das durch Kampfesmut wett.

Absoluter Quatsch? Richtig, aber wenn man „Feuilleton“ durch „Kabarett“ ersetzt, „Burkhard Müller“ drunterschreibt und es im SZ-Feuilleton veröffentlicht, gehen heute die undifferenziertesten Pauschalurteile, der ahnungsloseste Schmock und die größte Borniertheit als Aufmacher durch. Wer so verallgemeinert („kein Wort drängt sich bei den heutigen Darbietungen des Kabaretts so sehr auf wie: Geschenkt!“), der offenbart wenig mehr, als daß er von der Kunstform, die er kritisiert, keinen rechten Begriff hat, nichts weiß von ihrer Funktionsweise und auch nicht von den Facetten, in die sich das Genre seit tausend Jahren diversifiziert hat. Das Kabarett als Zwillingsbruder des Karnevals: Starke Worte findet man natürlich jederzeit, wenn man, wie Müller es heute tut, den Henryk M. Broder der Kabarettkritik gibt, alles in einen Topf wirft, kräftig umrührt und dann zum Schluß kommt: Schmeckt ja gar nicht! Geistreich ist es allerdings nicht, genauso wenig wie das „selber doof!“, mit dem Müller auf die notwendigerweise zuspitzende Politik- und Gesellschaftskritik seitens des Kabaretts reagiert: „Wenn man gar zu genußvoll die Dummheit der anderen verhöhnt, wird man selber dumm“ — das steht wirklich so da: Selber doof!

Das soll nun keine pauschale Verteidigung des Kabaretts sein — eine solche wäre ja nun genauso undifferenziert wie Müllers Verdammung. Es gibt bestimmt unterkomplexes Kabarett. Es gibt aber auch anderes. Was allerdings jemand, der Eseleien als Apercus verkaufen möchte, vermutlich nicht wahrnimmt. Anders läßt sich die Schlußbemerkung Müllers nicht bezeichnen, die Seehofers Bemerkung von den wackelnden Alpen und dem schäumenden Chiemsee, dem Tsunami und der Westerwelle als „Lichtblick fürs Kabarett“ feiert, damit am Ende des Texts eine Pointe steht. Denn wenn die Bemerkung eines Politikers ein Lichtblick fürs Kabarett wäre, könnte Müller ja getrost auch das Feuilleton Seehofer überlassen — da findet sich bestimmt eine Bemerkung, die man als Lichtblick verstehen könnte. Geschenkt.

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Saturiert Night Fever

6. März 2010 8 Kommentare

Was soll man angesichts dieses Trailers empfinden, der den gleichnamigen Film zum Monty-Python-Festakt „Not The Messiah“ bewirbt?
https://www.youtube.com/watch?v=Kewfy5pMeWA&hl=de_DE&fs=1&

Der Film wird an angeblich nur einem Tag in England in den Kinos laufen, nämlich am 25. März — glaube das, wer wolle. Die Saturiertheit, mit der da die einst anarchischen Witze zum millionsten Mal wiederholt werden, diesmal gesungen und mit dem BBC Symphony Orchestra als Band, und dann natürlich „Always Look on The Bright Side of Life“… Ich weiß nicht. Kann das lustig sein? Ist das noch das unzähmbare, antiautoritäre Biest Monty Python? Oder ein domestizierter, zahnloser Stubentiger? Hat John Cleese am Ende gut daran getan, sich nicht zu Eric Idle, dem Moder- und Initiator des Spektakels zu gesellen? Oder wäre es fair play gewesen, den Fans diesen Spaß zu gönnen, wenn schon Terry Gilliam, Terry Jones und Michael Palin ihn mitmachen?

Ehen vor Gericht

5. März 2010 3 Kommentare

Drei Stargäste und ein Moderator, die sich die Ehestreitigkeiten von (echten) Ehepaaren anhören, sie anschließend diskutieren und dann ein Urteil fällen: Das Konzept von „The Marriage Ref“ (NBC, Sonntags) ist schon im Vorfeld (auch hier im Blog) auf eher verhaltene Erwartungen gestoßen. Trotz oder gerade wegen der Beteiligung von Jerry Seinfeld. Die Kritiken nach der ersten Folge aber waren katastrophal: „painfully bad“ bzw. „terrible“ (National Public Radio), „ugly, unfunny, patronizing mess“ (The Star Ledger), „the God-awful mishmash of a comedy-variety show“ (Time Magazine).

Persönlich muß ich allerdings sagen: so schlecht fand ich es gar nicht. Zwar halte ich den Moderator Tom Papa für eine Fehlbesetzung, und man muß sich von der Vorstellung verabschieden, daß da auch nur annähernd ernstzunehmende Streitigkeiten diskutiert würden. Das aber ist vermutlich Absicht, und aus gutem Grund. Die beiden ersten verhandelten Fälle waren der eines Mannes, der seinen (völlig unerzogenen) Köter nach dessen Ableben ausstopfen und im Wohnzimmer ausstellen wollte, der zweite der eines anderen (schwarzen) Mannes, der im Schlafzimmer eine Stange zum Pole Dancing anbringen lassen wollte. In beiden Fällen waren die Reaktionen der Frauen in etwa: Nur über meine Leiche, und in beiden Fällen natürlich auf den ersten Blick erkennbar absolut zu Recht. Das äußerten auch beide recht selbstbewußt, boten ihren Männern Paroli und stellten sich also als starke Frauen dar. Die Schnapsideen ihrer Männer dagegen machten es den Stargästen Seinfeld, Kelly Ripa und Alec Baldwin leicht, komischen Nektar aus diesen Zwisten zu saugen und den offenkundigen Unfug, den die Ehemänner da betrieben, auch als solchen zu ironisieren. Eine Farce auf alle Reality-Gerichtsshows oder „Ehen vor Gericht“ oder wie auch immer der Reality-Quatsch heißt, der da zur Vorlage genommen wurde. Und schließlich war nicht nur der Moderator in der Verkündung der Urteile, zu denen live in die Wohnzimmer der Ehepaare geschaltet wurde, erstaunlich sensibel, sondern die Kreuzfahrt, die die Paare anschließend geschenkt bekamen, vermutlich eine echte Handreichung zum Kitten der Ehen.

Nicht ernst zu nehmen also, diese Show, aber in ihrem Unernst durchaus lustig. Eine Reality-Show about nothing — was hätte man anderes von Seinfeld erwarten sollen?

Hey now: Larry Sanders bald auf DVD?

3. März 2010 1 Kommentar

Die „Larry Sanders Show“ könnte, zwölf Jahre nach der letzten Folge, bald erstmals komplett auf DVD erscheinen. Das berichtet Chortle. Die brillante Mediensatire von Garry Shandling, ausgestrahlt von 1992 – 1998 auf HBO, war bislang nur in kleinen Teilen als „Best of“ erhältlich, obwohl sie nicht nur zahllose Preise (vier American Comedy Awards, BAFTA, drei Emmys, Rose d’Or) abgeräumt, sondern auch etlichen ähnlichen Shows den Weg bereitet hat — namentlich „Curb Your Enthusiasm“, „Knowing Me, Knowing You With Alan Partridge“ und „Extras“.

Die „Larry Sanders Show“ spielt vor und hinter den Kulissen einer Late Night Show, deren Gastgeber Sanders unter einer Maske der Freundlichkeit häufig als egozentrisch, hinterhältig und kleinkariert zu erkennen ist und bei seinen Gästen (u.a. Robin Williams, Roseanne Barr, Billy Crystal, Jon Stewart, Jim Carrey und Ellen DeGeneres) meist nicht den besten Eindruck hinterläßt. Verblüffend ähnlich mit seiner Rolle war Shandling im Interview mit Ricky Gervais für dessen „Ricky Gervais meets…“-Serie von 2006, für die Gervais seine Comedy-Heroen besuchte. Kann ich jedem empfehlen, der einmal zwei extrem verspannten Comedians dabei zusehen will, wie sie immer kühlere Frotzeleien austauschen.

Alle 89 Folgen könnten noch im Herbst erscheinen, wenn auch vermutlich nur in den USA und dementsprechend als Region 1-DVDs.

Schlecht unterrichtet

Es ist weder selten noch außergewöhnlich, daß Fernsehserien über Staffeln hinweg in ihrer Qualität schwanken. Selten sind dritte und vierte Staffeln besser als erste und zweite, aber manchmal kommt natürlich auch das vor. Daß eine Serie aber so gut anfängt und dermaßen ins Bodenlose abfällt wie „Teachers“ (Channel 4, 2001 – 04), ist mir noch nicht so häufig untergekommen.

Nun ist es allerdings einfacher, gleichbleibende Qualität zu liefern, wenn das britische Sitcom-Prinzip greift: Ein oder zwei Macher, die als Autoren und Hauptdarsteller verantwortlich zeichnen, wenige Episoden pro Staffel, sitcom-kurze Folgen von 22 oder 30 Minuten. „Teachers“ ist das genaue Gegenteil davon: ComedyDrama mit knapp 50 Minuten langen Folgen, acht bis 13 Episoden pro Staffeln, einem halben Dutzend Autoren und Regisseuren und ebensovielen annähernd gleichberechtigten Figuren — mehr Kreuzfahrtschiff als Schnellboot.

„Teachers“ folgt einer Gruppe von Secondary-School-Lehrern in Bristol, die zum größeren Teil unreifer sind als ihre Schüler. Allen voran kämpft Simon (Andrew Lincoln, „Love Actually“) mit dem Erwachsenwerden, lebt er doch noch bei seinem Vater und dessen neuer Freundin, die eher in Simons Alter ist, und gerät regelmäßig in Konflikt mit Autoritäten wie seinem Vorgesetzten Bob, der Direktorin Clare oder seiner eiskalten, aber sehr attraktiven Kollegin Jenny (Nina Sosanya, „Nathan Barley“, „FM“). Rat und Hilfe sucht er bei seiner Kollegin Susan (Raquel Cassidy, „Lead Balloon“), trinken und alberne Pub-Spielchen spielen kann er mit seinen besten Kumpels Kurt und Brian. Jede Episode beschreibt eine Woche, jede Staffel ein Schuljahr.

Nicht über die Maßen originell, aber herzlich genug und dank glaubwürdiger Konflikte leidlich spannend, sind mir die erste und zweite Staffel schnell zu einem festen Bestandteil des Abendprogramms geworden: Ich habe es gerne gesehen, auch wenn (oder gerade weil) die Folgen nach einem schnell durchschaubaren Strickmuster gebaut sind und viele wiederkehrende Elemente haben. Jede Folge beginnt mit dem Weg zur Schule, der Wochentag taucht sehr hübsch auf Requisiten oder Kulisse geschrieben auf, wie überhaupt zahlreiche Sight Gags die Serie pimpen: etwa das maßlose Bullying auf Pausenhof und in Korridoren, das ebenso konsequent ignoriert wird wie die Esel, Schafe und anderen Tiere, die oft irgendwo im Hintergrund zu sehen sind. Auch daß praktisch jede Folge im Pub endet und mit den immer gleichen Sottisen (bevorzugt zu sexuellen Vorzügen und Defiziten des Kollegiums), ist eher anheimelnd als langweilig. Der vorzügliche Britpop-Soundtrack schließlich wertet die Serie zusätzlich auf.

Leider verlassen mit Simon, Susan und Jenny drei der wichtigsten Figuren nach zwei Staffeln die Serie; ein Verlust, den „Teachers“ nicht  wettmachen kann — weder durch den neuen Englischlehrer Matt (James Lance, „Moving Wallpaper“, „The Book Group“), noch durch andere neu eingeführte Figuren. Daß zu Beginn der vierten Staffel auch noch die unterbelichteten, aber lustigen Brian und Kurt ebenso wie Matt fehlen und auch noch der Schauplatz der ersten drei Staffeln gewechselt wird, versetzt „Teachers“ den Todesstoß. Allerdings zu einem Zeitpunkt, wo die Serie ohnehin schon komatös war, denn dank fehlender Konflikte war schon dem dritten Durchgang ziemlich die Luft ausgegangen.

Interessant zu erfahren wäre, was „Teachers“ so ruiniert hat: Warum so viele tragende Charaktere ausgestiegen sind, warum die Autoren in immer seichtere Gewässer abgedriftet sind, warum schließlich die anfänglich unterhaltsam surrealen Elemente (die der „Green Wing“-Ästhetik den Boden bereitet haben dürften) zu nur noch unglaubwürdigem Quatsch verkommen sind. Mir ist es jedenfalls völlig rätselhaft.