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Zwei nicht ganz außer Rand und Band

Nett ist natürlich immer ein Schimpfwort, aber es ist das erste, das mir zu „Stan & Ollie“ (jetzt in den Kinos) einfällt: eine vergnügliche, durchgehend harmlose Hommage an das Komikerduo, das hierzulande unter der üblich despektierlichen Bezeichnung „Dick und Doof“ firmierte, auf deutsch nacherzählt von der ansonsten nicht unter dem Verdacht großer Albernheit stehenden Kabarett-Legende Hanns Dieter Hüsch (siehe hier).

Klar, ein britischer Film über einen der (neben Chaplin) brillantesten englischen Comedians der frühen Kinojahre kann ja nur mit dem größten denkbaren Wohlwollen daherkommen (Buch: Jeff Pope). Zumal wenn einer der profiliertesten gegenwärtigen englischen Comedians, Steve Coogan, eine perfekte Kopie Laurels im Repertoire hat, und auch John C. Reilly als Oliver Hardy sehr präzise spielt. Biopics müssen ihre Helden ja überhöhen, seien es die guten oder schlechten Seiten ihrer Protagonisten.

Und so ist der zentrale Konflikt in „Stan & Ollie“ naturgemäß nicht sehr stark: Zu Beginn trennt sich das Duo, dessen kreative Hälfte (Laurel) auf eigene Rechnung Filme drehen möchte, während der eher vorsichtige Hardy lieber weiter bei Hal Roach unter Vertrag bleiben möchte — und mit seinem neuen Filmpartner prompt so wenig an frühere Erfolge anknüpfen kann, dass wir heute gar nicht mehr wissen, dass Stan und Ollie sich je getrennt haben.

Eineinhalb Jahrzehnte später, die größten Erfolge haben sie hinter sich, versuchen sie ein Comeback. Die beiden alternden Künstler touren gemeinsam durch England. Hardys Gesundheit ist nicht zum Besten, und der ungelöste Konflikt zwischen den beiden schwelt, angefeuert von den sehr unterschiedlich temperierten „besseren“ Hälften der beiden.

Das ist durch die Bank schön inszeniert (Regie: Jon S. Baird), unterhaltsam ausgespielte Comedy Routines der beiden Helden tun das ihre zum Zeitkolorit, und ich kann nicht sagen, dass ich mich gelangweilt hätte.

Sehr viel hängen geblieben ist andererseits auch nicht.

Am ehesten im Kopf geblieben ist mir Rufus Jones („Home“) als schön ungreifbarer Agent Delfont, dessen doublespeak einen schon als Zuschauer auf die Bäume treiben kann. Wie seine Doppelzüngigkeit erst Laurel und Hardy irre gemacht haben muss, kann ich nur spekulieren.

Aufs Ganze gesehen aber ist „Stan & Ollie“ eher dekorativ. Nett anzusehen, aber ohne die Substanz, ein wichtiger Film zu sein. Schade eigentlich.

  1. Sehr gut
    12. Mai 2019, 13:05 | #1

    Nicht nur die Erzähler-Kommentare der Dick & Doof Version sind hü(b)sch, auch die Titelmelodie ist richtig gut und vor allen Dingen klingen die ein- bzw. dazugespielten Geräusche und Stimmen ziemlich lustig. In den Geschichten, wo er ohne Ollie unterwegs ist, ist Stan ja noch ein ganz schöner Draufgänger.

  2. Ralf
    14. Mai 2019, 15:21 | #2

    Hm, schade, ich hatte mir mehr versprochen. Na ja, werde ihn mir trotzdem anschauen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

    Allerdings habe ich eine Anmerkung zur Chronologie. Du schreibst „Eineinhalb Jahrzehnte später, die größten Erfolge haben sie hinter sich, kommt die Wiedervereinigung und der Versuch eines Comebacks.“
    Die Englandtour war zwar etwa anderthalb Jahrzehnte nach der Trennung von Hal Roach aber die beiden haben ja schon ab 1941 (also gerade mal ein Jahr später) wieder zusammengearbeitet und bis 1951 noch neun weitere gemeinsame Langfilme (u.a. für Fox und MGM) gemacht. D.h. sie waren eigentlich die ganze Zeit beisammen. Die „Trennung“ hat genau einen einzigen Film gedauert („Zenobia“).

  3. 14. Mai 2019, 15:47 | #3

    Danke für den Hinweis! Tatsächlich macht der Film diesem Zeitpunkt und lässt alles dazwischen liegende aus.

  4. Torsten
    24. Januar 2021, 20:00 | #4

    Als großer L&H-Fan empfand ich den Film genau so wie du: Ganz schön gemacht, aber da wäre in der Tat mehr drin gewesen. Die Konflikte wurde nur halbherzig angerissen, ohne wirklichen Tiefgang. Sowohl in der Beziehung zu Hal Roach als auch in ihren späteren Jahren hätte es sicher mehr an Konfliktpotenzial gegeben (etwa die katastrophalen Produktionsbedingungen bei ihrem letzten Film Atoll K, das hätte allein schon genug Stoff für einen ganzen Film gehabt). Der Zeitkolorit war aber wirklich sehr schön getroffen, und die darstellerische Leistung vor allem der beiden Hauptdarsteller war zweifelsohne grandios.

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