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Artikel Tagged ‘Bill Bailey’

Pausenmusik: Bill Bailey – Das Hokey Cokey

13. Juli 2010 6 Kommentare

Parodien, deren Original keiner kennt, sind natürlich nur begrenzt lustig. Den „Hokey Cokey“-Song kennt im englischsprachigen Raum jeder, hierzulande aber kein Mensch. Ich glaube, ich weiß auch warum: Außerhalb Deutschlands ist „Hokey Cokey“ ein integratives Mitmach-Lied vor allem für Kinder. Es stammt vermutlich aus dem „Blitz“-erschütterten London der frühen Vierziger und sollte Zusammenhalt und gute Laune fördern. So kennt man es außerhalb von Deutschland:

Die deutsche Version dagegen, wie sie Bill Bailey hier präsentiert (zusammen übrigens mit Kevin Eldon), hat mit dem Frösi-Prinzip („fröhlich sein und singen“),  nun ja, wenig zu tun. Hier ist es: „Das Hokey Cokey“ aus Bill Baileys „Part Troll“-Show.
https://www.youtube.com/watch?v=tD5P7RsC9TI&hl=de_DE&fs=1&

Für Kinder ab 18

15. März 2010 10 Kommentare

Ich hasse Jugendliche. Jugendliche stinken. Sie sind vorlaut, präpotent und halten sich für den Nabel der Welt, haben aber in Wirklichkeit von nichts Ahnung. Jugendliche denken nur an sich, wollen immerzu „Party machen“ und bauen Scheiße. Warum sollte ich ihnen dabei auch noch stundenlang zusehen wollen?

Nun: Weil es verdammt unterhaltsam ist — jedenfalls wenn wir von „Skins“ (E4, 2007 -) sprechen. „Skins“ bestätigt alle gängigen Vorurteile über Jugendliche (vorlaut, präpotent, keine Ahnung, Party) — und transzendiert sie. Natürlich bauen Tony, Michelle, Sid, Cassie, Chris, Jal, Maxxie und  Anwar unfaßbar viel Scheiß. Aber jeder baut ihn auf seine Weise. Und wenn man eine Weile zusieht, wird die Binnenlogik aus Scheiße bauen und Party machen so stark, daß man sich fragt: Warum habe ich eigentlich nicht so viel Scheiße gebaut und Party gemacht, als ich Teenager war? Sieht doch aus, als wäre mir mächtig etwas entgangen.

Gut, fränkische Mittelstädte in den Achtzigern und Bristol der späten Nullerjahre, das sind schon zwei unterschiedliche Planeten. Ich hätte mit 16 eher nicht auf Pump einem Grasdealer Marihuana für 1000 Mark abgekauft, um den Beutel sofort zu verlieren und keine Ahnung zu haben, wie ich das zurückzahlen soll. Ich hätte mich auch nicht mit ein paar schweren Metallteilen in der Tasche durch die Untersuchung einer Anorexie-Behandlung geschummelt oder von meinen Brüdern, die für HipHop-Battles proben, beim Klarinettespielen stören lassen, und meine alleinerziehenden Mutter hätte sich auch nicht mirnichts, dirnichts aus dem Staub gemacht, um mich mir selbst zu überlassen. Insofern hatte es vermutlich auch seine Vorteile, in der bayerischen Provinz aufzuwachsen, und nicht im Südwestengland eines britischen ComedyDramas.

Kurzweiliger ist aber auf jeden Fall die Jugend in der Fernsehversion von E4, dem Bezahlfernseh-Ableger von Channel4. Sie hat definitiv den besseren Soundtrack als meine Jugend, ist schneller geschnitten und sowohl lustiger als auch trauriger. Das ist überhaupt die ganz große Leistung von „Skins“: Wie hier Tragik und Komik Tür an Tür wohnen, wie man mit jeder Folge, die sich jeweils um einen aus der Clique dreht und auch nach ihm benannt ist, also Episode „Tony“, Folge „Cassie“ usw., wie man also mit jeder Folge mehr von der Backstory und den inneren Welten einer Figur erfährt und dabei ganz großes Drama, schlimmste seelische Verletzungen und schwerste Schicksale direkt neben schnellen und hellen Gags liegen, neben Witzen über doofe Eltern, Drogen und Sex, Sex, Sex — das ist nichts weniger als brillant. Und sehr englisch, mal wieder: dreckig, böse, sehr, sehr lustig. Die DVDs sind tatsächlich „ab 18“.

Die Schöpfer der Serie, Bryan Elsley und Jamie Brittain, sind Vater und Sohn (ersterer Jhg. ’61, letzterer ’84) und mit Preisen für „Skins“ überhäuft worden; vor allem ab der dritten Staffel häufen sich vermutlich wegen des phänomenalen Erfolgs denn auch die Gast-Auftritte, in denen über zwei bis vier Episoden Stars die Eltern respektive Lehrer verschiedener Teenager spielen dürfen: etwa Sally Phillips, Ardal O’Hanlon, Mark Heap, Rich Fulcher, Simon Day, Kevin Eldon, Bill Bailey, Peter Capaldi und Olivia Colman; Harry Enfield spielt nicht nur regelmäßig mit, sondern führt zwischendurch sogar Regie. Tony Stonem wird gespielt von Nicholas Hoult, den man als Kind noch aus „About a Boy“ kennen könnte.

„Skins“, der Name, bezieht sich übrigens nicht etwa auf Skinheads, sondern auf Zigarettenpapierchen, mit denen hier selbstredend ausschließlich Joints gebaut werden. Der Begriff „skins party“ ist infolge der Serie in den englischen Sprachgebrauch eingegangen als Synonym für extrem destruktive Großfeiern mit unfaßbar viel Akohol- und Drogenkonsum — es wird von einer Party berichtet, die auf MySpace als „Skins Unofficial Party“ angekündigt war und zu der prompt 200 Gäste erschienen, die einen Schaden von 20 000 Pfund anrichteten. Wer bei YouTube nach „Skins“-Trailern sucht (leider alle nicht einzubetten), wird praktisch nur das finden, wofür die Serie berühmt geworden ist: Exzessive Partyszenen.

In England ist gerade die vierte Staffel zuende gegangen (sie erscheint nächste Woche auf DVD); die fünfte und sechste sind schon beschlossen, vermutlich deshalb im Doppelpack, weil (fast) der komplette Cast zwischen der zweiten und dritten Staffel ausgetauscht worden ist und ein weiterer kompletter Austausch der Hauptfiguren geplant ist, deren Geschichte immer nur bis zum Abschluß der Secondary School erzählt werden. Auch von einem Film ist die Rede. Ich werde, soviel steht schon fest, alles gucken, was da noch kommt — „Skins“ ist phänomenal.

The remarkable Bill Bailey strikes again

2. Dezember 2009 4 Kommentare

Wer dachte, die Gigantomanie der letzten Bill Bailey-DVD „Tinselworm“, die in der ausverkauften Wembley-Arena alle Register moderner Licht-Ton-Bild-und-Komik-Kunst zieht, sei nicht mehr zu übertreffen, den belehrt der Meister der Musik-Comedy eines Besseren: „Bill Bailey’s Remarkable Guide To The Orchestra“ (hat UT) bietet ein komplettes Symphonieorchester auf, nämlich das BBC Concert Orchestra, das Bailey in der ebenso ausverkauften Royal Albert Hall erstmals die Möglichkeit gibt, den Musik-Anteil in seiner Show auf nahezu 100 Prozent zu erhöhen. Und diese Gelegenheit nutzt Bailey weidlich: Da kommt der Nokia-Klingelton zur Aufführung, es wird enthüllt, wo in der klassischen Musik sich Bee Gees-Melodien verstecken, wie ein Schwarm Heuschrecken oder Quallen sich von einem Orchester in Musik umgesetzt anhören (eine Fortsetzung von Camille Saint-Saëns‘ „Karneval der Tiere“, nur  mit unangenehmen Viechern), wie der „Universal“-Trailer sich in fast forward anhört (ein Erlebnis, das man bei DVDs nie haben wird, weil sich die Eröffnungstrailer ja nicht schnell vorspulen lassen) und wie Nachrichten-Jingle sich rückwärts gespielt anhören.
(Hier ein Clip aus dem Telegraph, in dem heute eine begeisterte Review zu lesen steht:)


Lustig ist das und lehrreich, denn Bailey versteht es, mittels Dekonstruktion altbekannter Melodien von Beethoven, Händel und Strauss bis zur Stock Music der Filmstudios aus den Zwanzigerjahren, wie sie etwa bei „Ren & Stimpy“ en masse verwendet werden, und zeitgenössischer Popkultur auch noch fast alle Instrumente des Orchesters einzeln vorzustellen und zu erläutern, welche Charaktere sie haben und wofür sie deshalb verwendet werden können — für Banken-Fernsehwerbung bis zu Krimiserien aus den Siebzigern.

(Hier der Trailer von Universal:)
https://www.youtube.com/watch?v=SKWxJUmWXFM&hl=de_DE&fs=1&

Daß so viele Facetten aus einigen hundert Jahren Musikgeschichte zu einer nicht immer konsistenten Show führen (und man zwischendurch schon mal denkt, ein so großes Orchester ist an einige Bailey-Nummern fast ein bißchen verschwendet; eine Kritik, die auch der Guardian anführt), scheint aber im Nachhinein verzeihlich. Und klar kommen bei zwei Stunden Laufzeit einige musikalische Nummern vor, die uns Nichtbriten nicht unbedingt etwas sagen, wenn Bailey sich etwa der „Emmerdale“- und „Coronation Street“-Titelmelodien annimmt. Und auch etliche Elemente aus früheren Bailey-Shows recyclet er hier, „Hats Off to the Zebras“ bis „Insect Nation“, und auch die schreiend komische Nummer aus „Cosmic Jam“, in der er „Cockney Music“-Intros in Werken von Mozart, Bach und Beethoven einbaut, ist wieder mit dabei — diesmal allerdings, mit dem Bombast eines Symphonieorchesters, mit noch größerer Fallhöhe. Darum stören diese Wiederholungen auch nicht — es ist schließlich ein Konzert, mehr als eine Comedy-Show. Allerdings eins, das endlich die Antwort auf Frank Zappas Frage „Does Humor Belong in Music?“ gibt: Yes, indeed. And very much so.

It’s the joggers I don’t trust

12. November 2009 8 Kommentare

Der sympathische Mensch hinter Manny Bianco, dem Buchhalter aus „Black Books“, der in der ersten Folge das „Little Book of Calm“ verschluckt und anschließend buddhistisch ruhig und oft sehr komisch ist, heißt Bill Bailey (und spielt in „Spaced“ den Comicladenverkäufer), und weil ich ihn nun endlich, endlich auch live (auf DVD, versteht sich) gesehen habe, muß ich hier einen weiteren Kaufbefehl äußern: „Tinselworm“, die letzte Live-DVD vor dem am 23. November erscheinenden „Bill Bailey’s Remarkable Guide to the Orchestra“.

Baileys surrealistisch-naive Art in Verbindung mit seinem musikalischen Talent (man erinnere sich an die erste Folge der zweiten Staffel „Black Books“) und der gigantomanischen Bühnenshow in Wembley erzeugt eine komische Atmosphäre, wie ich sie bislang selten bei Live-Comedy erlebt habe: ob Bailey über die Polizeisirenen in verschiedenen Ländern sinniert (der Ausschnitt ist allerdings nicht aus dem Wembley-Gig)…

…oder über die Türklingel des Papstes (hier aus dem Comedy-Programm zu Ehren von Prinz Charles anläßlich seines ichglaube Sechzigsten): Er ist immer brillant.


Wer sich bislang von Stand Up-Gigs auf DVD ferngehalten hat: der könnte mit Bill Baileys Shows einen Einstieg finden, denn Baileys Musik-Comedy ist leicht zugänglich, entwaffnend komisch und äußerst sympathisch.

Ah, und: Den Joggern traut er nicht, weil sie immer die sind, die die Leichen finden.

Die Top-10-Britcoms der 00er-Jahre: Platz 10

10. Oktober 2009 8 Kommentare

Gut, wir haben natürlich erst Oktober ’09. Trotzdem halte ich es für unwahrscheinlich, daß in den letzten Minuten des Jahrzehnts noch eine so brillante Britcom des Weges kommt, daß sie meine eben aufgestellten Top 10 durcheinanderwirbeln wird. Wenn doch: Hurra und herzlich willkommen, brillante neue Britcom!

Vorab und weil natürlich jeder Leser eingeladen ist, seine eigenen Top 10 in den Kommentaren zu posten, noch ein schnelles Wort zu den Regularien: Meine Wertung ist strikt subjektiv, Hauptkriterium war, wenn ich es mir recht überlege, einfach, wie oft ich die betreffende Sitcom gesehen habe, mit wechselnden Mitguckern und allein. Das heißt natürlich, daß die leichter konsumierbaren Serien besser abschneiden als die verqueren, unzugänglicheren; sei’s drum, Komik ist nun mal etwas, das zwischen Menschen stattfindet, und zwischen je mehr, desto besser und lustiger. Strikt war ich nur in zwei Punkten: Dem der Sitcom und dem der 00er-Jahre. Nicht in der Wertung sind Comedy-Dramas, One-Offs, Sketchshows, Filme, Stand Ups, Panel Shows, Clip Shows usw.; und die erste Folge der ersten Staffel muß in den 00ern gewesen sein. Damit scheidet z.B. „Spaced“ aus.

Beginnen wir doch mit

Platz 10: „Black Books“ (2000 – 2004, Channel 4)topten10

Eines der vielen vorderhand abstoßenden Ekel der britischen Sitcoms regiert seinen Secondhand-Buchladen mit vom Alkohol leicht zittriger Hand: Bernard Black (Dylan Moran), misanthroper Ire in London, schmeißt schon mal einzelne Kunden raus, die Bücher passend zur Couchgarnitur kaufen wollen, oder auch einfach alle Kunden, wenn sie ihm auf die Nerven gehen, und trinkt lieber sieben schöne Flaschen Rotwein. Etwas Licht kommt erst in sein Leben, als er Manny Bianco (Bill Bailey) trifft, der seinen Buchhalterjob hingeworfen hat, um etwas Sinnvolles mit seinem Leben anzufangen — und dann für Black die Buchhaltung macht. Manny ist das genaue Gegenteil von Bernard: Offen, liebenswürdig, hilfsbereit, ein bißchen naiv, und kommt so schon mal in merkwürdige Situationen, wenn er etwa aus dem Buchladen ausreißt, weil er Bernards Launen nicht mehr erträgt, und sich mit einem Fotografen einläßt, der eine etwas merkwürdige Faszination für Mannys Bart entwickelt. Fran Katzenjammer (Tamsin Greig), Besitzerin der benachbarten Schnickschnack-Boutique, gibt der Serie den weiblichen Touch und ist Bernards einziger Freund.

„Black Books“ lebte von den surrealistischen Drehbuchideen, die dank Graham Linehans Federführung den Geist von „Father Ted“ atmeten und dank Dylan Morans Kontribution düster waren und sich von der Welt angeekelt gaben, und von Slapstick und Sight Gags (hier ein Best-Of), die einen unmittelbar in den Kosmos dieser für britische Sitcom vergleichsweise warmen und herzlichen Sitcom zogen. Diese Wärme und Herzlichkeit strahlten nicht zuletzt Bill Bailey und Tamsin Greig aus, aber auch die zahlreichen Gaststars von Simon Pegg und Nick Frost bis Peter Serafinowicz, die „Black Books“ zu einer „Spaced“ eng verwandten Serie machten, und wie „Spaced“ wurde auch „Black Books“ von Nira Park produziert.

Daß „Black Books“ nicht weiter oben in meinen Top 10 plaziert ist, ist seiner Nähe zum Mainstream geschuldet: Es ist beinahe ein wenig zu perfekt, zu liebenswert, zu klassisch auch, indem es einer beinah altmodischen Idee von Sitcom entspricht, wie sie Graham Linehan auch später in „The IT Crowd“ wieder verfolgt hat. Sitcom in den 00ern dürfte meinen Ansprüchen nach ruhig etwas edgier sein, ein bißchen mehr die Herausforderung suchen und Neues wagen. Dennoch ist „Black Books“ aber eine der großen Britcoms seiner Zeit gewesen und immer noch ein perfekter Einstieg für alle, die sich dem Britcom-Kosmos noch nicht zu nähern gewagt haben, weil er so groß und unüberschaubar ist. „Black Books“ heißt seine Besucher jedenfalls herzlicher willkommen, als Bernard Black das gerne hätte.