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Zum Lachen, zum Weinen

28. August 2009 25 Kommentare

Es ist ja nur das eine, daß deutsche Journalisten die in Umfragen ermittelten „18 Prozent“ für Hape Kerkelings Horst Schlämmer nicht richtig interpretieren können oder wollen. Das andere ist, daß einige schon Probleme mit unterschiedlichen Medienformen haben, und daß alles aus und vorbei ist, wenn dann noch Komik ins Spiel kommt — Satire, Parodie, uneigentliches Sprechen, das ist offenbar zu hoch.

Jüngstes Beispiel: Ein Text von Minu Barati in der gestrigen Zeit, über dem in dicken, unsichtbaren Buchstaben stand: „Wir würden diesen Text auch drucken, wenn Minu Barati nicht die Frau von Joschka Fischer wäre.“ Sie hat offenbar sowohl den „Schlämmer“- als auch den „PARTEI“-Film gesehen, aber weder den einen noch den anderen verstanden, und das Phänomen, das sie dann beschreiben will, erst recht nicht. Geschenkt, daß auch Barati die „18 Prozent“ Schlämmerzustimmung, die Deutsche mit Sinn für Humor dem Forsa-Mann in den Block diktiert haben, wie all ihre Kollegen ernst nimmt und nicht als das, was sie sind: Einen Spaß, den Menschen in Umfragen eben mitmachen, wenn sie gefragt werden, ob sie sich vorstellen könnten, einem Spaßkandidaten ihre Stimme zu geben. Was das tatsächlich über Wahl- und Politikbegeisterung oder ihr Fehlen in Deutschland aussagen soll, ist mir vollkommen rätselhaft. Aber dann:

„In diesem Jahr erleben wir den wohl langweiligsten Wahlkampf aller Zeiten. Vielleicht bekommen Schlämmer und Sonneborn deshalb so viel Beachtung. Sie sind fiktive Figuren, wirken aber neben ihren ‚Politikerkollegen‘ erstaunlich real.“

Sonneborn eine fiktive Figur? Das wüßte ich. Während seiner Chefredakteurschaft bei TITANIC erschien er mir jedenfalls durchaus real, im Gegensatz zu Horst Schlämmer. Allerdings ist auch der nicht fiktiv, es gibt ihn ja, zumindest als eine Rolle des Komikers Kerkeling; Schlämmer ist mithin fiktional. Ein Unterschied, den man kennen könnte, wenn man an der „Berliner Fernsehakademie studiert“ hat und „eine Filmproduktionsfirma“ leitet.

Es scheint aber, als wäre es Barati lieber, die Wirklichkeit ihren Theorien anzupassen als umgekehrt:

„(Sonneborns) Gefolgschaft rekrutiert sich zum einen aus den eigenen Reihen der TITANIC-Anhänger und zum anderen aus Menschen, die nicht einmal eine rudimentäre politische Informationsfähigkeit empfinden und deren Konzentrationsfähigkeit auf einen Bierdeckel paßt. Hier wird ein Pool von Wählern gezeigt, den man zu fast allem mobilisieren kann.“

Ist das noch Ahnungslosigkeit oder schon Demagogie? Denn selbstverständlich hat Die PARTEI keineswegs die beschriebenen Vollidioten und willenlosen Zombies als Mitglieder, sondern Menschen, denen bewußt ist, daß Die PARTEI eine Satireveranstaltung ist, eine Parodie auf die echten Parteien und ihr mitunter leeres Geschwätz. Sie jubeln nicht den krausen Forderungen zu, die im übrigen kluge und mit Humor begabte Menschen wie Heinz Strunk, Rocko Schamoni und Oliver Maria Schmitt zum Besten geben, sondern dem Umstand, daß man auch dem größten Unsinn mit einfachen Mitteln (grauer Anzug, seriöses Gesicht) den Anschein richtiger Politik geben kann. Es sind Menschen, die den Witz verstanden haben — anders offenbar als Minu Barati.

Darum ist der allergrößte Unsinn natürlich der Satz

„Sonneborn und Die PARTEI wirken wie ein schamanisches Heilsversprechen bei Krebs im Endstadium. Erstaunt wird man in ein Paralleluniversum eingeführt, in dem Satire und Ironie nicht existieren.“

Äh: What?! Man braucht also nur seinen Sinn für Humor abstellen und kann ohne weiteres all den reinen und blühenden Unsinn um einen herum ernst nehmen — und allen Beteiligten unterstellen, auch sie nähmen den Unsinn ernst und könnten am Ende Wirklichkeit und Fiktion nicht mehr unterscheiden? Da scheint ein gewaltiger Dachschaden vorzuliegen.

Also noch mal zum Mitschreiben: Horst Schlämmer ist eine fiktionale Figur, nämlich die des Komikers Hape Kerkeling. Er existiert nicht wirklich, kann dementsprechend auch nicht wirklich kandidieren, und hat auch keine echte Partei hinter sich. Martin Sonneborn ist eine reale Figur, nämlich ein Publizist mit Namen Martin Sonneborn, der nach allen Regeln des Rechtsstaates eine richtige Partei gegründet hat, die aber mit satirischen Nonsens-Inhalten gefüllt ist. Über den Aufstieg und Fall dieser Partei wiederum ist eine Dokumentation gedreht worden, die mit fiktionalen Elementen angereichert ist.

Aber womöglich weiß das Frau Barati ja und hat sich nur einmal zum Spaß dumm und humorlos gestellt, um zu sehen, was passiert, wenn man aus dieser Perspektive einen Text über komische Filme und Phänomene schreibt. Was passiert ist, daß Die Zeit es dann in ihren Politikteil hineindruckt.