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Artikel Tagged ‘Star Stories’

Inder Bredouille

19. Juni 2009 6 Kommentare

Als die Frankfurter Rundschau im Laufe der Tageszeitungskrise im Allgemeinen und ihrer hausgemachten Misere im Besonderen einmal ein wenig Geld sparen wollte, kam irgend jemand auf die Idee, die Telefonzentrale von Redaktion, Verlag und Druckerei dort hin zu verlagern, wo es wenig kostet, jedenfalls weniger als in Frankfurt am Main: nämlich in den Osten, in ein Call-Center, seßhaft vermutlich in einer Mittelstadt in wasweißich Thüringen oder Sachsen. Seitdem wird der Anruf von jedermann, der die Frankfurter Rundschau anwählt, nicht im hessischen Idiom beantwortet, sondern, wenn er Glück hat, mit „Frankfodder Ründschau, güdn Dooch“ und „waskonnschfürSiedüün“. Von Vorgängen im Haus haben die Menschen im Call-Center naturgemäß keine Ahnung, vermutlich war nie einer von ihnen in Frankfurt/M. und hat auch noch nie eine Rundschau in der Hand gehabt.

Eine Sitcom in diesem Milieu könnte nun so gehen: Ein Ossi, seit kurz nach (oder besser noch vor) der Wende im Westen, hat es geschafft. Er hat einen schönen Job in einer westdeutschen Stadt bei einer z.B. Unternehmensberatung. Dort ist er rasch aufgestiegen, weil er seinen Job gut macht und kaum etwas an seine Herkunft erinnert. Dann bekommt sein Unternehmen den Auftrag, eine marode Tageszeitung vollends zu ruinieren, und richtet ein Call-Center in Ostdeutschland ein. Als es dort zu Problemen mit der Technik und der Mentalität der Angestellten kommt, erinnert sich ein hoher Manager der Unternehmensberatung: Da war doch ein Mitarbeiter, der ursprünglich aus dem Osten kam! Und prompt wird unser Ossi nach Zwickau versetzt, wo er, der den liberalen westlichen Lebensstil schätzt wie kein zweiter, plötzlich im kleinbürgerlichen Mief zwischen Unwilligen und Unfähigen sitzt, Chef zwar, aber ausgeliefert dem „Das machen wir hier schon immer so“ und „Da könnte ja jeder kommen“. Eine Fish out of water-Story mit dem Twist, daß dieser Fisch dahin zurück muß, wo er froh war, endlich weg zu sein.

Ganz so schlimm ist es nicht für Kenny Gupta (Sanjeev Bhaskar) in „Mumbai Calling“ (ITV, samstags, 21.30 Uhr). Er, der in Wimbledon korrigiere: Wembley geborene indisch-stämmige Engländer, muß nicht in den deutschen Osten, sondern nur nach Mumbai (hierzulande noch weitgehend als Bombay bekannt), um das (in Großbritannien operierende) Call-Center Teknobabel auf Vordermann zu bringen. Dabei wird er nicht nur in Kämpfe mit dem dortigen Büroleiter Dev (Nitin Ganatra) verwickelt, der zwar sympathisch ist, aber mehr an Frauen als an Arbeit interessiert, sondern auch noch mit Terri Johnson (Daisy Beaumont), einer Britin, die Gupta hinterhergeschickt wird, weil der sich über Monate hinweg an seinem Arbeitsplatz gar nicht blicken läßt, sondern lieber trinkt und in Clubs herumhängt — wer könnte es ihm verdenken.

https://www.youtube.com/watch?v=iK3EVYPomO8&hl=de&fs=1&

Drei Folgen „Mumbai Calling“ sind schon gelaufen, und Setting wie Cast sind eine angenehme Abwechslung zu anderen Sitcoms. Gedreht wurde vor Ort in Indien und mit indischen Schauspielern (Single Camera, kein Laugh Track), Sanjeev Bhaskar kann mit „Goodness Gracious Me“, einer ethnischen Sketch-Comedyshow, auf große Erfolge zurückblicken, und Daisy Beaumont ist als Ensemble-Mitglied von „Star Stories“ ebenfalls schon auf dem Comedy-Radar aufgetaucht. HBO hat „Mumbai Calling“ bereits im November vergangenen Jahres in Indien ausgestrahlt, ITV allerdings nach einem Pilot von Mai 2007 sehr lange zugewartet, bis sie die längst fertige Serie doch noch ausgestrahlt haben. Doch noch ausgestrahlt vermutlich wegen des großen Erfolgs von „Slumdog Millionaire“ (und weil auch ITV die Krise sehr zu spüren bekommt und es sich nicht leisten kann, fertige teure Serien einfach in den Giftschrank zu tun), so lange damit gewartet aber aus einem anderen Grund: „Mumbai Calling“ ist zwar schön anzusehen, aber nicht übermäßig dicht an Lachern. Was die Serie aber an Knaller-Pointen verschenkt, macht sie durch einen großen Sympathie-Bonus wett, den sie bei mir hat. Und vielleicht wird sie ja auch noch ein bißchen besser.

Einen Scherz hab ich noch, der leider für die Ossi-Sitcom unübersetzbar ist: „You want a four letter word?“ — „Yeah!“ — „Work!“

Skip FM

26. Mai 2009 2 Kommentare

1982 überraschten „The Young Ones“ die Fernsehzuschauer nicht nur mit anarchisch-derbem Humor, sondern auch mit Gastauftritten berühmter Bands: Motörhead, Madness, Dexy Midnight Runners und The Damned spielten, durch die Handlung der Serie nicht im Mindesten motiviert, ihre je aktuelle Single. Bemerkenswert war der Hintergrund dieser Musikeinlagen: Die Produktion bekam, weil die Serie nun eher in die Format-Kategorie „Variety“ statt „Light Entertainment“ fiel, von der BBC ein höheres Budget, das Ben Elton für Sachen zum Kaputtmachen ausgeben konnte. Nebenbei konnten sich „The Young Ones“ aber natürlich auch profilieren — und wurde nicht zuletzt wegen der Musik-Features zu einer der ersten Fiction-Shows auf MTV.

Daß „FM“ in jeder Folge berühmte Stargäste auffährt, von Marianne Faithfull über The Charlatans, Ladyhawke und The Wombats bis hin zu Justin Hawkins von The Darkness, liegt eher nicht am Budget. Sondern daran, daß das finanziell angeschlagene ITV2 den Erfolg seiner jüngsten Comedyserie ganz, ganz dringend wollte, und deshalb auf große Namen setzte. Allen voran: Kevin Bishop („Star Stories“, „The Kevin Bishop Show“) und Chris O’Dowd („The IT Crowd“). Letzterer darf im Grunde die gleiche Rolle wie in „The IT Crowd“ spielen: einen liebenswürdigen Nerd-Loser, der mit einem männlichen Kollegen und einer Frau am Arbeitsplatz mehr oder weniger glänzen und im Privatleben gänzlich versagen darf. Nur daß das Setting hier das einer Radiostation ist, Skin FM, was die berühmten Musiker erklärt.

Leider scheint das Budget dann aber nicht mehr für sehr viele Witze gereicht zu haben, denn an dem, was Ian Curtis (nein, nicht der, der die vielen guten Gags für Joy Division geschrieben hat) und Oliver Lansley in ihrem Erstling da zusammengekratzt haben, hat mein Zwerchfell keinen Schaden genommen. Wiederum wie in „The IT Crowd“ sind einige leidliche Dialogwitze („You’re not addicted, you’re just a dick“) enthalten: „Puns and witticisms, misunderstandings, awkward situations. Old-school then, to be polite. Or lame, if you prefer“, wie sich der Guardian mockiert. Die Plots sind dünn bis nicht vorhanden, und nur die beiden sympathischen Hauptdarsteller bewahren die Serie davor, gänzlich den Bach hinunterzugehen. Und Nina Sosanya, die farbige „SugaRape“-Assistentin aus „Nathan Barley“. Zu wenig leider für eine wirkliche Empfehlung. Daß nur wenige Wochen nach der Erstausstrahlung im Februar schon die DVD erschienen ist, könnte als Absage an eine zweite Staffel gewertet werden.

Ich bin bafta

27. April 2009 2 Kommentare

bzw. nicht ganz zufrieden mit den diesjährigen Gewinnern des jährlichen Preises der British Academy of Film and Television Arts (gestern abend war die Preisverleihung): Baftas für David Mitchell in „Peep Show“ (Comedy Performance) und „The IT Crowd“ (Situation Comedy) — das sind zwei Baftas für x-te Staffeln mittlerweile doch eher schwächelnder Sitcoms, und null (in Zahlen: zero) Baftas für die in beiden Kategorien ebenfalls nominierten „Outnumbered“ respektive Claire Skinner in ihrer Hauptrolle darin. Shame! Und auch den Bafta für das beste „Comedy Programme“ hätte ich nicht an „Harry and Paul“ vergeben, sondern sicher eher an „Star Stories“. Wo  nicht „The Peter Serafinowicz Show“. Oder, wie es Karen formuliert hätte: „Up your beeping beep beep!“

Die gute Nachricht am Rande: Die zweite Staffel „Outnumbered“ ist noch besser als die erste und wird auf DVD erscheinen! Die schlechte: Allerdings erst im November.

Kein Empfang

Jede Fernsehshow braucht das gewisse Etwas: Einen Clou, der sie von allen anderen Shows unterscheidet und einzigartig macht. Und jeder Blogeintrag hier braucht etwas, das über die reine Kritik („hat mir gut gefallen“) hinausgeht und ihn idealerweise auch dann lesenswert macht, wenn man die Show selbst nicht gesehen hat. Bei „No Signal“ (FX, mittwochs) fällt mir so ein Text schwer, möglicherweise, weil sie das gewisse Etwas eben nicht hat: zu viel Ähnliches habe ich schon gesehen, sei es „Broken News“ oder die „Kevin Bishop Show“, die alle von kurzen, schnellen Fernsehparodien leben, wie sie hierzulande von „Switch“ sehr hübsch betrieben werden. „No Signal“ tut so, als zappe jemand mit ADS durch etwa 3876 digitale Kanäle und bliebe dabei hie und da hängen, etwa bei „America’s Next Serial Killer“ oder der „100 Greatest 100 Greatest TV Moments Show Show“, bei der auf Platz 100 die „100 Greatest Cheese on TV Moments“-Show liegt, zwischendurch läuft russisches Homeshopping etwa für russische Bräute oder DVD-Werbung für Actionfilme („Plotless II“). Optisch ist das alles prima, vermutlich weil die beiden Köpfe hinter der Show, Pete Cain und Louis Bogue, aus der Werbung kommen; wirklich komisch aber ist es nur hin und wieder (nämlich etwa „American’s Next Serial Killer“).

„No Signal“ ist in England lediglich deshalb aufgefallen, weil es die erste britische Eigenproduktion des Fox-Ablegers FX ist, der in Großbritannien seit fünf Jahren digital empfangbar ist, und daß ich dennoch hier darüber berichte, hat nur einen Grund: Die schöne Homepage der Serie, die es dem Betrachter unter nosignaltv.com ermöglicht, selbst durch etliche der Sketche durchzuzappen und sich so ein Bild zu machen. Wer auf TV-Parodien dieser Art steht (und ein bißchen Ahnung von britischem Fernsehen hat, das da parodiert wird), greife aber lieber zur oben schon empfohlenen „Kevin Bishop Show“; Kevin Bishop selbst hat schon als Mitglied des „Star Stories“-Ensembles Meriten erworben.

https://www.youtube.com/watch?v=Z7ZfwomAPPY&hl=de&fs=1

Piloten-Check 1: Hilfe, mein Kind ist Franzose!

26. Januar 2009 Keine Kommentare

Wenn LifeSpam: My Child Is French (BBC3, 23.1.) schon sonst keine neuen Erkenntnisse hervorgebracht hat, dann hat es wenigstens die alte Erkenntnis aktualisiert: daß es immer lustig ist, über Franzosen herzuziehen. So wie Alice Lowe (mir vornehmlich aus den schönen Promi-Biopic-Parodien von „Star Stories“ bekannt, wo sie Madonna spielte — „No one leaves Madonna!“) in ihrem Piloten „LifeSpam“, einem Docu-Spoof, in dem u.a. ein Mann porträtiert wird, der sich zu einem Dinosaurier umoperieren lassen möchte, eine Frau, die in ihrer Wohnung in ihren Haaren eingewachsen ist („I was so angry on the inside and had so much hair on the outside!“), sowie eben eine junge Mutter, die vor der schrecklichen Erkenntnis steht, daß ihr Kind nicht etwa unter Dyslexie leidet, sondern französisch ist. Und so sieht man einen vielleicht Fünfjährigen mit Baskenmütze, blau-weiß geringeltem Shirt und der obligatorischen Halskette mit Speisezwiebeln, der mit „Eat the Brie!“ ermahnt werden muß und einen Eiffelturm aus Lego baut, bevor seine Mutter mit ihm über den Kanal fährt, um ihn am Strand von Calais auszusetzen — es ist schließlich sein natürlicher Lebensraum. Sehr lustig, das; so lustig, daß es für die schwächeren Momente entschädigt und die Hoffnung weckt, die BBC möge doch eine ganze Serie in Auftrag geben.