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Zurück in der dritten Dimension

Vor fünf Jahren habe ich hier über „The Missing“ (BBC1, 2014 – 16) geschrieben und über „The Affair“ (Showtime, seit 2014), zwei Serien, die mit konventionellen Erzählweisen gebrochen hatten, um experimenteller zu verfahren: „The Affair“ mit den unterschiedlichen Perspektiven der Protagonisten auf die gleichen Ereignisse, was dazu führte, dass oft in der ersten Hälfte einer Folge die Ereignisse aus der Sicht der einen Hauptfigur erzählt wurden, und in der zweiten die gleichen Ereignisse aus Sicht der anderen Figur manchmal ein bisschen, manchmal doch recht anders aussahen.

„The Missing“ dagegen sprang zwischen den Zeitebenen hin und her, wie es zuletzt „True Detective“ (HBO, seit 2014) in der dritten Staffel gemacht hat (sehr erfolgreich, die dritte dürfte die beste Staffel der Serie gewesen sein).

Nun habe ich schon damals, wie es so meine Art ist, ein bisschen geunkt: dass diese Experimente zwar produktiv, aber auch gefährlich sein können. Gefährlich, weil sie den Zuschauer schnell ermüden, wenn sich das Neue an solchen Gimmicks abgenutzt hat, wie der unzuverlässige Erzähler in „The Affair“ es ist. (Interessanterweise kam „True Detective“ ja nun auch noch darauf, genau diesen unzuverlässigen Erzähler auch noch einzusetzen, und hat damit aber voll ins Schwarze getroffen.)

„The Affair“ und „The Missing“ aber: haben diese Experimente wieder eingestellt.

„The Affair“ wurde im Laufe der Staffeln immer konventioneller; mittlerweile erzählt die Serie oft einzelne Episoden mit je einer ihrer vielen Figuren im Mittelpunkt, wie es ungezählte andere Serien auch tun. „This Is Us“ etwa; auch hier gibt es zwar Rückblenden, die Experimente aber, Figuren aus der Vergangenheit plötzlich in die Gegenwart zu versetzen, hat aber auch „This Is Us“ schnell wieder sein lassen.

Von „The Missing“ aber gibt es nun einen Spinoff, der zwar „Baptiste“ heißt (BBC1, drei Folgen seit Mitte Februar), aber im Grunde doch „The Missing“ ist — mit dem großen Unterschied, dass nun wieder der klassische Ermittler im Mittelpunkt steht, der Maigret oder Poirot der Gegenwart: der alternde (nicht belgische, aber) französische Ex-Kommissar Julien Baptiste (Tchéky Karyo), der auch in „The Missing“ schon ermittelt hat. Und nicht etwa die Opferangehörigen.

Baptiste ermittelt nämlich auch in „Baptiste“ wieder einem verschwundenen Mädchen hinterher, dessen Onkel ihn um Hilfe bittet; diesmal in Amsterdam. Und es ist so fesselnd wie „The Missing“ es in beiden Staffeln auch schon war.

Ohne nun allzu viel zu spoilern: Es gibt selbstverständlich dennoch interessante Perspektivwechsel, allerdings mehr, was unsere Wahrnehmung einer der zentralen Figuren angeht, nämlich Edward Stratton, gespielt vom brillanten Tom Hollander. Der ist sehr gut in freundlich-harmlosen Rollen (etwa in „Rev.“, BBC2 2010 – 14, neben Olivia Colman), kann aber auch schillernd bösartig spielen, wie man etwa in „The Night Manager“ (BBC1, 2016) sehen konnte.

„Baptiste“ ist also konventioneller als „The Missing“, aber das ist nichts schlechtes. Ganz im Gegenteil. High Concept fesselt zwar auf die schnelle das Publikum, aber solides, altmodisches Erzählen erweist sich doch fast immer als tragfähiger, wenn man langfristig denken möchte. Und bei Serien, selbst wenn sie staffelweise so abgeschlossen sind wie „The Missing“, ist das die bessere Wette.