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Das gute Buch: Gunnar Homanns „Letzte Fragen der Menschheit“

13. November 2012 1 Kommentar

Es ist natürlich vollkommen richtig und ein Zeichen von Integrität, dass Titanic nicht die Werke der eigenen festen wie freien Autoren in der Humorkritik bespricht. Zu leicht geriete das Blatt dadurch in den Ruch, Kumpelwirtschaft zu betreiben. Aber es ist auch ein bisschen schade, denn dadurch entgehen manchen Titaniclesern womöglich Bücher von Titanic-Autoren, die sie durchaus interessieren würden.

Ein solches Buch ist Gunnar Homanns „Die letzten Fragen der Menschheit (mit allen Antworten)“ (carl’s books). Gunnar Homann, der auch schon als prima Romanautor viel zu wenig Beachtung gefunden hat, ist dem regelmäßigen Heftchenleser vorwiegend durch seine höchst komischen quasijournalistischen Texte bekannt, und genau solche, teils schon veröffentlichte, teils neue, sind hier versammelt: ein bunter Reigen aus Interviews, Bildreportagen, Multiple-Choice-Tests, Tagebuch und FAQs, die gelegentlich die Realität streifen, aber vorwiegend aus feinsten Sprachgirlanden gebastelt sind; viele Texte sind eher kurz als lang.

Manche Texte sind auch gar nicht so kurz — dass sie mir aber so vorkommen, liegt wohl daran, dass sie die berühmte „kleine Form“ eingewoben haben: die Kurz- und Kürzestkomik aus „Partner Titanic„, „Sondermann“,  „Kolibri“ und, noch früher, „Welt im Spiegel“, die oft der reine Quatsch ist (kein Wunder, dass Sonneborn und Schiffner ihr „Partner Titanic„-Buch einfach nur „Quatsch“ genannt haben). Umso bewundernswerter, dass bei Homann diese Kürzestform auch über etwas längere Strecken trägt — das kann nur daran liegen, dass Homann das journalistische Handwerkszeug so gut beherrscht, dass er damit auch äußersten Nonsens auf einer Distanz plausibel klingen lassen kann, wie das sonst vielleicht nur noch Thomas Gsella gelingt. Dessen vorletztes Buch deshalb womöglich nicht ganz zufällig im gleichen Verlag erschienen ist („Komische Deutsche“).

„Die letzten Fragen der Menschheit“ (was die im Titel versteckte Anspielung mit dem Buch zu tun hat, müssen Sie schon selbst rausfinden!) ist das ideale Buch für Menschen, die schon alles von Max Goldt haben und ihre Kompetenz in puncto zeitgenössischem, titanic-affinen Humor stärken möchten. Gewissermaßen DER Geheimtipp der Saison! Und natürlich auch als Weihnachtsgeschenk primstens geeignet.

Titanic und der Papst: Anatomie eines Skandals

13. Juli 2012 36 Kommentare

Nun ist also endlich mal wieder was los.

Es gab eine lange Zeit, von den mittleren Neunzigern bis ins neue Jahrtausend, in der es meistens eher still blieb, wenn die Titanic ihrem Kerngeschäft nachging, nämlich dem Witzemachen, das hin und wieder neben Politik und Medien eben auch Religion betrifft. Dass es nun wieder Wellen gibt, wenn jemand (Titanic) im Gottesdienst pupst und sich der Bischoff (Papst) prompt darüber so aufregt, dass er am liebsten jemanden exkommunizieren möchte, ist ja schön — aber auch wieder nicht. Denn es deutet darauf hin, dass die allgemeine Religionsbegeisterung wieder zunimmt, nicht nur bei Moslems, sondern im Gegenzug und um der vermeintlichen Muslimisierung des Abendlandes etwas entgegenzuhalten, auch bei Christen. Das ist durchaus bedauerlich, weil gegenaufklärerisch. Religiösem Fanatismus begegnet man nicht wirklich klug damit, selbst in die Kirche zu rennen und sich zu radikalisieren (talkin‘ to you, Martin Mosebach!).

Aber Skandale um Scherze auf Kosten der Religion gab es schon immer. Und es ist mit ihnen wie mit Eisbergsalat: Kennste einen, kennste alle. Das sagt sich natürlich leichter, wenn man schon ein paar aus der Nähe gesehen hat, und weil ich bei einigen zufällig anwesend war, möchte ich die Gemeinsamkeiten aller Empörungen nach vermeintlich blasphemischen Witzen kurz beschreiben.

1. Wann ist ein Skandal ein Skandal? Die Titanic mit dem inkriminierten Pipikackatitel lag etwa zwei Wochen lang am Kiosk, bevor jemandem aufgefallen ist, dass man da ja einen veritablen Skandal an der Hand hat. Warum eigentlich erst nach zwei Wochen? Antwort: Weil man bis dahin dachte, es sei ganz normal, dass ein Satiremagazin Satire für Satirefreunde macht.

Ist es ja auch. Es sind stets nur die, die von Anfang an keine Freunde der Satire waren, die sich empören. Die aber müssen erst erreicht werden, und zwar von anderen Medien (Titanic lesen sie ja nicht, aus gutem Grund). Einer der letzten größeren „Skandale“ war der um diese Bilder („Spielt Jesus noch ein Rolle?“) — aber nicht, als sie in Titanic veröffentlicht wurden, sondern in einem Kirchenmagazin. Dort, vor einem Publikum, für das sie nie gedacht waren, sorgten sie prompt für die Wirkung, die beabsichtigt war, nämlich für organisierte Empörung.

So auch hier: Nun erst, nach der Klage des Papstes, sind sich alle einig, was geht und was nicht.

2. Seit Religion in Deutschland weniger Selbstzweck als vielmehr Rüstzeug gegen den bösbösen Islam geworden ist, kommt auch regelmäßig der Anwurf: Das müsste mal einer mit Mohammed machen! Das traut ihr euch nicht, ihr Feiglinge! So im aktuellen Fall etwa von Bild-Wagner, SpOn-Fleischhauer und Kai „Penisverlängerung“ Diekmann. Ob das stimmt, kann man ganz leicht hier, hier, hier, hier, hier und hier überprüfen. — Nein, ich schreibs lieber explizit hin: Es stimmt nicht. Titanic macht Witze über alles, was der Redaktion relevant scheint. Das ist der Islam allerdings nur bedingt — Titanic ist schon ein deutsches Satiremagazin, und in Deutschland ist es nach wie vor in erster Linie das Christentum, mit dem Autoren wie Leser sozialisiert sind.

Und so sehr es Gewohnheit von Bild und SpOn ist, so deutsch es insgesamt auch ist, Witze über „die anderen“ zu machen, am besten über Ausländer, Schwächere und alle, die nicht so sind wie „wir“ — Titanic tut das nicht, sondern kehrt vor der eigenen Haustür. Wäre der Islam tatsächlich in Deutschland so verwurzelt, dass auch in der Titanicredaktion Muslime säßen, sähe die Sache vermutlich anders aus: die würden dann auch regelmäßig Witze über ihre Themen machen.

3. Am deutschsten aber, wenn man das so sagen kann, ist die Diskussion, die sich jetzt schon wieder an den „Skandal“ anschließt und die jedes Mal auf einen so gelagerten Fall folgt: die moralische Bewertung, an die prompt Regeln und Vorschriften geknüpft sind. Dürfen die das? Sollte denen nicht die Satirelizenz entzogen werden? Wo ist die Grenze dessen, was erlaubt ist? Daran schließt sich natürlich die Gegenfrage an: Wer will das entscheiden? Thomas Goppel? Die Grenzen des Witzes lege immer noch Titanic fest, heißt es bei solchen Diskussionen sofort polemisch aus der Redaktion, was natürlich wiederum eine satirische Wendung ist als Reaktion auf die moralische Überlegenheit, die Wagnerfleischhauerdiekmann aus allen Poren tropft.

Da dient dann auch gleich alles zur Empörung: Titanic sei pennälerhaft und pubertär, das seien doch Furzkissenwitze, wie Fleischhauer mosert, nur um im gleichen Atemzug zu behaupten, das seien politische Witze, wie sie das Kabarett pflegt, und die seien von vorneherein nicht lustig. Was denn nun? Da geht doch was durcheinander. Aber die strengsten Urteile fällen nun einmal die am wenigsten humorbegabten Menschen darüber, was komisch ist und was nicht. Zu pubertär, zu politisch, jaaaa, früher, Tucholsky, das war noch Satire! Von Seneca mal ganz zu schweigen. Was gute Witze sind und was nicht, beurteilen stets diejenigen am strengsten, die noch nie einen Witz gemacht haben. Warum aber soll ich Urteile darüber, wie man richtig radfährt und warum man nicht so und so radeln darf, von jemandem entgegennehmen, der selbst noch nie auf einem Fahrrad gesessen ist?

Ich will mich aber über die Pressereaktionen auf den Vorgang Papst vs. Titanic nun nicht selbst empören. Zu gut ist die PR für Titanic, die da kostenlos gemacht wird. Und zu lustig finde ich nach wie vor die Vorstellung, dass der Stellvertreter Gottes auf Erden Titanic liest.

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