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Der Mann, der Benny Hill war (extd. Rmx, Pt. 3)

Was bisher geschah: Benny Hill stirbt unter unwürdigen Umständen, nachdem der Zeitgeist seine Karriere ruiniert und ihn aus dem Comedy-Olymp ins ewige Feuer der political correctness geworfen hat.

Vielleicht lag es in seinen Genen. Schon der Großvater war als Clown aufgetreten, ein Onkel gar als Drahtseilkünstler im Zirkus, was ihn schließlich das Leben kostete. Hills Vater Alfred war selbst mit sechzehn von zuhause weggelaufen, um in Fossett’s Circus als Clown aufzutreten. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs aber, geschwächt durch Gasvergiftung und Gefangenschaft, vom Leben enttäuscht und verbittert, wandte er sich vom Showbusiness ab und einem bürgerlichen Leben als Verkäufer in einem Ladengeschäft für medizinisch-chirurgische Produkte zu. Das jedenfalls war die offizielle Bezeichung; konkret verkaufte er vorwiegend Verhütungsmittel. Der Laden lag in der Nähe der Hafendocks und in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem einschlägigen Pub, in dem neben Seemännern auch Prostituierte verkehrten. Die Geschäfte liefen gut, doch über den Beruf von Alfred sen. im Allgemeinen, insbesondere aber über Kondome, genannt „French Letters“, wurde zuhause keine Silbe gesprochen. Wie der Vater überhaupt ein strenges Regiment führte, und ein noch strengeres, nachdem er festgestellt hatte, daß es sehr unklug von ihm gewesen war, auf die Beteiligung an dem Laden zu verzichten, die ihm der Inhaber angeboten hatte. Meckerte Alfie nun etwa über das Essen, verbat sich sein Vater das gerne mit dem Hinweis auf das, was er habe essen müssen, damals, in deutscher Gefangenschaft. Sein Sohn ging ihm fortan meistens aus dem Weg und hielt sich sehr an seine Mutter, die er bis zu ihrem Tod 1976 abgöttisch liebte.

Der Beruf seines Vaters aber bedeutete für Alfie, daß er in der Schule regelmäßig mit sexuellen Anspielungen aufgezogen wurde, wogegen er sich mit noch anzüglicheren Witzen zur Wehr setzte. Wenn Sie jetzt bitte selbst eins und eins zusammenzählen würden…

Benny Hills erster Witz (laut seinem Bruder Leonard)
Lehrer (zum zu spät kommenden Schüler): „Where have you been?“
Schüler: „Up Shirley Hill.“
Lehrer (zur zu spät kommenden Schulmädchen): „Who are you?“
Schulmädchen: „Shirley Hill!“

Als Hill 15 ist, wird seine Schule nach einem Bombeangriff evakuiert, und kurz darauf geht er ab — ohne jeglichen Abschluß. Mit Gelegenheitsjobs hält er sich eine Weile mehr schlecht als recht über Wasser: er bedient eine LKW-Waage für die Phoenix Coal and Coke Company, erhält eine Stelle als Trainee Manager für Woolworth. Die aber bedeutet, daß er vorwiegend Hilfsarbeiten machen muß, die mit Worten beginnen wie „der Hund einer Kundin hat da hinten am Regal ein Geschäft gemacht, würdest du bitte…“. Hill kündigt nach nicht einmal vier Wochen. Anschließend liefert er Milch mit einem damals noch von Pferden gezogenen Karren aus. Letzteres wird, auf den dringenden Wunsch seines Vaters hin, nach zugehöriger Ausbildung sogar sein regulärer Beruf: Milchmann. Immerhin sein Song „Ernie (The Fastet Milkman in the West)“, Weihnachts-Hit 1971, profitiert später von seinen Erfahrungen. Schon damals aber spielt er lieber Gitarre und übt sich an komischen Nummern, und der Beruf des Milchmanns mit Arbeitszeiten von sieben Uhr morgens bis ein Uhr nachmittags läßt ihm sogar genügend Zeit dafür. Abends treibt er sich außerdem gerne im Backstage der Variety-Bühnen herum, wo er mit möglichst vielen Comedians in Kontakt zu kommen hofft. Comedy und Musik werden eine Leidenschaft.

Bald spielt Alfie in einer Band. Er wird Drummer in der semiprofessionellen Band von Ivy Lillywhite, einer örtlichen Musiklehrerin, die in der Stadthalle Southampton Bunte Abende organisiert, und er verdient damit Geld — oft mehr als in seinem regulären Beruf. Die Gigs und seine wild zusammenimprovisierten Stand Up-Nummern, die er gelegentlich vorführt, geben ihm schließlich genügend Selbstvertrauen: Er packt seine Sachen und zieht nach London. Da ist er siebzehn. Er strolcht um längst geschlossene Music Halls, schläft im kalten September auf der Straße, um Geld zu sparen, wird erst Laufbursche, dann Assistant Stage Manager am East Ham Palace. Ins Showbusiness will Alfie Hill unbedingt, und bald zieht er mit einer Revue namens „Send Him Victorious“ durch England.

Benny Hill (ganz rechts) in Frankreich (1943)

Weil auf Tour, erreicht ihn 1941 sein Einberufungsbefehl nicht; prompt wird er, als die Militärpolizei ihn schließlich in Cardiff stellt, zunächst vier Tage inhaftiert und anschließend unter scharfer Bewachung zu seiner Kaserne verfrachtet, wo er den Boden der Arrestzelle schrubben muß. Daß er behandelt wird wie ein Krimineller, obwohl er sich nicht vorsätzlich schuldig gemacht hat, prägt ihn und befeuert, so sagt er später selbst, eine lebenslange Abneigung gegen jede Form der Autorität. Als Fahrer und Mechaniker wird er, obwohl er lausig ist in diesen Tätigkeiten, zunächst in Dünkirchen stationiert, dann in Holland, Belgien und Deutschland. Am liebsten träte er sofort in die Unterhaltungsabteilung der Armee ein, doch ausgerechnet der später lebensbedrohlich übergewichtige Hill ist körperlich zu gut in Form, um als Musiker abgestellt zu werden. Erst nach Ende der Kriegshandlungen darf er dem „Central Pool of Artists“ der Armee beitreten, den sogenannten „Stars in Battledress“. Mit ihnen tourt er bald die Army Bases in den besetzten Teilen Europas. Nun kommt ihm sein Sprachentalent zugute; Hill spricht (und wird es später in vielen seiner Sketche zu parodistischen Zwecken einsetzen) fließend Französisch und genügend Deutsch, Holländisch und Italienisch, um sich auf seinen zahlreichen Reisen überall verständlich machen zu können. Insbesondere Frankreich tut es ihm an; nach Marseille wird er sich noch als Superstar bis in die späteren Achtziger regelmäßig flüchten, um unerkannt in Cafés und Bars verkehren zu können. Und, man weiß es nicht genau, vermutlich auch in Bordellen.

Demnächst: Benny schafft es auf die Live-Bühne — aber ohne Erfolg. Im Gegenteil: Seine Bühnenerfahrungen werden ihn für sein ganzes Leben traumatisieren.

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