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Archiv für die Kategorie ‘Spoof’

Unversteckte Kamera

4. November 2015 Keine Kommentare

Und wo wir es „gerade“ von neuen Formaten haben: Das habe ich so auch noch nicht gesehen: „Glitchy“ (ITV2, seit Oktober), ein Sketchformat, in dem arglose Menschen glauben, an einer neuen Fernsehshow teilzunehmen. Tun sie auch, aber eben bei „Glitchy“ — und nicht in einer neuen Miet-Show, bei dem das offen schwule Moderatorenpärchen, das einem jungen Paar gerade ein Haus zeigt, plötzlich anfängt, sich zu streiten und mit Geschirr zu werfen — oder sich gleich darauf wieder verträgt und zu einem Versöhnungs-Schäferstündchen ins Schlafzimmer verschwindet. Oder in einer Dauerwerbesendung für Kosmetik, deren Produkte die merkwürdigsten Inhaltsstoffe haben und selbstverständlich an Tieren getestet wurden: An Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen, Hunden, Affen, …

Ryan Sampson, der Grumio in ITVs sehr lustiger Sitcom „Plebs“ (zwei Staffeln seit 2013), darf hier ein paar mehr Facetten zum Vorschein bringen als die des verstockten Naivlings, und „Glitchy“ hat sicherheitshalber gleich noch etliche sehr lustige Werbetrailer-Parodien für andere „neue Fernsehshows“ dazugepackt: „Sun, Sea & Sex With My Parents. Sunday 7 pm, BBC three“, oder „Win £6, £10, All The String Or A Pint Of Prawns — tonight. Channel4“.

Am lustigsten aber ist Sampson als russische Oligarchenehefrau, die einen Schwiegersohn sucht, und zwar einen schwulen, der sich noch nicht geoutet hat. Oder einen, den sie sich selbst als toy boy gönnen kann. Und so sitzt sie mit dem (nicht eingeweihten) Scott schließlich in einem Restaurant, lässt sich von ihm Fleischhäppchen füttern und nimmt schließlich über Lautsprecher den Anruf ihres aufgebrachten Ehemanns entgegen, dem sie sofort von ihrer Eroberung berichtet, woraufhin der enorm wütend wird. Schließlich bricht die „Russin“ das Mahl unvermittelt ab, zur Überraschung Scotts, der schließlich den roten Laserpunkt auf seiner Stirn selbst nicht sehen kann … „Sadly, Scott had to pull out of the show due to personal circumstances“, verrät gleich darauf eine Einblendung.

Leider ist nur wenig aus dieser brillanten Show online, aber ein bisschen was doch: Mezmo, der Street Magician, in voller Länge. Enjoy!

Der phänomenale Tony Ferrino

21. November 2012 6 Kommentare

Wie alt diese phänomenale One-Man-Show ist, bemerkt man sofort an der lausigen Bildqualität der DVD: ein schlechteres Bild habe ich lange nicht gesehen. Macht aber nichts, das passt irgendwie sogar ganz gut zu Steve Coogans One-Off-Show „The Tony Ferrino Phenomenon“ (BBC2, 1997, dieses Jahr erstmals auf DVD erschienen). Denn diese 60-Minuten-Show ist eine Parodie auf das Dinosaurierfernsehen der guten alten Zeit, als Leute wie Peter Alexander allein mit ihrer „Personality“ ganze Sendungen bestreiten durften. Hier ist es die (gemessen an Alan Partridge) kurzlebige Figur des portugiesischen Crooners Tony Ferrino, die Steve Coogan zum Leben erweckt; ein Entertainer der klassischen Schule — Andy Williams und Tom Jones lassen grüßen; von letzterem ist sogar ein Song im Repertoir Tony Ferrinos: „Help Yourself“. Doch den Rest der Show bestreitet Coogan mit exklusiven Songs bzw. Songparodien vor Livepublikum, und davon ist eine lustiger als die andere. Weil Coogan schon damals ein Star war in England, hat er auch bei dieser Produktion prominente Unterstützung: ein Duett mit Mick Hucknall und eines mit Kim Wilde sind mit dabei. Weil der Großteil ohnehin bei YouTube steht: bittesehr.

(Wer Björk lieber mag als Kim Wilde: es gibt auch eine Version mit ihr, für den Comic Relief 1997.)

Zwischen die Live-Songs erzählt uns die Show den Werdegang Tony Ferrinos: wie er als Sohn eines Geheimpolizisten in Portugal groß wurde und sein Vater oft kleine Geschenke von der Arbeit mit nach Hause brachte: Herrenarmbanduhren oder Herrenschuhe. Wie er mit seinen beiden Brüdern erste Songs fürs portugiesische Fernsehen einspielte. Seine zahlreichen Frauenabenteuer und vier Ehen. Und dann der große Durchbruch beim Eurovision Song Contest mit seiner Band Papa Bendi und ihrem Superhit „Papa Bendi“ — auch der natürlich bei YouTube:

leider offline

Von den vielen schmierlappigen Figuren, die Coogan im Laufe seiner Karriere gespielt hat, ist Tony Ferrino vielleicht die schmierlappigste: ohnehin nie um eine zotige Anspielung verlegen (natürlich gedeckt durch die südeuropäisch-machistische Natur Ferrinos), ist Ferrino hin und wieder auch absichtslos anstößig, weil des Englischen nicht ganz mächtig, oder einfach unbritisch angeberhaft, was ja immer lustig ist — etwa wenn er in einem Lied über sein Leben singt, mit welchen Prominenten er schon Skifahren war oder Sex hatte: „I can borrow Sting’s Tuscany farmhouse any time that I want.“

Eine halbe Stunde Interview-Porträt über Ferrino rundet die DVD schön ab; das ist nicht etwa Bonusmaterial, sondern Bestandteil des Werks, und dementsprechend nicht zugabenlustig, sondern genauso komisch wie die Show selbst. Hier wie bei den Songs, die allesamt ihre Form wahren, den Rahmen ernstnehmen und deswegen als Songs funktionieren (ganz ähnlich wie bei Peter Kays phantastischem „Britain’s Got The Pop Factor… and Possibly a New Celebrity Jesus Christ Soapstar Superstar Strictly on Ice“, Channel 4, 2008) merkt man, wie genau es Coogan mit Details nimmt, und wie wichtig es ist, solche Figuren und Rollen straight zu spielen und ohne jedes Augenzwinkern, das die Illusion bräche.

Obwohl die meisten Songs online sind (eine gütige BBC lässt offenbar nicht löschen; vielen Dank, BBC!), empfehle ich selbstverständlich die DVD zu kaufen (die mit £ 6.49 auch gewiss nicht zu teuer ist); ich selbst werde mir zu Weihnachten womöglich die CD des „loving latino“ zulegen, mal sehen. Apropos Weihnachten: auch ein Weihnachtssong ist in der Show. Hier ist er. Merry Christmas!

… leider ebenfalls nicht mehr online.

„I’m stuck in some sort of celebrity limbo!“

31. Mai 2012 3 Kommentare

Endlich mal wieder eine lustige TV-Parodie-Show in England: „Very Important People“ (Channel 4). Es ist absolut sinnlos, auf die offizielle Channel 4-Seite zu verlinken, weil man die Trailer dort von Deutschland aus nicht ansehen kann; die wenigen YouTube-Clips hier einzubetten geht auch nicht. Da muss es eben bei der Empfehlung bleiben: „Very Important People“ ist fast so gut wie „Switch Reloaded“. Fantastisch insbesondere: Eine Late-Night-Show mit Barack Obama als Host („Friday Night Live From the White House“): „Can we expect you to watch again next friday? — Yes, we can!“ David Attenborough, der Franky Boyles und Russell Brands Leben für uns dokumentiert: „The revolution will have to wait for this extraordinary film.“ Und eine zunächst schwächelnde, dann aber starke Parodie auf Charlie Brooker und einen seiner Kollegen von „10 O’Clock Live“ — und die wenigstens kann man sich angucken. Bei YouTube.

Satire im Schongang

Sehen wir einmal ganz von dem Vorwurf ab, John Morton, der Autor von „Twenty Twelve“ (BBC4), habe die Idee zu einer Mockumentary über die Vorbereitung der Olympischen Spiele einfach von der australischen Sitcom „The Games“ (ABC, 1998) geklaut, auch wenn es Indizien für die Richtigkeit dieses Verdachts gibt (etwa daß die australischen Autoren Ross Stevenson und John Clarke ihre Idee der BBC vorgestellt und John Morton sogar eine „The Games“-DVD gegeben hatten). Ideen an sich sind nicht schützbar, und aus gutem Grund, sonst dürfte längst niemand mehr Geschichten über unglückliche Liebe oder eine schwierige Vater-Sohn-Beziehung schreiben, und solange Morton sich nicht bei den Plots, Storys oder gar Gags von „The Games“ bedient hat, sondern nur die grundliegende Idee kopiert hat (eine Handvoll unfähiger Planer sollen die Olympischen Spiele organisieren), mag das moralisch zwar zweifelhaft sein, aber eben kein Plagiat.

Tatsächlich trägt „Twenty Twelve“ deutlich die Handschrift Mortons, dessen „People Like Us“ (BBC2, 1999) schon sehr nahe an „Twenty Twelve“ war: ebenfalls eine Mockumentary (oder eher noch Docusoap-Parodie) mit einem Off-Sprecher (damals Chris Langham als Dokumentarfilmer Roy Mallard, heute David Tennant), in der pro Folge ein member of the public im Arbeitsalltag begleitet und oft als überfordert, unfähig, irgendwie seltsam gezeigt wurde. Immer aber, und das machte den Charme von „People Like Us“ aus, wurden die Polizisten, Anwälte, Makler, Journalisten oder Fotografen sehr behutsam behandelt, nie bloßgestellt oder vorgeführt. Mallard ging mit den Menschen, die er porträtierte, stets nachsichtig um — manchmal so nachsichtig, daß er geradezu auf sie hereinfiel und, obwohl nie vor der Kamera zu sehen, zur eigentlichen Hauptfigur wurde: der des scheiternden, linkisch-stümperhaften Filmemachers.

Doch „People Like Us“ ist mehr als zehn Jahre her (die zuvor im Radio gelaufene Version sogar 15); eine geplante dritte Staffel wurde damals zugunsten von „The Office“ nicht realisiert. Seitdem ist viel passiert in diesem Genre, nicht zuletzt „The Thick of It“ hat Maßstäbe gesetzt, was Mockumentarys angeht, die in einer politischen Sphäre spielen, und die Nachsicht (mit members of the public) ist längst bösartig-schwarzer Satire gewichen, die unfähige Vorgesetzte und Spitzenpolitiker mit dem Seziermesser auseinandernimmt.

Doch „Twenty Twelve“ hat keinen David Brent, keinen Malcolm Tucker zu bieten. Das Monster fehlt, der böse Blick auf öffentliche Personen fehlt, und das Ensemble von Olympia-Planern um Hugh Bonneville als Head of Deliverance Ian Fletcher, Amelia Bullmore als Head of Sustainability Kay Hope, Olivia Colman als Assistentin Fletchers, Jessica Hynes als Head of Brand Siobhan Sharpe und Karl Theobald als Head of Infrastructure Graham Hitchins ist infolgedessen leider recht konturlos geraten. Alle geben unaufhörlich ein ähnliches Nonsens-Gerede von sich: die enervierende PR-Nuß Siobhan, aber auch Kay Hope, die permament auf dem Unterschied zwischen „Legacy“ und „Sustainability“ herumreitet, und natürlich Fletcher als Kopf der Unternehmung und Repräsentant. Alle scheinen oft genug keine Ahnung von dem zu haben, was sie tun. Und ob es nun die Enthüllung einer Uhr ist, die den Countdown bis zum Beginn der Spiele herunterzählen soll, oder eine Busfahrt mit brasilianischen Funktionären zur olympischen Baustelle, die zur Odyssee wird: Nie wird es so richtig schlimm, nie wird die Lage aussichtslos, nie leidet man als Zuschauer mit einem Charakter mal richtig mit.

Statt dessen redet mal der eine, mal die andere Bullshit, und dann ist es vorbei. In der letzten, der zweiten Folge, wurde zur Verstärkung dieses Geschwätzes sogar der alte Gag der Dolmetscherin bemüht, die — haha! — etwas ganz anderes sagt, als sie eigentlich sagen soll, was dann natürlich voll entlarvend ist. Leider sind die Monologe, die langweiliges politisches Gerede karikieren möchten, hin und wieder tatsächlich langweilig. (Ein Fehler, über den James Cary in seinem Comedy-Blog ein schönes Stück geschrieben hat: nervige Charaktere und langweiliges Gerede, die tatsächlich nervig und tatsächlich langweilig sind.)

Selbst wenn „Twenty Twelve“ ab und zu mit Schmunzlern und (etwa einmal pro Folge) sogar mit einem richtigen Lacher aufwarten kann:  Die Zeit von Nachsicht mit ranghohen Funktionären ist vorbei, wahrscheinlich ist allmählich sogar die Zeit von Mockumentarys abgelaufen. Der warme Blick auf typisch englische Arbeitsweisen (besonders hier im Zusammenhang mit den Spielen, also unter den Augen der Weltöffentlichkeit), auf das muddling through, das britische Durchwurschteln also, scheint verfehlt — vor allem, weil die Fallhöhe eines milliardenschweren Projekts in den Händen von Schwätzern nach schweren Waffen geradezu schreit.

Pausenmusik: Geraldine McQueen – „Once Upon a Christmas Song“

Nur noch soundsoviele Tage bis Weihnachten! Höchste Zeit für ein Weihnachts-Video: Geraldine McQueens „Once Upon a Christmas Song“, ebenso wie ihr „Winner’s Song“ geschrieben von Gary Barlow (jedenfalls die Musik), ebenso wie der „Winner’s Song“ eine Parodie — in diesem Fall auf die zur Weihnachtszeit ubiquitären, nun ja, Weihnachts-Songs. Der Song schaffte es in Großbritannien bis auf Rang fünf der Single-Charts. Kein Wunder, er ist gleichzeitig lustig und gut! Und dürfte deshalb der Song sein, den ich am häufigsten hintereinander gehört habe, bei einer gewissen Silvesterfeier vor zwei Jahren.
https://www.youtube.com/watch?v=8kmPz5IbU90&hl=de_DE&fs=1&

Pausenmusik: Geraldine McQueen – „The Winner’s Song“

Dieser Song stand in meinen Last.FM-Charts eine ganze Weile sehr hoch oben, knapp unter dem Weihnachtssong der gleichen „Künstlerin“. Vielleicht, weil „The Winner’s Song“ auf gleich zwei Ebenen so gut funktioniert: Als schöne Parodie auf den Song eines Casting-Show-Gewinners — und ganz einfach als sehr schöne, sehr kitschige Ballade. Die Parodie stammt von Peter Kay, der hier als Geraldine McQueen im phantastischen Castingshow-Spoof „Peter Kay’s Britain’s Got The Pop Factor… and Possibly a New Celebrity Jesus Christ Soapstar Superstar Strictly on Ice“ (Channel 4, 2008) auftritt, die schöne Ballade entspringt der  Feder Gary Barlows.  Letzterer nur einer in einer verblüffenden Riege von Superstars, die in Peter Kay für sein One-Off gewinnen konnte. Stieg direkt auf Rang zwei (!) in die britischen Single-Charts ein und war erfolgreicher als der Song des tatsächlichen „X-Factors“-Gewinner von 2007.

https://www.youtube.com/watch?v=GrudfWE_omQ&hl=de_DE&fs=1&