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Archiv für Dezember, 2013

Liebe Zombies

23. Dezember 2013 3 Kommentare

Zwei Serien, die wenig bis nichts mit Comedy, dafür umso mehr mit Untoten zu tun haben, sollen kurz vor dem sogenannten Fest der Liebe noch schnell erwähnt werden: die französische Gruselserie „Les Revenants“ (Canal+, 2013), als „The Returned“ in England auf Channel 4 gelaufen (im Original mit UT), und „In The Flesh“ (BBC3, 2013). Aber beides sind Serien, „The Returned“ mehr als „In The Flesh“, die einen speziellen Twist haben. Denn beide drehen sich um Zombies 3.0 (wenn 2.0 die schnellen Zombies waren) — und bei „The Returned“ kann man sich streiten, ob es überhaupt Zombies im engeren Sinne sind.

Es sind jedenfalls lebende Tote, Wiedergänger, die in einer französischen Kleinstadt, mitten in den Bergen, wieder auftauchen. Zunächst ist es die fünfzehnjährige Camille (Yara Pilartz), die sich auf den Weg macht, vom Staudamm über der Stadt hinunter in ihr Elternhaus, wo nur ihre Mutter ist, weil ihr Vater gerade in einer Trauergruppe sitzt für Eltern, die ihre Kinder allesamt bei einem tragischen Busunglück vor vier Jahren verloren haben — oben am Damm. Camille kehrt heim, wie es jede Fünfzehnjährige tut, macht sich ein Brot, fragt nach ihrer Zwillingsschwester — und wundert sich ein wenig über die Reaktion ihrer Mutter, die fassungslos ist, wenn auch nicht so fassungslos, dass sie schreiend davonliefe. Im Gegenteil, ihre Mutter versucht, so wie die Bezugspersonen vieler wiederkehrender Toter, möglichst nahtlos dort weiterzumachen, wo die Familie vor dem Busunglück war. Denn, das wird allmählich klar, alle Lebenden, zu denen Tote zurückkehren, haben sich diese Rückkehr sehr gewünscht. Aber es ist dann doch ein bisschen problematisch, wenn solche Wünsche in Erfüllung gehen.


Es ist eine Serie über Verlust und Trauer, mehr als über lebende Tote. Zwar wird es auch blutig, weil unter anderem ein mehrfacher Mörder zurückgekehrt ist, aber es geht nie um Schockeffekte. Es geht eher um offene Rechnungen, allerdings weiß man lange nicht, um welche. Es geht um ein dämmriges Zwischenreich zwischen lebendig und tot, zwischen gut und böse, und es geht um ein dreißig Jahre zurückliegendes Unglück, bei dem der Staudamm eine Rolle spielt.

Diese dämmrige, halbwache Stimmung zwischen Sonnenuntergang und Einbruch der Nacht spielt eine entscheidende Rolle: „The Returned“ ist vor allem sehr stylish, sehr sophisticated — und tatsächlich oft genau in der blauen Stunde gedreht, kurz nachdem die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist. Das und der Soundtrack der schottischen Postrocker von Mogwai macht „The Returned“ magnetisch — ich habe die acht Folgen á einer Bruttostunde an zwei Tagen verschlungen, und nur weil der Abend schon allzu weit vorgerückt war, sind es überhaupt zwei Sitzungen geworden.

Und es ist die erste Serie, die ich auf Französisch mit englischen Untertiteln gesehen habe. Sie hat darunter keine Sekunde gelitten, im Gegenteil, das Französische hat ihr sogar noch mehr Unheimliches, Gruseliges verliehen, als sie sonst gehabt hätte. (Man kann sie bei Whatchever auf Deutsch sehen, aber davon rate ich ab.)

„Les Revenants“ hat einen Emmy gewonnen dieses Jahr, und bei dem wird es, glaube ich, nicht bleiben. Zu brillant, zu fesselnd ist die Serie, die schon eine zweite Staffel bewilligt bekommen hat (alles andere wäre auch unerklärlich), und auf jeden Fall die beste nicht-englischsprachige Serie, die ich 2013 gesehen habe.

„In The Flesh“ ist dagegen typisch englisch: auch hier gibt es einen sehr guten Twist, allerdings nicht das passende Budget dazu, und die englische Prise Humor, die bei „The Returned“ aus gutem Grund fehlt.


Hier kehren die Toten bereits zum zweiten Mal zurück: nämlich wieder als Lebende. Nach einer Epidemie hat die Regierung es geschafft, ein medizinisches Programm aufzulegen, mit dem Zombies geheilt werden und zu ihren Lieben zurückkehren können. Zwar bleiben ihre Augen und ihre Gesichtsfarbe (wie auch Narben und andere Entstellungen) die von Zombies, aber mit Hilfe von Schminke und Kontaktlinsen sehen sie fast wieder menschlich aus.

Allerdings gibt es nach wie vor paramilitärische Gruppen von ehemaligen Zombiejägern, die alle Zombies, hier: „Rotters“, zutiefst hassen und ihnen weiterhin nach dem, äh, Leben trachten.

Dieser Konflikt wird exemplarisch innerhalb einer Familie gezeigt: Kieren Walker (!) (Luke Newberry) ist ein Teenager, der als geheilt zu seiner Familie zurückkehrt, allerdings sehr zum Missfallen seiner jüngeren Schwester Jem (Harriet Cains), die Mitglied der HVF ist (Human Volunteer Force). Sie weigert sich, am gleichen Tisch wie ihr Bruder zu essen, der selbst allerdings gar nicht essen kann (kein Zombie isst mehr), sondern nur so tut, um das Bild der heilen Familie aufrecht zu erhalten — was im Laufe der Zeit immer schwieriger wird.

Leider wird bei „In The Flesh“ allzu schnell klar, was eigentlich gemeint ist: Rassismus und Ausgrenzung beispielsweise von strafentlassenen Päderasten, die auch niemand in seiner Nachbarschaft haben will. Dieser allzu offensichtliche Kommentar zum britischen Alltag wird schnell recht pädagogisch. Da helfen auch die schönen Scherze nicht, die Dominic Mitchell eingebaut hat: etwa dass die Zombies an einer Krankheit namens PDS (Partially Deceased Syndrome) leiden und die NHS schöne Broschüren und Plakate hat drucken lassen, wie man mit PDS Sufferers umgehen sollte.

Und es hilft auch nicht, dass die Show es schafft, innerhalb der drei einstündigen Folgen am Ende noch einmal die dramaturgische Perspektive zu ändern und sich im letzten Moment von der pädagogischen Botschaft zu verabschieden, um noch eine Geschichte über homosexuelle Liebe einzubauen — da wollte Mitchell wohl ein bisschen allzu viel auf einmal.

Trotzdem ist es toll zu sehen, wohin man kommt, wenn man Popkultur-Phänomene wie Zombies aufnimmt, alte Konventionen zerbricht und versucht, aus den Scherben neue Geschichten zu legen. Anders als etwa „The Walking Dead“, deren aktuelle Staffel mich so schnell ermüdet hat, dass ich irgendwann feststellen musste: ich habe gar keine Lust mehr, und es fehlt mir auch nichts, wenn ich nicht weitergucke. Es ist ja doch nur immer mehr vom Ewiggleichen, und dabei gibt es sie doch noch, die wirklich neuen Ansätze.

Jahresendabstimmung: Die Auswertung

16. Dezember 2013 Keine Kommentare

Die Auswertung der Britcoms-Polls fällt dieses Jahr ein bisschen knapp aus: Schon weil nicht sehr viele Leser gevotet haben und die Ergebnisse damit nicht sehr aussagekräftig sind. („Some Girls“ z.B. taucht nur deshalb so weit oben auf, weil jemand aus Wien praktisch jeden Tag dafür abgestimmt hat — wer und warum, darüber kann ich nur spekulieren.)

Interessant finde ich, dass mehr Leser bei den ComedyDramas abgestimmt haben als bei den Sitcoms — vielleicht, weil da das Angebot in diesem Jahr nicht so groß war und die Wahl deshalb leichter fiel? Oder weil mit „The Wrong Mans“ und „Ambassadors“, von Charlie Brookers „Black Mirror“ mal ganz abgesehen, wirklich sehr starke Kandidaten nominiert waren?

Dass bei den Sitcoms „Family Tree“ ganz vorne gelandet ist, könnte gleich mehrere Gründe haben: vor allem den, dass Chris O’Dowd seit „The IT Crowd“ auch in Deutschland sehr zu recht einem vergleichsweise großen Publikum bekannt ist, und dass auch Christopher Guest seit „Spinal Tap“ zahlreiche Fans hierzulande hat. „Family Tree“ selbst aber ist bestimmt gut, m.M. aber nicht die beste Sitcom des Jahres. „Plebs“ kommt da schon näher dran — verdientermaßen in den Top drei. „Count Arthur Strong“ wiederum hat eventuell ebenfalls von „The IT Crowd“ und der Treue der Graham-Linehan-Fans profitiert, die Arthur möglicherweise gnädiger aufnehmen als Zuschauer, die die Serie ohne das Wissen um die Autorenschaft der Show gesehen haben. In Großbritannien jedenfalls ist „Count Arthur Strong“ weit weniger gut angekommen.

Wirklich schade finde ich nur, dass die zweite Staffel „The Café“ mit null Punkten nach Hause gegangen ist. Meine Begeisterung für die erste Staffel hat sich zugegeben auch nicht hundertprozentig auf die zweite übertragen, aber mehr als null Zähler hätte ich ihr schon zugestanden.

Tja, viel mehr kann man 2013 gar nicht über die Poll-Ergebnisse sagen. Außer dass „The Wrong Mans“ und „Ambassadors“, die jeweils fast doppelt so viele Stimmen bekommen haben wie die erfolgreichste Sitcom, offenbar beide einen Nerv getroffen haben. Wäre ich programmverantwortlich bei deutschen Fernsehsendern: ich würde beide Serien einkaufen! Und dann gleichzeitig auf ZDF.neo und Eins live laufen lassen, mwahahaHAHA! WEIL ICH BÖSE BIN!

Und damit Euch allen eine schöne Vorweihnachtszeit!

Jahresendabstimmung

9. Dezember 2013 9 Kommentare

Alle Jahre wieder: der kleine britcoms.de-Poll zu den UK-Sitcoms des vergangenen Jahres. Dieses Jahr war so viel los, dass ich erstmals tatsächlich zwei Polls zu Sitcoms und ComedyDrama mache; von den US-Sitcoms dagegen habe ich übers Jahr so wenig mitbekommen, dass ich mir einen Poll mangels eigener Qualifikation spare. Einzige Ausnahme: Ich habe Stephen Merchants „Hello Ladies“ ganz unten der Liste hinzugefügt, obwohl die Serie genaugenommen us-amerikanisch ist (HBO).

Interessanterweise gibt es dieses Jahr sehr viele neue Sitcoms, im Vergleich dazu aber sehr wenige neue ComedyDramas — und umgekehrt: „Doc Martin“ war schon in der sechsten Staffel zu sehen, „Being Human“ und „Misfits“ in der fünften (wobei „Misfits“ einen angenehmen Qualitätszuwachs in diesem Jahr im Vergleich zur vierten Staffel zu verzeichnen hatte, wohingegen „Being Human“ doch sehr schwächelte); von den Veteranen „Skins“ (siebte Staffel) und „Shameless“ (elfte! Staffel) ganz zu schweigen.

Dieses Jahr hat jeder Voter drei Stimmen bei den Sitcoms und zwei Stimmen bei den ComedyDramas. Der Poll läuft bis einschließlich nächsten Sonntag, den 15.12., und wie immer bitte ich, mich auf eventuell fehlende Serien hinzuweisen, die ich dann nachtrage.

Ich bin gespannt auf die Ergebnisse!

Hier bitte drei Stimmen abgeben:

Beste Britcom 2013

  • Family Tree (13%, 18 Votes)
  • Plebs (12%, 16 Votes)
  • Count Arthur Strong (8%, 11 Votes)
  • Vicious (8%, 11 Votes)
  • Some Girls (7%, 9 Votes)
  • The Mimic (4%, 6 Votes)
  • The Spa (4%, 5 Votes)
  • Toast of London (4%, 5 Votes)
  • The Job Lot (4%, 5 Votes)
  • Big School (4%, 5 Votes)
  • Up The Women (4%, 5 Votes)
  • Yonderland (4%, 5 Votes)
  • Him & Her (Series 4) (3%, 4 Votes)
  • Miranda (Series 3) (3%, 4 Votes)
  • Man Down (3%, 4 Votes)
  • Citizen Khan (Series 2) (2%, 3 Votes)
  • Bluestone 42 (2%, 3 Votes)
  • Trollied (Series 3) (1%, 2 Votes)
  • A Young Doctor's Notebook (Series 2) (1%, 2 Votes)
  • Pramface (Series 2) (1%, 2 Votes)
  • Bad Education (Series 2) (1%, 2 Votes)
  • Psychobitches (1%, 2 Votes)
  • Way To Go (1%, 1 Votes)
  • Chickens (1%, 1 Votes)
  • Drifters (1%, 1 Votes)
  • Father Figure (1%, 1 Votes)
  • London Irish (1%, 1 Votes)
  • Heading Out (1%, 1 Votes)
  • Big Bad World (0%, 0 Votes)
  • Badults (0%, 0 Votes)
  • You Me And Them (0%, 0 Votes)
  • Blandings (0%, 0 Votes)
  • Bob Servant Independent (0%, 0 Votes)
  • The Wright Way (0%, 0 Votes)
  • Pat And Cabbage (0%, 0 Votes)
  • The Café (Series 2) (0%, 0 Votes)

Total Voters: 59

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Hier bitte zwei Stimmen abgeben:

Bestes britisches ComedyDrama 2013

  • The Wrong Mans (29%, 35 Votes)
  • Ambassadors (27%, 33 Votes)
  • Black Mirror (Series 2) (13%, 16 Votes)
  • Misfits (Series 5) (9%, 11 Votes)
  • Fresh Meat (Series 3) (7%, 9 Votes)
  • Derek (5%, 6 Votes)
  • Doc Martin (Series 6) (4%, 5 Votes)
  • A Touch of Cloth (Series 2) (3%, 4 Votes)
  • Skins (Series 7) (2%, 2 Votes)
  • Being Human (Series 5) (1%, 1 Votes)
  • Shameless (Series 11) (0%, 0 Votes)
  • Mount Pleasant (Series 3) (0%, 0 Votes)
  • Being Eileen (0%, 0 Votes)
  • Hebburn (Series 2) (0%, 0 Votes)
  • Great Night Out (0%, 0 Votes)
  • Common Ground (0%, 0 Votes)

Total Voters: 68

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Kleiner Mann auf großer Leinwand

6. Dezember 2013 2 Kommentare

Muss man die „Alan Partridge„-Saga von drei Staffeln Sitcom, zwei Specials, einer Mini-Series und etlichen kleinen Auftritten in „The Day Today“ (BBC2, 1994) gesehen haben, um Alan in seinem erste großen Kinofilm „Alan Partridge: Alpha Papa“ genießen zu können?

Nein. Aber es hilft.

Ein Kinofilm braucht große Bilder, und „Alpha Papa“ liefert: eine Geiselnahme und die daran anschließenden Verfolgungsjagd durch die nordenglische Provinz samt großem Polizeiaufgebot, Schießereien und Menschen, die in Toilettenfenster klettern wollen und dabei ihre Hose verlieren. Die Geschichte dreht sich dabei um eine kleine Digitalradiostation, North Norfolk Digital, die von ihren neuen Eigentümern zwangsverjugendlicht werden soll — weg mit dem alten gemütlichen Radiogeplauder, her mit formatiertem Jinglegeballer und der aufgekratzten guten Laune von Frühstücksradiozombies.


Alan, mittlerweile Mitte fünfzig, und sein irischer Kollege Pat (Colm Meaney) stehen ganz oben auf der Abschussliste, und nachdem Alan Pat im Handumdrehen verraten und verkauft hat, dreht der durch, nimmt Geiseln und beginnt, aus der besetzten Radiostation sein eigenes Programm zu senden — mit Alan als von der Polizei ausgewähltem Vermittler und Pats partner in crime („guest“, korrigiert Alan Pat schnell). Doch früher oder später muss Pat darauf kommen, dass niemand anderes als Alan für Pats Rauswurf verantwortlich ist.

Alan Partridge wieselt sich mal wieder durch und changiert zwischen Entsetzen und Schwäche angesichts der großen Aufgabe und einem überdimensional aufgeblasenem Ego, das er aus seiner Rolle als „Gesicht der Geiselnahme“ zieht. Zu dem wird er von den lokalen Medien schnell gemacht, und diese Rolle nimmt er gerne an, nicht zuletzt, weil der Chef der neuen Besitzer von North Norfolk Digital (oder Shape, wie die Station inzwischen heißt), ihm einen prominenten Moderatorenposten in Aussicht stellt.

Steve Coogan, Armando Iannucci, Peter Baynham und Neil und Rob Gibbons als Autoren sowie Declan Lowney als Regisseur (der auch schon bei „Father Ted“ Regie geführt hat) ist mit „Alpha Papa“ eine gute Mischung aus Slapstick und „Alanisms“ gelungen, den für Alan typischen Weisheiten („Never, never critisise Muslims! Only Christians! And Jews a little bit.“) Viele Figuren aus dem Partridge-Universum tauchen wieder auf: seine verhärmte Assistentin Lynn (Felicity Montague, kaum verändert seit damals), Alans Moderatorenkollege Dave Clifton (Phil Cornwell) und, hier nicht als Hotelangestellter, jedoch abermals als beinah unverständlicher Geordie, Simon Greenall. Und auch Alans Sidekick seit der Fosters-Miniserie, Simon (Tim Key), als der viel schlagfertigere, komischere, aber stets von Alan geduckte Comoderator, funktioniert hier gut.

Aber obwohl „Alpha Papa“ kein Reboot ist (anders als etwa „In The Loop“, das zwar deutlich auf „The Thick of It“ beruhte, aber in einer Art Paralleluniversum zu spielen schien), haben Coogan und Co. klugerweise darauf verzichtet, allzu viele Anspielungen und Bezugnahmen auf Alans Vergangenheit einzubauen — sein Markenzeichen, das „Ahaaa“ aus „Knowing Me, Knowing You“ (BBC2, 1994) taucht zum Beispiel gar nicht mehr auf. Der Film, das versteht sich ohnehin von selbst, soll eigenständig funktionieren, und das tut er auch.

Fast.

Denn ein kleines Problem scheint mir doch nicht ganz gelöst worden zu sein: Alan Partridges Charakter musste sich für den Film ändern. Alan ist nicht mehr so ein Arschloch wie früher, er braucht für 90 Minuten einfach die Sympathie des Zuschauers, sonst würde er vermutlich unerträglich. Aber prompt ist er eben nicht mehr ganz Alan Partridge — und „Alpha Papa“ ist, wie ein Kritiker schrieb, darum eigentlich mehr ein Film, wie ihn Alan Partridge über Alan Partridge drehen würde: einer, in dem Alan auch mal Held sein darf.

Zu dem wird er nämlich zwischendurch: in einer Wendung des Films ist Alan (und auch Pat, dem seine Zuhörer am Rande der Verfolgungsjagd zujubeln) plötzlich ein Widerstandskämpfer, er steht auf einmal für die Unbeugsamkeit des kleinen Mannes, der gegen die Zurichtung des Großkapitals aufbegehrt. Eine Wendung, die ich sehr lustig fand, die aber im Film nicht so weit ausgespielt wird, wie ich es kurz vermutet habe — weil sie nämlich im Grunde gegen die Figur Alans geht: Niemals, nie im Leben hätten dem „alten“ Alan Partridge seine Zuhörer zugejubelt. Ganz im Gegenteil. Sie hätten ihn mit faulen Eiern beworfen.

Am lustigsten war Alan früher, als er klein, schwach und jämmerlich und doch von oben herab war, als er seine Position als Moderator dazu ausnutzte, seine Gäste klein zu machen und sie, wenn auch nicht immer absichtlich, ihre Defizite spüren zu lassen. Er war ein Würstchen, unreif in seinen sozialen Umgangsformen, hin und wieder trotzig, immer feige. Sich dessen aber nicht so bewusst wie beispielsweise David Brent. Er war kein Held, kein Retter des alten Radios vor dem gesichtlosen Formatradio. Er war ein Jammerlappen.

Der ist er hier nicht mehr, kann es vielleicht auch innerhalb des Filmformats auch nicht sein, ist aber trotzdem noch ein kleiner Mann auf einer (zu) großen Leinwand — ein Dilemma, das sich vermutlich kaum lösen ließ.

Das ruiniert den Film keineswegs, „Alpha Papa“ ist nach „The World’s End“ der komischste britische Film des Jahres. Aber er wirkt weniger filmisch als „The World’s End“, ist weniger großes Kino als eben Fernsehen, ins Kino übersetzt. Vielleicht hat er auch deswegen den Sprung nach Amerika und auf den Kontinent (soweit ich weiß) nicht geschafft, anders als „The World’s End“.

Vielleicht hätte „Alpha Papa“, um an äußerer wie innerer Größe zu gewinnen, dann eben doch den Trick anwenden sollen, den das „Inbetweeners“-Movie angewendet hat (wie auch „In The Loop“, die „Mister Bean“-Filme und bestimmt noch ein paar andere, die aus Fernsehserien entstanden sind) — und ins Ausland gehen, etwa in die USA. Das haben die Produzenten von „Alpha Papa“ recht schnell ausgeschlossen, und ich bewundere sie für diese Entscheidung, weil sie dafür spricht, dass Iannucci, Baynham und Coogan dem Charakter Alans treu zu bleiben versuchten, der nun einmal in die Provinz gehört.

Aber für den Film wäre ein ganz anderes Setting dann vielleicht doch eine stabilere Grundlage gewesen.

„Alpha Papa“ ist seit Montag auf DVD und BluRay erhältlich.

Die Britcom-DVDs des Jahres

3. Dezember 2013 Keine Kommentare

Hier kommt das alljährliche Humorkritik Spezial zu den DVD-Neuerscheinungen der Saison, so wie es in der aktuellen Titanic drin steht. Wer das Blog regelmäßig verfolgt, weiß eh schon alles — für alle anderen steht’s jetzt hier noch mal zum Nachlesen.

Die große Britcom-Koalition ist da!

Wir haben mal eben für Sie gewählt: Hier sind die besten Comedy-DVDs aus Großbritannien. Eines ist klar: they rule! In welchem Quatschministerium jeweils, das verrät Ihnen Britcom-Wahlexperte Oliver Nagel

Das ist eine Überraschung: absolute Mehrheit für die BBC! Nachdem im vorvergangenen Jahr Rupert Murdochs Bezahlsender Sky fast in allen Comedy-Wahlkreisen die Abstimmungen für sich gewinnen konnte, hat die alte Tante BBC 2013 wieder die Nase vorn. Nicht zuletzt, weil sie viele Themen besetzen konnte, die den Wähler interessierten: den Kriegseinsatz in Afghanistan (»Bluestone 42«) und Sterbehilfe (»Way to Go«), aber auch Integration islamischer Menschen in die westliche Gesellschaft (»Citizen Khan«) und Familie (»Family Tree«). Da blieb auch für ITV, das auf die Themen Arbeitsmarkt (»The Job Lot«) und Gleichstellung von Homosexuellen (»Vicious«) setzte, nur die Opposition – während Sky gleich ganz aus dem Fernsehparlament geflogen ist.

Aber der Reihe nach. Die wichtigste Rolle in der künftigen Britcom-Regierung wird wohl »The Wrong Mans« (BBC Two) spielen. Denn James Corden und Mathew Baynton (beide »Gavin & Stacey«-elder statesmen) schaffen es in diesem Agenten-Pastiche, mit den Versatzstücken des Genres zu spielen, ohne es dabei zu zerstören. Und so sieht man ihnen, zwei schnell überforderten städtischen Angestellten, atemlos dabei zu, wie sie sich in einen Entführungsfall verwickeln lassen, der Mi5-Agenten, russische Spione und überbesorgte Mütter auftischt und wieder abräumt, bevor ein einzelner Handlungsstrang zu lang wird. Die Fallhöhe zwischen Dingen, die Agenten eben so tun (etwa von Brücken auf fahrende Züge springen), und dem, wie durchschnittliche städtische Angestellte dieselbe Situation durchstehen (nämlich indem sie sich anschließend unter lautem »Au, au, au«-Heulen den Hintern massieren), hat das BBC2-Publikum mit den höchsten Einschaltquoten einer Comedy seit »Extras« belohnt, und das war immerhin schon 2005. Zu Recht, »The Wrong Mans« ist nämlich trotz seines wenig gelungenen Titels die beste Serie des Jahres und das Jack-Bauer-Ministerium damit besetzt.

Tom Basden, »Wrong Mans«-Co-Autor und -Nebendarsteller, hatte wohl ein gutes Jahr, denn er war in gleicher Funktion bei »Plebs« (ITV2) eingespannt, unserem Kandidaten für das Ministerium für Brot und Spiele. Wer immer schon mal wissen wollte, welche Probleme Jugendliche im alten Rom mit dem Heranwachsen hatten, dem sei die Serie empfohlen. Kleiner Tip: Sie sind heutigen Problemen verblüffend ähnlich. Wer hätte nicht schon mal überlegt, seinen Sklaven einfach vor dem Club stehen zu lassen, wenn man den Eintritt schon kaum für sich selbst bezahlen kann? »Plebs« ist für alle, die bislang ihr Kreuzchen bei »The Inbetweeners« gemacht haben: etwas für die männlichen Jungwähler.

Schöngeistiger geht es da im Dandy-Ministerium bei »Vicious« (ITV) zu: Die beiden Veteranen Sir Ian McKellen (ja, der aus »Herr der Ringe«) und der in England annähernd ebenso berühmte Sir Derek Jacobi geben in dieser ironisch-theatralischen Sitcom ein über die Maßen schwules Paar alternder Schauspieler, die ihre Verarmung mit allerhand Pathos überspielen und eine keineswegs nachlassende Vorliebe für junge Männer haben, namentlich den neuen Nachbarn (Iwan Rheon, »Misfits«, »Game of Thrones«). Altmodisch, live vor Publikum und grell, aber es ist halt immer wieder komisch, wenn sich flamboyante alte Diven gegenseitig beleidigen – zumindest wenn es mit so gewählten Worten wie hier geschieht und von altehrwürdigen Charakterdarstellern wie diesen gespielt wird.

Ebenfalls ein alternder Bühnenkünstler, aber mit viel gröberen Strichen gezeichnet, ist »Count Arthur Strong« (BBC Two). Er nervt, und zwar sehr – erst mal seine Umwelt, insbesondere Michael (Rory Kinnear), der ein Buch über Arthur (Steve Delaney) schreiben möchte, dann aber auch so manchen Zuschauer. Eine echte Marmite-Comedy: Man liebt sie oder haßt sie so wie den bitteren Brotaufstrich. Wahrscheinlicher, daß man sie liebt, wenn man »Father Ted« und/oder »Black Books« und/oder »The IT Crowd« mochte, denn »Count Arthur Strong« stammt nicht nur aus der Feder seines Darstellers, sondern auch von Graham Linehan. Der ist für einen eher albernen Humor bekannt, und doch schafft es Arthur in der zweiten Hälfte der Staffel auch in die Herzen seiner Zuschauer – obwohl er natürlich Quälgeist bleibt.

Sehr viel leiser dagegen geht es im Melancholie-Ministerium zu: »The Mimic« (Channel 4) ist die Studie eines höchst begabten Stimmenimitators (Terry Mynott), der seinem unterwältigenden Alltag mehr Pep verleiht, indem er ihn in den Rollen zahlloser Promis erlebt – bis ihn das überraschende Zusammentreffen mit seinem erwachsenen Sohn dazu zwingt, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Nicht ganz so ernst, wie es hier klingen könnte, sondern bisweilen sehr komisch, wenn Martin etwa mit der Stimme von Sir David Attenborough sein Privatleben als Wildlife-Dokumentation kommentiert.

Das Familienministerium geht an »Family Tree« (BBC Two) von Christopher Guest (siehe Humorkritik in Titanic 10/13).

»Ambassadors« (ebenfalls BBC Two) besetzt das Außenministerium in diesem Comedykabinett. David Mitchell und Robert Webb (»Peep Show«) ist ein dreiteiliges Comedy-Drama gelungen, das sophisticated und komisch zugleich ist. Niemand kann treuherziger gucken als David Mitchell, hier in der Rolle eines frisch ins Amt gehobenen Botschafters im fiktiven Tazbekistan, und niemand genervter als Webb, der hier den langgedienten stellvertretenden Chefdiplomat gibt und als solcher der Botschafter-Ehefrau Fragen nach dem Vorgänger ihres Mannes beantworten muß: »Does anyone know what actually happened to Keith’s predecessor?« — »Someone from the Cabinet Office thought they saw him recently in Phuket in a transvestite hammam. But technically he’s just missing.« — (Pause) »What was someone from the Cabinet Office doing in…?« Leider erscheint »Ambassadors« nicht mehr in diesem Jahr auf DVD.

Das Kultusministerium geht zu guter Letzt an David Walliams (»Little Britain«), der mit seiner ersten Sitcom »Big School« (BBC One) keinen ganz großen Wurf geschafft hat, aber eine solide, altmodische Sitcom, die wohl eine zweite Legislaturperiode erleben dürfte.

Acht gute bis sehr gute neue Comedys, das ist ein solides Wahlergebnis (von den zweiten und dritten Staffeln anderer Serien mal ganz zu schweigen) – da vergißt man schwache Kandidaten (wie Stephen Merchants fade Männer-Frauen-Sitcom »Hello Ladies«) schnell. Die Wahlparty kann beginnen! Und damit zurück ins Studio.