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Archiv für März, 2011

Elitärer Schnösel: „Satire ist doof!“

31. März 2011 17 Kommentare

Er ist schon ein ganz besonders feines Früchtchen, der Süddeutsche-Feuilletonist Hilmar Klute. Ein Genußmensch, der seine private Vorliebe für Hummer, Gänsestopfleber und das Rauchen an Orten, wo andere Leute essen, als Höhepunkt der Zivilisation verortet, den ihm die ewigen Miesmacher und Nörgler madig machen möchten. Überhaupt, diese Miesmacher und Nörgler! Die sind dem Bertelsmann-Autor mit dem „Größenwahn eines Feudalherren am Vorabend der Revolution“ (Kathrin Hartmann) schon ein arger Dorn im Auge.

Da kam es ihm gerade gelegen, daß „der unterfränkische Unterhaltungskünstler“ (Klute) Urban Priol bei einer Anti-Atomkraft-Demo in München nicht etwa der Atomkraft das Wort geredet und die Menge gegen sich aufgebracht hat, sondern, „als Sympathisant einer guten Sache“ (Klute) aufgetreten ist und der Bundesregierung ein paar saftige Sottisen ins Stammbuch geschrieben hat, denen der Mob auch noch Beifall geklatscht hat. So geht’s natürlich nicht.

Deshalb hat Klute heute in der Süddeutschen diesen Anlaß zum Vorwand genommen, einmal ordentlich ins Gericht zu gehen mit Priol, der franken Art des Kabarettisten und dem ZDF, das diesem „Schießgewehr eines entfesselten Spießbürgertums“ (Klute) auch noch einen Übungsplatz zur Verfügung stellt. Klute legt (früher war alles besser!) erstmal die Latte mit einem Hildebrandt-Vergleich ordentlich hoch, um dann bei Priol „hilflose Hampelei“, „sprachliche Verlotterung“ und „Vulgärsatire“ zu diagnostizieren und Priol als „entfesselten Keifer“ und „affektierte Heulboje mit eingebautem Politikerhaß“ zu beschimpfen; nicht zuletzt, weil Priols Rede „komplett witzfrei“ gewesen sei. „Große Kleinkünstler wie Dieter Hildebrandt … haben in ihre Redefiguren immer … eine klug gesteuerte Selbstminimierung (eingebaut), aus der die Schärfe der wirkungsmächtigen politischen Pasquille destilliert wird“, resümiert salbadert der Großfeuilletonist (wann war Kabarett eigentlich je „wirkungsmächtig“?), um auf dem üblichen SZ-Schlußakkord „Das politische Kabarett, es ist längst tot“ zu enden.

Ja, die Selbstminimierung: Solange sie nicht ihn, Hilmar Klute, persönlich betrifft, ist sie eine Tugend. Vor allem für’s Kabarett und die Satire. Da möchte Hilmar Klute endlich mal wieder zwischen den Zeilen lesen! Und zwar am liebsten zwischen ganz klein gesetzten Zeilen. Was Hilmar Klute gar nicht mag: Wenn ihm statt dessen einmal ein paar balkendicke Überschriften um die Ohren gehauen werden. Das darf nur Hilmar Klute.

Denn natürlich unterschlägt Klute das wesentliche Stilmittel von Priol (wie auch von Georg Schramm, aber eben nicht von Frank-Markus Barwasser, den Klute ausdrücklich lobt): Polemik. Obwohl er, Klute, sie selbst durchweg einsetzt („dilettantische Suaden, … mau und simpel“). Polemik zeichnet sich eben nicht dadurch aus, daß sie mit dem Florett ficht, sondern mit der Holzlatte. Polemik drischt ohne große Kunstfertigkeit auf ihren Gegenstand ein, macht keine feinen Witzchen, deutet nichts an und denkt nicht um die Ecke. Stattdessen packt Polemik die ganz großen Kanonen aus — übrigens auch, um damit mal auf Spatzen zu schießen. Spätestens seit Eckhard Henscheid, eigentlich schon seit Th. Bernhard, ist die Maßlosigkeit der Mittel selbst zum Stilmittel geworden (das hätte sich Eckhard auch nicht träumen lassen, daß er mal bei der Rechtfertigung von deutschem, politischen Kabarett assistieren muß): die Beschimpfung, das Pöbeln, die frontale Attacke v.a. auf Denkmäler des Bürgertums (bei Henscheid z.B. Heinrich Böll), die Schimpftirade selbst ist längst zur Kunstform geworden — trotz und gerade ob ihrer vordergründigen Kunstlosigkeit. Eine Wendung, die selbst deutsche Gerichte mittlerweile akzeptieren, die aber noch nicht ins Schreibgemach Hilmar Klutes vorgedrungen ist.

„Parteiintern laufe Merkel unter dem Decknamen Lady Gaga, sagt (Priol) und weiß natürlich nicht, daß Lady Gaga eine witzige, kluge und großartige Sängerin ist“, so Klute, der uns auf diesem Wege mitteilt, daß er, Klute, natürlich schon weiß, daß Lady Gaga eine witzige, kluge und großartige Sängerin ist. Möglicherweise weiß es auch Priol, oder er weiß es nicht, oder es ist ihm schlicht wurscht: Denn natürlich tut das überhaupt nichts zur Sache in diesem Zusammenhang. Und schon gar nicht sagt der Umstand, daß Lady Gaga eine witzige, kluge und großartige Sängerin ist, Priol aber trotzdem mitteilt, daß Angela Merkel parteiintern unter dem Decknamen Lady Gaga läuft, „wie ungenau, schlampig und willkürlich im politischen Kabarett mit Sprache und Witz umgegangen wird“. Sondern nur, daß Klute von sich selbst gerne wissen lassen möchte, daß er cool und juvenil genug ist, Lady Gaga gut, aber konservativ und schnöselhaft genug, Priol doof zu finden, und das ganze politische Kabarett gleich mit dazu.

Oliver Kalkofe über Humor und Comedy in Deutschland

30. März 2011 2 Kommentare

Cyrill Boss und Philipp Stennert, die u.a. als Regisseure den zweiten „Wixxer“-Film gemacht haben, im Gespräch mit Kalk über Lustigsein. Schon ein paar Tage alt, aber immer noch völlig richtig alles.
https://www.youtube.com/watch?v=CbA5RAtx8vo?fs=1&hl=de_DE&rel=0
https://www.youtube.com/watch?v=KR6wohXTMs4?fs=1&hl=de_DE&rel=0
https://www.youtube.com/watch?v=E24nOlOSqrY?fs=1&hl=de_DE&rel=0

Satire im Schongang

Sehen wir einmal ganz von dem Vorwurf ab, John Morton, der Autor von „Twenty Twelve“ (BBC4), habe die Idee zu einer Mockumentary über die Vorbereitung der Olympischen Spiele einfach von der australischen Sitcom „The Games“ (ABC, 1998) geklaut, auch wenn es Indizien für die Richtigkeit dieses Verdachts gibt (etwa daß die australischen Autoren Ross Stevenson und John Clarke ihre Idee der BBC vorgestellt und John Morton sogar eine „The Games“-DVD gegeben hatten). Ideen an sich sind nicht schützbar, und aus gutem Grund, sonst dürfte längst niemand mehr Geschichten über unglückliche Liebe oder eine schwierige Vater-Sohn-Beziehung schreiben, und solange Morton sich nicht bei den Plots, Storys oder gar Gags von „The Games“ bedient hat, sondern nur die grundliegende Idee kopiert hat (eine Handvoll unfähiger Planer sollen die Olympischen Spiele organisieren), mag das moralisch zwar zweifelhaft sein, aber eben kein Plagiat.

Tatsächlich trägt „Twenty Twelve“ deutlich die Handschrift Mortons, dessen „People Like Us“ (BBC2, 1999) schon sehr nahe an „Twenty Twelve“ war: ebenfalls eine Mockumentary (oder eher noch Docusoap-Parodie) mit einem Off-Sprecher (damals Chris Langham als Dokumentarfilmer Roy Mallard, heute David Tennant), in der pro Folge ein member of the public im Arbeitsalltag begleitet und oft als überfordert, unfähig, irgendwie seltsam gezeigt wurde. Immer aber, und das machte den Charme von „People Like Us“ aus, wurden die Polizisten, Anwälte, Makler, Journalisten oder Fotografen sehr behutsam behandelt, nie bloßgestellt oder vorgeführt. Mallard ging mit den Menschen, die er porträtierte, stets nachsichtig um — manchmal so nachsichtig, daß er geradezu auf sie hereinfiel und, obwohl nie vor der Kamera zu sehen, zur eigentlichen Hauptfigur wurde: der des scheiternden, linkisch-stümperhaften Filmemachers.

Doch „People Like Us“ ist mehr als zehn Jahre her (die zuvor im Radio gelaufene Version sogar 15); eine geplante dritte Staffel wurde damals zugunsten von „The Office“ nicht realisiert. Seitdem ist viel passiert in diesem Genre, nicht zuletzt „The Thick of It“ hat Maßstäbe gesetzt, was Mockumentarys angeht, die in einer politischen Sphäre spielen, und die Nachsicht (mit members of the public) ist längst bösartig-schwarzer Satire gewichen, die unfähige Vorgesetzte und Spitzenpolitiker mit dem Seziermesser auseinandernimmt.

Doch „Twenty Twelve“ hat keinen David Brent, keinen Malcolm Tucker zu bieten. Das Monster fehlt, der böse Blick auf öffentliche Personen fehlt, und das Ensemble von Olympia-Planern um Hugh Bonneville als Head of Deliverance Ian Fletcher, Amelia Bullmore als Head of Sustainability Kay Hope, Olivia Colman als Assistentin Fletchers, Jessica Hynes als Head of Brand Siobhan Sharpe und Karl Theobald als Head of Infrastructure Graham Hitchins ist infolgedessen leider recht konturlos geraten. Alle geben unaufhörlich ein ähnliches Nonsens-Gerede von sich: die enervierende PR-Nuß Siobhan, aber auch Kay Hope, die permament auf dem Unterschied zwischen „Legacy“ und „Sustainability“ herumreitet, und natürlich Fletcher als Kopf der Unternehmung und Repräsentant. Alle scheinen oft genug keine Ahnung von dem zu haben, was sie tun. Und ob es nun die Enthüllung einer Uhr ist, die den Countdown bis zum Beginn der Spiele herunterzählen soll, oder eine Busfahrt mit brasilianischen Funktionären zur olympischen Baustelle, die zur Odyssee wird: Nie wird es so richtig schlimm, nie wird die Lage aussichtslos, nie leidet man als Zuschauer mit einem Charakter mal richtig mit.

Statt dessen redet mal der eine, mal die andere Bullshit, und dann ist es vorbei. In der letzten, der zweiten Folge, wurde zur Verstärkung dieses Geschwätzes sogar der alte Gag der Dolmetscherin bemüht, die — haha! — etwas ganz anderes sagt, als sie eigentlich sagen soll, was dann natürlich voll entlarvend ist. Leider sind die Monologe, die langweiliges politisches Gerede karikieren möchten, hin und wieder tatsächlich langweilig. (Ein Fehler, über den James Cary in seinem Comedy-Blog ein schönes Stück geschrieben hat: nervige Charaktere und langweiliges Gerede, die tatsächlich nervig und tatsächlich langweilig sind.)

Selbst wenn „Twenty Twelve“ ab und zu mit Schmunzlern und (etwa einmal pro Folge) sogar mit einem richtigen Lacher aufwarten kann:  Die Zeit von Nachsicht mit ranghohen Funktionären ist vorbei, wahrscheinlich ist allmählich sogar die Zeit von Mockumentarys abgelaufen. Der warme Blick auf typisch englische Arbeitsweisen (besonders hier im Zusammenhang mit den Spielen, also unter den Augen der Weltöffentlichkeit), auf das muddling through, das britische Durchwurschteln also, scheint verfehlt — vor allem, weil die Fallhöhe eines milliardenschweren Projekts in den Händen von Schwätzern nach schweren Waffen geradezu schreit.

Japan-Witze (3)

21. März 2011 5 Kommentare

Hier nun der Blick auf das deutsche Kabarett (ARD) und seine Haltung zu Japan, die (wie immer) von oben herab nach unten gerichtet ist: Georg Seeßlen berichtet in seinem Blog über die FAZ, die ihrerseits Dieter Nuhrs kabarettistische Äußerungen zu den multiplen Katastrophen in Japan vermeldete und sich in der Folge Nuhr anschließt. Dieser hatte im „Satire Gipfel“ von seinem Eindruck erzählt, daß „bei einigen die Freude über das Rechthaben in der Atomkraftfrage höher als das Mitleid mit den Opfern“ schwinge. Dazu Seeßlen:

Meine ich das nur, oder ist es irgendetwas zwischen billig und niederträchtig, „einige“ zu verleumden, ohne zu sagen, wen man eigentlich überhaupt meinen könnte? … Einem imaginären, nicht benannten Gegner Unmenschlichkeit zu unterstellen und dafür Applaus einzustecken, ist kein Ruhmesblatt aufgeklärten Kabaretts.

Japan-Witze (2)

Genau so soll das: Charlie Brooker in „10 O’Clock Live“ über die Japan-Berichterstattung von Sky, „Witze“ von 50 Cent und hysterische Infographiken. Lol!
https://www.youtube.com/watch?v=tVWhZ_qGD7g?fs=1&hl=de_DE&rel=0

Pegg & Frost in „Star Wars“-Remake

17. März 2011 4 Kommentare

Nick Frost und Simon Pegg in einer Szene ihres originalgetreuen „Star Wars“-Remakes, der hoffentlich demnächst in die Kinos kommt. Als hätten sie schon im Original O2H2 und 3-CPU gespielt!
https://www.youtube.com/watch?v=uwQP1_lbKWI?fs=1&hl=de_DE&rel=0