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Archiv für Juli, 2010

Bewanderte Sitcom

31. Juli 2010 7 Kommentare

Natürlich ist „The Great Outdoors“ (BBC4) jedem wirklichen Englandkenner von vorneherein verdorben, ja: auf das Fundament einer faustdicken Lüge gebaut. Denn in einer (der ersten, am Mittwoch ausgestrahlten) Folge dieser Sitcom um einen Wander-Club, dessen Leiter mit einem gewaltigen Lattenschuß allen Mitwanderern auf die Nerven geht, fällt einen ganzen Tag lang erkennbar kein einziger Regentropfen! Ja, die Wanderer kommen nach einer langen Wanderung trockenen Fußes nach Hause! Vollkommen ausgeschlossen, denn in England regnet es jeden Tag, und ganz besonders, wenn jemand wandern gehen möchte. Ich weiß, wovon ich rede! Sieht man über diese unwahrscheinliche Prämisse allerdings großzügig hinweg, ist „The Great Outdoors“ gut — und hat das Zeug dazu, noch besser zu werden.

Die Miniserie (leider auf nur drei Folgen angelegt) folgt dem Wanderleiter Bob (Mark Heap), dessen aufgeblasene, eitle und anmaßende Art schwer erträglich ist. Sein bester Freund Tom (Steve Edge) ist ein ausgemachter Simpleton, dem Bobs neurotische Anfälle daher auch nichts ausmachen; Bobs achtzehnjährige Tochter Hazel leidet da schon mehr unter ihrem Vater. Neue Mitglieder, die mal einen Tag lang mitwandern wollen, werfen schnell das Handtuch und setzen sich ab — bis auf Christine (Ruth Jones), die nicht nur eine Regenjacke (ha!) dabei hat, einen riesigen Rucksack, GPS und eine Leuchtpistole, sondern sogar Verpflegung. Um die gibt es prompt Verteilungskämpfe, als sich herausstellt, daß der von Bob angesteuerte Pub auf sündteure Gastronomie umgestellt hat. Logisch, daß Christine schnell und sehr zum Mißfallen Bobs zu einer ernsthaften Konkurrenz in der Club-Führung wird…

Prima, daß Mark Heap sich nie zu schade wird, seine Paraderolle zu spielen: die des tragikkomischen, von Obsessionen geplagten Soziopathen. Damit hatte er seinen Durchbruch in „Spaced“ als der krisengeschüttelte Künstler Brian, damit brillierte er als der Hochgeschwindigkeitsneurotiker Alan Statham in „Green Wing“, und gerade sehe ich ihn in „Happiness“, wo er eine ein wenig gedimmte Version dieses Charakters gibt, in der er ebenfalls glänzt. Prima aber auch, daß um Heap etliche weitere hervorragende Comedians aufgestellt sind: Ruth Jones darf mal eine andere Rolle spielen als Staceys dicke Freundin Nessa in „Gavin & Stacey“, Steve Edge („Star Stories“, „Phoenix Nights“) ist sowieso hervorragend, und Katherine Parkinson („The IT Crowd“, „Doc Martin“, „The Old Guys“, deren zweite Staffel gerade läuft) ist sich für eine kleinere Rolle in der zweiten Reihe ebenfalls nicht zu schade.

Das liegt vielleicht daran, daß die Autoren der Show, Kevin Cecil und Andy Riley, zwar noch keine Namen haben, bei denen es jedem Comedyfan in den Ohren klingelt, das das aber nur noch eine Frage der Zeit sein dürfte: die beiden haben schon nach Graham Linehans Abschied von „Black Books“ seinen Platz als Autoren eingenommen, für die „Armando Iannucci Show“ geschrieben, für „Little Britain“, „Armstrong & Miller“, „Smack the Pony“ und „Trigger Happy TV“. Ihre erste eigene Serie „Hyperdrive“ sei ihnen verziehen — zum Ausgleich für diese eher mittelgute Moppel-im-Weltall-Comedy (mit Miranda Hart und Nick Frost) hat ja Andy Riley etliche Comicbücher gezeichnet, die ich auf diesem Weg auch jedem ans Herz legen kann: „Bunny Suicides“ und „Great Lies to Tell Small Kids“. Kaufen! Jetzt sofort!

Comedy Landmarks (1): 23 Meteor Street

29. Juli 2010 2 Kommentare

In Islington, einem ruhigen Wohnviertel nördlich der Londoner City, liegt „23 Meteor Street“. Von der U-Bahn-Station Tufnell Park ist man in knappen zehn Gehminuten dort, wo 1999 Tim Bisley und Daisy Steiner zur Untermiete bei Marsha Klein eingezogen sind und damit eine Sitcom in Gang gebracht haben, wie sie so clever gefilmt, so berstend voll von popkulturellen Anspielungen, so liebenswert seitdem nicht mehr oft gesehen ward: „Spaced“.

Die Gartentüre steht seit zehn Jahren offen.

Besucht man die Location der Außenaufnahmen heute, stellt man fest: diese Gegend hätten sich ein schlecht bezahlter Comicbuchladen-Verkäufer und eine gar nicht bezahlte Möchtegern-Journalistin schon vor zehn Jahren im Leben nicht leisten können. Sehr bürgerlich geht es da zu, obere Mittelschichts-Wagen parken vor gepflegten Häuschen, und die Nachbarn grinsen wissend, wenn ein End-Dreißigjähriger mit Stadtplan, Frau und Kamera durchs Viertel schleicht, um Fotos von einem bestimmten Haus zu machen.

Hübsche Wohngegend: Die Nachbarschaft

Das „Spaced“-Haus war die erste Britcom-Kulisse, die Kathrin und ich auf unserem England-Trip besucht haben, und sie war eine der markantesten: Genau so hat das Haus in der Serie ausgesehen, weder Edgar Wright (Regie) noch die letzten zehn Jahre haben da Wesentliches verändert. Sogar die Hausnummer haben sie einfach beibehalten — 23 ist ja auch eine im Sinne von „Spaced“ gute, weil popkulturell potentiell bedeutungsvolle Zahl (R.A. Wilson! Illuminaten!).

Der Beweis: Jepp, ich war selbst da.

Natürlich ist es verblüffend, wie sehr der Ausschnitt eine Rolle spielt, der in der Serie zu sehen ist (wo nur das Haus und die Brache rechts davon, nicht aber das direkt daran anschließende Nachbarhaus zur Linken vorkommen): daß gegenüber des Hauses ein modernes Zweckgebäude steht und das hübsche Ensemble der Straße architektonisch ein bißchen stört, hat mich zuerst überrascht. Dann habe ich mich aber schnell erinnert: Ist ja Fernsehen!

Anschlußfehler: Mikes Van war grün, nicht weiß.

Viel mehr kann man über Fan-Besuche an Originalschauplätzen gar nicht schreiben, stelle ich gerade fest. Darum hier noch zwei, drei Urlaubsfotos, um die Atmosphäre des Stadtteils einzufangen, und dann laß ich es auch schon wieder gut sein. So sieht es nahe der U-Bahn-Station aus:

Islington am Abend

Das ist die U-Bahn-Station Tufnell Park selbst (eröffnet 1907!)…

Typisch: die edwardianischen roten Fliesen

…und die habe ich nur fotografiert, weil sie ein wenig ungewöhnlich ist: Den Bahnsteig erreicht man ausschließlich per Aufzug oder über eine lange Wendeltreppe durch eine bunkerartige Metallröhrenkonstruktion. Nichts für Klaustrophobiker!

Rolltreppe? Fehlanzeige!

Wieder da

27. Juli 2010 10 Kommentare

Ich weiß jetzt, warum englische TV-/Filmstars so schnell als möglich Großbritannien in Richtung Hollywood verlassen. Ich weiß auch, warum England bevorzugt heiße, trockene Länder kolonialisiert hat. Und ich weiß, warum die Wanderkarten im Lake District in Plastik eingeschweißt und mit der Werbung „water resistant, tear proof“ verkauft werden. Wer es auch wissen möchte: Ich werde in den nächsten Tagen berichten. Vorher muß ich nur meinen Kofferinhalt trocken legen. Bis gleich!

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Pausenmusik: Father Ted & Father Dougal – „My Lovely Horse“

22. Juli 2010 1 Kommentar

Die Folge „Father Ted“ (Channel4, 1995 – ’98), die ich mit Abstand am häufigsten gesehen habe, ist „A Song for Europe“: Father Dougal (Ardal O’Hanlon) ist schon ganz gespannt auf den European Song Contest, doch es ist gerade mal halb fünf, und der Song Contest beginnt erst im Mai. Also hört er bis dahin seine Plattensammlung (i.e. eine einzige Single): den Song einer völlig unbekannten Priester-Band namens Nin Huguen and the Huguenotes, die in der norwegischen Grand-Prix-Vorentscheidung von 1976 auf den fünften Platz gekommen war. Eine Inspiration! Dougal und Ted (Dermot Morgan) beschließen, bei der irischen Vorrunde anzutreten. Das Komponieren stellt sich allerdings als schwieriger heraus, als die Fathers es erwartet hatten…


Da aber auf der B-Seite von Dougals Single ein so eingängiger Song ist, nie jemand etwas von der norwegischen Priester-Band gehört hat und außerdem die ganze Band, die Komponisten und Rechteinhaber des Songs bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen sind, beschließen Ted und Dougal, den Song als, nun ja, Tribute an die Band zu covern — ohne davon jemandem etwas zu sagen. In der Nacht vor dem großen Tag träumen schließlich Ted und Dougal schon von ihrem Song: „My Lovely Horse“

Bei der irischen Grand-Prix-Vorentscheidung selbst kommt dann allerdings alles anders als erwartet, denn Teds Intimfeind Father Dick Byrne tritt ebenfalls an…

Die Melodie zu „My Lovely Horse“ stammt von Neil Hannon (Divine Comedy), der auch die Titelmusik zu „Father Ted“ beigesteuert hat.

Pausenmusik: Peter Kay – (Is This The Way To) Amarillo

19. Juli 2010 4 Kommentare

2005 ging ein „Musikvideo“ durch die Presse, das britische Soldaten in ihrer Base in Irak gedreht hatten: Da sah man zu Tony Christies „(Is This The Way To) Amarillo“ halbnackte Soldaten herumlaufen und einen auf dicke Hose machen. Ich glaube, damals fand ich dieses Video bestenfalls irritierend, es gab aber, meine ich, hierzulande auch noch kritischere Meinungen dazu. Was ich nicht wußte: Dieser Spoof ließ sich direkt auf Peter Kay und seine Sitcom „Phoenix Nights“ (Channel 4, 2001 – ’02) zurückführen.

In der zweiten Staffel dieser brillanten Sitcom rund um einen glücklosen Nachtclubbesitzer in Bolton (Greater Manchester) gibt es eine Szene, in der man Max und Paddy, die beiden Security-„Fachmänner“, (Peter Kay selbst und Patrick McGuinness) in ihrem Bus fahren und zu „Amarillo“ laut singen hört — bis wir schließlich hinten im Bus eine Handvoll nicht sehr amüsierte ältere Muslime grantig herumsitzen sehen. Klassischer Aufzieh-Gag, echter Knaller. Diese Szene machte den Song (der in England zuvor weit weniger bekannt war als etwa in Deutschland) zum Hit — und so schuf Peter Kay für den „Comic Relief“ im März 2005 ein Video mit zahlreichen Stargästen von Brian May und Shakin‘ Stevens bis Ronny Corbett, in dem man diese vor zunehmend wahnsinnigeren Szenerien auf die Kamera zujoggen sehen kann. Der fast 25 Jahre alte Song schaffte es auf Platz eins der britischen Single-Charts, blieb dort sieben Wochen und verkaufte eine Million Tonträger. Und genau dieses Video nahmen sich wenig später die Soldaten im Irak vor. Hier ist ihre Vorlage:

https://www.youtube.com/watch?v=Xx8l5l1g0wA&hl=de_DE&fs=1&

Urlaubsvideo: Car Darts

18. Juli 2010 2 Kommentare

Was könnte während des Urlaubs mehr Spaß machen, als eine gepflegte Runde Darts — mit Autos als Darts und einer riesigen Zielscheibe, die in einen Steinbruch gepinselt ist? Richtig: Wenn man einen Wohnwagen ins Bull’s Eye der Zielscheibe stellt. Letzte Folge der „Top Gear“-Wohnwagen-Urlaubsvideos!

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