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Archiv für April, 2011

Bafta-Nominierungen 2011

28. April 2011 12 Kommentare

Wie, schon wieder so spät? Die Bafta-Nominierungen für 2011 sind da! In den Comedy-Sparten nominiert sind…

…in der Kategorie Female Performance In A Comedy Programme:

Ich tippe auf Miranda Hart; nach all den Preisen, die sie bislang abgeräumt hat, wäre es schon fast ein Karriereknick, wenn sie nicht auch einen Bafta kriegen würde. „Getting On“ ist zu sehr Minderheitenprogramm, „Roger & Val“ war einfach nicht sehr gut, und Katherine Parkinson war in der vierten Staffel „IT Crowd“ auch nicht viel besser als in den ersten drei.

…in der Kategorie Male Performance In A Comedy Programme:

  • James Buckley, „The Inbetweeners“ (E4)
  • Steve Coogan, „The Trip“ (BBC2)
  • Tom Hollander, „Rev.“ (BBC2)
  • David Mitchell, „Peep Show“ (Channel 4)

Schwer zu sagen — Buckley wäre eine Geste in Richtung Nachwuchs, Coogan ist ein Klassiker, Hollander Newcomer mit einer respektablen Sitcom, die bislang zu Unrecht leer ausgegangen ist, und Mitchell Publikumsliebling. Keine Ahnung, wer da das Rennen macht.

…in der Kategorie Comedy Programme:

  • „Catherine Tate’s Little Cracker“ (Sky1)
  • „Come Fly With Me“ (BBC1)
  • „Facejacker“ (E4)
  • „Harry and Paul“ (BBC2)

Ich habe nur eineinhalb Folgen von Matt Lucas‘ und David Walliams‘ „Come Fly With Me“ und ein paar Sketche von „Harry and Paul“ gesehen, schätze aber, daß erstere das Rennen machen — einfach weil sie so populär sind, denn gut (im Sinne von gut) war das nicht.

…in der Kategorie Situation Comedy:

  • „Mrs Brown’s Boys“ (BBC1)
  • „Peep Show“ (Channel 4)
  • „Rev.“ (BBC2)
  • „The Trip“ (BBC2)

Vermutlich wird es auf „The Trip“ oder „Rev.“ hinauslaufen: „The Trip“ hat mit Rob Brydon, Steve Coogan und Michael Winterbottom gleich drei große Namen aufzubieten, „Rev“ war, wie schon gesagt, bislang leer ausgegangen und aber eigentlich eine sympathische kleine Serie. An „Mrs Brown’s Boys“ habe ich mich bislang nicht gewagt — Männer, die in Frauenkleidern alte Schachteln spielen, das war zuletzt bei den Pythons lustig (merkt euch das endlich mal, Lucas und Walliams!). Aber wer weiß, vielleicht ist das ja der Überraschungs-Hit.

Des weiteren nominiert sind übrigens Benedict Cumberbatch (Leading Actor) und Martin Freeman (Supporting Actor) für „Sherlock“ (BBC 1), Lauren Socha (Supporting Actress) und Robert Sheenan (Supporting Actor) für „Misfits“ (E4), das außerdem in der Sparte „Drama“ nominiert ist. Wünschen würde ich ihnen alle drei Baftas, allerdings haben sie im letzten Jahr schon einen „Drama“-Bafta gewonnen, also wird er womöglich an das ebenfalls nominierte „Sherlock“ gehen oder an „Downton Abbey“ (ITV1), das Gerüchten zufolge ja ebenfalls stark sein soll. Als viertes auf der Liste steht in dieser Kategorie „Being Human“ (BBC3), und auch diese Wahl fände mein Gefallen.

Zum dritten Mal, seit ich dieses Blog führe, bemerke ich, daß die Baftas nicht für eine Hochphase der britischen Comedy sprechen: Abermals sind die neuen Serien, Sketch- wie Sitcom-, schwächer als die älteren, von denen aber auch zumindest „The IT Crowd“ ziemlich schwächelt. Dafür sind mit „Sherlock“, „Misfits“ und „Being Human“ gleich drei (Comedy-)Dramas gesetzt, die sehr stark sind.

Interessant ist zum Schluß noch die Kategorie New Media, in der neben „Malcolm Tucker: The Missing Phone“ (eine App fürs iPhone) und „Wallace and Gromit’s World of Invention“ (BBC1) noch die „Misfits“-Online-Miniserieam Start ist: Wie gut mittlerweile schon online only-Inhalte gemacht sind, hat mich ja einigermaßen verblüfft. Was die Verknüpfung alter und neuer Medien angeht, scheinen mir die Briten generell einen mächtig großen Schritt voraus zu sein.

Recreational Comedy

26. April 2011 5 Kommentare

Gerade als man dachte, der große Sitcomtrend der letzten Dekade sei tot, läuft nun doch noch eine Mockumentary im Stile von „The Office“ zu neuen Höchstformen auf: „Parks and Recreation“ (NBC) dürfte derzeit neben „Modern Family“ die beste US-Sitcom sein. Denn sie gibt dem dokumentarischen Stil das zurück, was bei der amerikanischen „Office“-Version zuletzt arg fehlte: Relevanz.

Man könnte es beinah satirisch nennen, wie „Parks and Recreation“ die kommunale Politik in der amerikanischen Provinz beschreibt: Leslie Knope (Amy Poehler) ist die stellvertretende Leiterin der Abteilung „Parks und Erholung“ im (fiktiven) Städtchen Pawnee, Indiana. Ihr ungebrochener Enthusiasmus für Grünanlagen, Spielplätze und ihren Job kollidiert ständig mit der Haltung ihrer Kollegen, die längst resigniert haben, auf ihre Verrentung warten, nur ihren eigenen Vorteil suchen oder ganz generell gegen jede Form von Staat und Regierung sind, wie ihr Vorgesetzter Ron Swanson (hervorragend mit Betonfrisur, Schnauz und stets todernstem Gesicht: Nick Offerman). Knopes größtes Projekt zu Beginn der Serie ist es, aus der aufgelassenen Grube eines gescheiterten Bauunternehmens einen, genau: Stadtpark zu machen. Und zwar wenn nötig auch gegen den Widerstand der Erzfeinde des „Parks and Recreation“-Departments: die Bibliothekenverwaltung, die dort eine Bücherei errichten möchten. Keine leichte Aufgabe für Knope, die Leute von der Bibliothekenverwaltung sind schließlich sehr belesen, aber Leslie nimmt die Herausforderung gut gelaunt und kämpferisch wie allzeit an…

https://www.youtube.com/watch?v=PdxkdQ-gmaw?fs=1&hl=de_DE

Nur beinah satirisch ist „Parks and Recreation“, weil die Scherze über unfähige Stadtplaner, korrupte Kommunalpolitiker und Wutbürger, die sich sogar darüber beschweren, daß auf dem im Park gefundenen Sandwich kein Senf war, nie zu aufklärerisch werden. An erster Stelle steht immer der komische Effekt – und der beruht einerseits so sehr auf den prima gezeichneten Charakteren, wie man es aus britischen Sitcoms kennt (die permanent gelangweilte, apathische Praktikantin etwa ist ein Musterbeispiel beobachtender Comedy), ist aber so dicht an Gags, wie es nur US-Sitcoms hinbekommen. Allein die vielen Fresken in der Stadtverwaltung sind schon ein unerschöpflicher Quell von Komik: gemalt im naiven Realismus der dreißiger Jahre verprügelt da ein weißer Farmer seine Frau, wird ein gefesselter Indianerhäuptling mit einer großen Kanone von US-Soldaten erschossen oder eine Hochzeit zwischen einem Indianer und einer Weißen von sowohl aufgebrachten Rothäuten als auch weißen Siedlern brutal überfallen – selten hat man in einer Network-Sitcom so explizite Witze über die amerikanische Geschichte gesehen. Solche Scherze gehen vermutlich nur durch, weil sie in einem vordergründig heiteren und harmlosen Rahmen erzählt werden, wie ihn die US-Version von „The Office“ eben auch hat.

Tatsächlich stammen die Serien-Macher Greg Daniels und Michael Schur aus dem kreativen Team der US-„Office“-Produktion, und auch Rashida Jones, eine der „P&R“-Hauptfiguren, hat man dort schon gesehen. Doch „Parks and Recreation“ darf nun nicht als Spin-Off mißverstanden werden; das ist es nicht. Sondern eine leider sträflich unterbewertete politische Sitcom, die den Vergleich mit dem brillanten britischen „The Thick of It“ nicht scheuen muß. Gerade weil sie dem bösartig beißenden Humor der Engländer, die mit ihren Regierungspolitikern ins Gericht gehen, einen hinterhältig nachsichtigen Blick auf Provinzpolitiker der mittleren Eben entgegensetzt, der aber genauso aussagekräftig ist. Und, falls ich das noch nicht oft genug gesagt haben sollte, sehr, sehr komisch.

Four Lions

21. April 2011 2 Kommentare

Weil Chris Morris‘ Islamistensatire ja jetzt überall besprochen wird: Hier der Link zu meiner Titanic-Humorkritik vom Oktober vergangenen Jahres.

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Unheimlich lustige Begegnung der dritten Art

15. April 2011 1 Kommentar

Wer einen großen Film erwartet, könnte enttäuscht sein. Aber „Paul“ (Regie: Greg Mottola) will gar kein großer Film sein. Sondern eine sympathische Komödie von Geeks für Geeks — und genau das ist er auch.

Gestern abend im Kino (OV, versteht sich) war es ein bißchen, als seien die Wünsche der Simon-Pegg-Fans in Erfüllung gegangen, die sich immer mehr „Spaced“ und „Shaun of the Dead“ gewünscht haben statt mehr „How to Lose Friends and Alienate People“ und „Burke and Hare“: Pegg und Frost waren endlich, endlich zurück. Genauer: der geekige SciFi-Freund und Comiczeichner Tim aus „Spaced“ in Verbindung mit den besten Kumpels Shaun und Ed aus „Shaun of the Dead“. Hier heißen sie Graeme (Pegg) und Clive (Frost), sind zwei britische Buddys auf Fan-Urlaub in den USA und fahren nach einem Besuch der Comic-Con mit einem Wohnmobil nach Nevada in die Area 51, wo sie prompt einem Außerirdischen begegnen (Stimme: Seth Rogen). Binnen kurzem befinden sie sich gemeinsam auf der Flucht: vor Rednecks, deren Geländewagen sie angerempelt haben, einem Hillbilly-Priester, dessen Tochter mit ihnen flieht, und diversen Men in Black. Ihr Ziel: Paul vor den Menschen zu verstecken und den Seinen zurückzubringen.

Schnell wird klar, wer die wirklichen Aliens sind: Die Engländer Graeme und Clive, für die so ziemlich alles in den USA fremdartig ist. Paul dagegen ist, weil seit 1947 mit dem American Way of Life vertraut, bestens akklimatisiert, im Grunde sogar ein rechter Klugscheißer. Und für noch jemanden ist alles neu: Ruth (Kristen Wiig), die Pfarrerstochter und Kreationistin, die von dem merkwürdigen Trio fix eines Anderen, Besseren belehrt wird und sich schnell an einen neuen Lebensstil mit Fluchen, Sex und Drogen gewöhnt.

Selbstverständlich ist „Paul“ randvoll mit Anspielungen, In-Jokes und Motiven, die man aus tausend SciFi-Filmen, aber auch aus „Spaced“ und „Shaun of the Dead“ kennt. Immer wieder finden sich Variationen von Scherzen aus frühen Pegg-und-Frost-Werken, aber nie werden Witze zweimal erzählt. Natürlich geht es höchst albern zu, mit vielen Zoten zum Thema anal probes und Alienweibern mit drei Brüsten, aber wer es nicht lustig findet, wenn Menschen vor Schreck ohnmächtig hintüberfallen, der sollte für „Paul“ erst gar keine Tickets kaufen.

Dafür aber alle, die eine Beat für Beat ordentlich gemachte Komödie sehen wollen, in der mit Jason Bateman und Jeffrey Tambor zwei „Arrested Development“-Größen mitspielen (Mottola hat seinerseits bei einigen Folgen „AD“ Regie geführt) und ein paar nette Cameo-Auftritte von noch größeren Stars warten. Alle, die den Plot von „E.T.“ einmal als Komödie ausgespielt sehen möchten. Und alle Fans, die in diesem „Fish out of Water“-Film Nick Frost und Simon Pegg mal wieder aber sowas von in ihrem Element sehen möchten.

Deutsche Kabarettisten (2): die Poll-Auswertung

7. April 2011 40 Kommentare

Zunächst einmal muß ich den Lesern dieses Blogs zu ihrem guten Geschmack gratulieren: Gerhard Polt auf Platz eins des Kabarettisten-Polls — damit hätte ich ehrlich nicht gerechnet. Uns allen herzlichen Glückwunsch zu diesem Ergebnis!

Denn Gerhard Polt ist, wenn man so will, einer der englischeren Kabarettisten dieses Landes: Einer, dessen deadpan-Humor eher untypisch ist für bundesdeutsche Bühnen, der stets eine von unten nach oben gerichtete Perspektive einnimmt und sich nicht auf die Autorität einer Moral verläßt, mit der er von der Bühne herunter sein Publikum unterrichtet, was er für falsch oder richtig hält. Gerhard Polt steht weder für politisches Kabarett noch für unpolitische Comedy; er verläßt sich auf ein aufgeklärtes Publikum, das schwarzen Humor versteht.

<Abschweifung>Ich habe da so eine Theorie, daß der bayerische (wie der österreichische) Sinn für Humor sich vom gesamtdeutschen deutlich unterscheidet: Bayern hat (wie auch Österreich und England) klar umrissene Landesgrenzen (jaja, politische sowieso, ich meine eher ethnische) und folglich eine recht ausgeprägte Identität seiner Einwohner, nur eine (kulturelle) Kapitale und viel Provinz außenrum. Mia san mia, das heißt auch: Mia san alle vom selben Schlag, also gleich, und frei — was den alltäglichen Einsatz von Humor begünstigt. Wo man sich nicht sicher sein kann, ob der andere über oder unter einem auf der sozialen Leiter steht, muß man mit Witzen vorsichtig sein: das erklärt den auf Harmonie und Integration setzenden gesamtdeutschen Humor (im Gegensatz zum hin und wieder groben Humor der Bayern, die sich darauf verlassen, daß der andere ihn schon verstehen und verzeihen wird). Und es erklärt, warum im Osten des Landes Humor nach wie vor so vollkommen fehlt: In einer Diktatur sind die hierarchischen Unterschiede größer als in jeder anderen Staatsform, ist die Freiheit des Einzelnen dagegen eingeschränkt. Nirgendwo muß man vorsichtiger sein mit Scherzen, nirgendwo sonst werden Witze allenfalls hinter vorgehaltener Hand erzählt. Und nirgendwo haben diese Witze dann weniger den Zweck allgemeiner Komik und Heiterkeit als den, eine alternative Moral, eine abweichende Haltung zu etablieren. Weshalb sie in Diktaturen ja auch so entschieden verfolgt werden. </Abschweifung>

Allerdings sind auf den Plätzen zwei und vier Kabarettisten, mit denen ich rein gar nichts anfangen kann. Volker Pispers, ein Mann mit der Ausstrahlung eines Erdkundelehrers an einer Wuppertaler Gesamtschule, gehört für mich zu genau den Typen Kabarettisten, die ich gerade ex negativo beschrieben habe: Erklärbären, die immer die richtige Meinung haben, aber (wie der Österreicher sagen würde) koan Schmäh. Keine noch so kleinen funny bones. Meinungen habe ich aber schon selbst, die muß ich mir nicht von einem Kabarettisten holen. Und wenn schon, dann bitte mit Schmäh, mit Verve, mit einem gewissen Feuer — mit Haltung. Haltung ist mehr als Meinung. Haltung ist auch Kampfbereitschaft, wie sie Schramm und Priol mitbringen, deren dritter resp. sechster Platz für mich völlig in Ordnung gehen.

Genau das Gegenteil von Feuer ist für mich Hagen Rether. Rether löst in mir spontane Aversionen aus, die zum Teil bestimmt durch seine Haarfrisur bedingt sind, aber zum größeren Teil durch seine passiv-aggressive Art: dieses Geklimper am Klavier! So machen Kinder mit ADS auf sich aufmerksam. Diese leise Stimme, die einen zwingt, ganz genau zuzuhören! Dieser völlige Witzverzicht, der die Bedeutsamkeit seiner Moralpredigten noch steigern soll! Daß Leute bereit sind, sich solche Vorträge zur Unterhaltung und für Geld anzuhören, ist mir absolut rätselhaft.

Die letzte Überraschung des Polls war für mich, daß nur 18 von 209 Abstimmenden die Option „Ich mag überhaupt keine deutschen Kabarettisten“ gewählt haben. Da hätte ich mehr erwartet. Offenbar sind die Zeiten vorbei, in denen TITANIC-Leser und Freunde der leichten Fernsehcomedy mit Kabarett nichts anfangen konnten bzw. gegen diese freiwillige Form der Bevormundung sogar eine tiefe Abneigung pflegten, wie sie sich regelmäßig in der „Humorkritik“ niedergeschlagen hat. Das war, andererseits, natürlich auch die Zeit von Hanns Dieter Hüsch und Konsorten, als Kabarett sich noch auf Brett reimte und etwa den gleichen Unterhaltungswert hatte wie ein Besuch beim Zahnarzt.

Meine Affinität zum süddeutschen und österreichischen Raum ist ja bekannt, die meiner Blogleser würde mich aber mal interessieren: Wie viele Leser würden an einem ähnlichen Poll zu austriakischen Kabarettisten teilnehmen? Sind österreichische Kabarettisten, die nicht Hader oder Dorfer heißen, hier überhaupt relevant?

Und damit zurück nach Humbug.

Eine Muh, eine Mäh, eine Universitäterä

Manche Sitcom hat schon beim Start einen so großen Klotz am Bein, daß sie zum Untergehen beinah verdammt ist. „Campus“ (Channel 4, dienstags) ist so eine Sitcom.

Da ist zunächst der unausweichliche Vergleich mit dem Vorläufer „Green Wing“. Beide Shows stammen von der Produzentin Victoria Pile, und beide Serien teilen sich darüberhinaus sechs Autoren und den Soundtrack von Jonathan „Trellis“ Whitehead, dessen Score stets unverwechselbar ist. „Green Wing“ war zu seiner Zeit (2004 – ’07, ebenfalls Channel 4) ein Höhepunkt britischer Comedy: der surreale Stil, die innovative Regie, das Semi-Improvisierte, die bizarren Charaktere und die zahllosen sight gags machten die Serie zu etwas Besonderem; daß sie mit 45-Minuten-Folgen doppelt so lang war wie übliche Channel 4-Sitcoms und im Grunde eine Mischung aus Soap-Opera und Sitcom, hob sie abermals ab vom Gros der Comedyserien. „Green Wing“ zu toppen, soviel war schon bei der Ankündigung von „Campus“ klar, würde schwierig werden. Nicht zuletzt, weil es (wie Victoria Pile sagte) für „Green Wing“ gar keine entscheidende Rolle spielte, ob es in einem Krankenhaus oder irgendwo anders angesiedelt war. Warum also nicht in einer Universität?

Und dann gab es da vor Jahresfrist als „Comedy Showcase“ schon einen Piloten von „Campus“. In ihm ging es um den größenwahnsinnigen Konrektor der Universität Jonty (Andy Nyman, „Dead Set“), der seine Untergebenen demütigt und nötigt, etwa den faulen Englischdozenten Matt Beer (Joseph Millson) dazu, endlich ein Buch zu publizieren. Das hat dessen Mathematik unterrichtende Kollegin Imogen (Lisa Jackson) bereits erfolgreich getan („The Joy of Zero“); nun plagt sie sich mit dem Druck herum, nachlegen zu müssen. Des weiteren ging es um den glücklosen Uni-Buchhalter Jason (Will Adamsdale), der allen Angestellten versehentlich doppelte Gehälter überweist und sich anschließend damit herumärgern muß, das ganze Geld wieder einzutreiben.

Genau diesen halbstündigen Piloten gab es nun als erste reguläre Folge zu sehen — allerdings auf das „Green Wing“-Format von fast einer Stunde aufgeblasen. Kein Wunder also, daß mir da vieles bekannt vorkam: Weil ich es schon kannte, so (aus dem Piloten) oder so ähnlich (von „Green Wing“) jedenfalls.

https://www.youtube.com/watch?v=UlH4t9u8l_Y?fs=1&hl=de_DE

Das Problem von „Green Wing“ war, daß die Geschichten, die da erzählt wurden, allzu schnell allzu haarsträubend wurden: Bereits die zweite Staffel verlor ziemlich die Bodenhaftung. Das war schon okay; das leichte Schwindelgefühl beim Zuschauen war durchaus angenehm. Doch spätestens nach dem finalen Special war klar: Wenn es erstmal gar keine Erdung, gar keine Verbindung zur Wirklichkeit mehr gibt, wird es auch schwierig, Komik zu erzeugen. Konsequenterweise endete die Serie damit, daß Caroline (Tamsin Greig) an einer Traube heliumgefüllter Ballons davonflog.

„Campus“ nun versucht offenbar, etwas realistischere Geschichten zu erzählen, und möchte das Risiko, dabei hinter „Green Wing“ zurückzufallen, durch umso drastischere Dialoge mit Beleidigungen, Beschimpfungen und Anzüglichkeiten ausgleichen. Ich bin mir nicht sicher, ob das funktionieren wird. Zumal in dieser ersten Folge vieles wie Füllmaterial wirkte, was diese Episode zwischendurch anstrengend machte. „Green Wing“ arbeitete mit beschleunigten Sequenzen und Montagen. Diese Stilmittel kann „Campus“ nicht verwenden, ohne zum reinen Plagiat zu werden — und prompt wirkt es altbackener, langsamer, umständlicher, was der Serie wiederum auch nicht gut tut.

Allerdings gab es genügend Szenen, die hoffen ließen. Etwa die bei einer Signierstunde von Imogen zwischen ihr und einem zwielichtigen Buchkäufer:

Käufer: „I had an idea for a book once. You can have it if you like. It’s about lizzards planning to take over the entire world.“

Imogen: „Mh, I quite like a good science fiction.“ (Sie registriert seinen Blick) „Oh. It’s not science fiction, is it?“

Käufer: „When I say lizzards, I mean jews.“

Vor allem aber ist es der großartige Andy Nyman, der in seiner Rolle als Konrektor schon mit David Brent verglichen wird. Zu Unrecht, wie ich finde, denn Jonty de Wolfe hat eine bösartige Präsenz, die Brent nie hatte. Wenn er, viel zu nah am Gesicht seines Gegenübers, viel zu lange mit seiner Zunge herumwackelt, oder in einem grasgrünen Ballkleid Studenten durch die Bibliothek verfolgt, hat das etwas Dämonisch-Komisches, dem ich stundenlang zusehen könnte.

Vielleicht schafft „Campus“ es ja, die vielen Storylines noch etwas übersichtlicher werden zu lassen. Dann hätte es noch eine Chance, ein würdiger „Green Wing“-Nachfolger zu werden. Vielleicht gibt es ja eine weitere Parallele zwischen den Serien, und die würde ich sogar begrüßen: Denn nach der ersten Folge „Green Wing“ war ich auch alles andere als spontan begeistert. Dazu bedurfte es erst der zweiten Folge. Die erwarte ich jetzt sogar mit noch mehr Spannung als die erste.