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Jesus auf dem Fahrrad

Es ist wieder die Zeit kurz vor Advent, wenn all die neuen Comedy-DVDs erscheinen! Höchste Zeit also, dass ich hier einmal eine uralte Comedy-DVD bespreche: Richard Herrings „Christ on a Bike“ (2011).

Richard Herring geht also nun (also, äh, vor zwei Jahren, als das Programm herauskam) auch den Weg der religiösen Provokation und nimmt sich nach Adolf Hitler (in seinem Programm „Hitler Moustache“, 2010) nun Jesus Christus vor („Ich folge also gewissermaßen der Karriere von Papst Benedikt. Vielleicht geht ja das nächste Programm über Pädophilie“).

Das ist einerseits komisch, denn der Ansatz, naiv-kindliche Fragen zu stellen, funktioniert da ganz gut: Was zum Beispiel ist eigentlich aus dem Gold, dem Weihrauch und der Myrrhe geworden, die die heiligen drei Könige Jesus‘ Eltern mitgebracht hatten? Bei so vielen Reichtümern hätte Josef doch bestimmt eine ganze Weile nicht mehr arbeiten müssen. Wie oft muss man zur Kommunion gehen, bevor man einen ganzen Jesus gegessen hat? Wieso nimmt sich die Bibel so viel Zeit, die Genealogie über -zig Generationen hinweg vorstellig zu machen, die mit Joseph endet — wo doch Joseph gar nicht mit Jesus verwandt ist? Und wie lange war wohl Jesus‘ kleiner Christus — wenn Gott jedes Detail bedacht und alles selbst gemacht hat, muss er sich auch darüber Gedanken gemacht haben. Hat er ihm also ein paar Zentimeter extra geschenkt, oder hat er ihm lieber einen vollkommen glatten, geschlechtslosen Unterleib gegeben, wie ihn Plastikfiguren haben?

Eine ganze Weile ist das unterhaltsam. Dann aber schlich sich zumindest bei mir als nichtreligiösem Zuschauer, der selbst dem Atheismus ziemlich wurschtig gegenübersteht, eine gewisse Langeweile ein. Ganz schön totes Pferd, auf dem Herring da herumreitet, dachte ich — und habe bis jetzt nicht die zweite, die Bonus-DVD gesehen, die angeblich mindestens genauso gut ist wie der eigentliche Gig: da nämlich diskutiert Herring mit dem wütenden Mob vor dem Theater, der zwar die Show nicht gesehen hat, aber gerne über Blasphemie und Religionskritik reden möchte.

Nun mögen solche Diskussionen in England eventuell anders verlaufen als hierzulande, aber so viel anders dann auch nicht, als dass ich mir nicht ziemlich gut vorstellen könnte, wie das ausgeht: wie das Hornberger Schießen nämlich. Nicht nur kenne ich solche fruchtlosen Diskussionen aus dem Titanic-Zusammenhang, auch Herrings langjähriger Bühnenkollege Stewart Lee hat sich mit seiner „Jerry Springer-Oper“ (2005) schon ähnliche Schwierigkeiten eingehandelt. Dort war es allerdings tatsächlich prekär, denn da haben christliche Fundamentalisten es geschafft, die Tournee der Oper zu verhindern, was für Lee existenzbedrohliche finanzielle Schwierigkeiten bedeutete.

Hinzu kommt, dass Herring nicht annähernd so radikal und tatsächlich tabuverletzend ist wie Lee. Der geht in „90s Comedian“ (2005) viel weiter und steigert sich in eine Beschimpfungsphantasie hinein, in der er Jesus‘ Mund als Urinal benutzt. Das ist tatsächlich so über jede Grenze hinaus geschmacklos, dass selbst mir sich die Nackenhaare gesträubt haben, — und genau deshalb aus Comedy-Gesichtspunkten viel interessanter: Das ist nämlich tatsächlich komisch und gleichzeitig ungemütlich, selbst für Menschen, die keine religiösen Überzeugungen haben, aber zur Toleranz neigen. Was sowohl bei Lee wie auch bei Herring der größere Teil des Publikums sein dürfte. Herring fragt sogar zu Beginn seiner Show, wer im Publikum religiöser Christ sei, und das sind zwei oder drei. Was das Unternehmen, vor diesem Publikum die Figur Jesus Christus‘ mal so richtig auseinanderzunehmen, ein bisschen obsolet macht. Zumal er es dann ja gar nicht tut.

Nein, Herring erkundet in „Christ on a Bike“ keine unkartierten Gebiete in der Psyche seiner Zuschauer. In „Hitler Moustache“ war das immerhin an manchen Stellen noch so, weil er dort sein Publikum beschimpft und zumindest ansatzweise aus der Fassung bringt, nämlich mit der Argumentation, Rassisten seien weniger rassistisch als Liberale, weil es für Rassisten im Grunde genommen nur zwei Rassen gäbe (weiße und nichtweiße), für Liberale aber viel, viel mehr — und Rassisten so also an der Gleichheit aller Menschen wesentlich näher dran seien als Liberale. Genaugenommen nur einen Schritt entfernt davon.

Auch harmlose Albernheit hat natürlich ihre Berechtigung, und davon gibt es immer noch genügend, um „Christ on a Bike“ nicht zu einem Reinfall werden zu lassen. Herring ist sympathisch und klug genug, um den intellektuell etwas anspruchsvolleren Zuschauer durchgehend bei der Stange zu halten. Er ist aber kein comedian’s comedian wie Stewart Lee.

Bei der DVD sind (für Stand Up-DVDs nicht immer üblich) Untertitel dabei, die das Verständnis deutlich erleichtern.

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