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Archiv für die Kategorie ‘Comedy Chat Show’

Puppenhalblustig: „Die Wiwaldi-Show“

19. Juli 2012 6 Kommentare

Martin Reinl und seine Hundepuppe Wiwaldi waren für mich früher hin und wieder der Grund, bei „Zimmer frei!“ (WDR) hängenzubleiben: Wiwaldis respektlose Art, die Gäste von Götz Alsmann und Christine Westermann von hinter dem Sofa anzukötern, markierte oft den Höhepunkt der Sendung, die sonst allzu versöhnlich-bieder blieb. Im spontanen Schlagabtausch mit Wiwaldi zeigten sich die „Zimmer frei!“-Gäste nicht selten von einer anderen Seite, die weniger Selbstdarstellung war als der Rest des WG-Interviews. So etwa Christian Tramitz, der versuchte, Wiwaldi als Puppe zu entlarven und Reinl hinter dem Sofa bloßzustellen, was aber komplett auf ihn selbst zurückfiel und Tramitz plötzlich sehr unsympathisch dastehen ließ und kein bisschen überlegen-komisch, wie er sich das wohl selbst vorgestellt hatte.

Nun hat Wiwaldi seine eigene Talkshow „Die Wiwaldi-Show“, und die hat nach einigen Folgen im WDR den Sprung in die ARD geschafft, wo sie am Dienstag, versteckt umd 0:35 Uhr, zum ersten Mal gelaufen ist.

Gäste der ersten Sendung waren Barbara Schöneberger und Hennes Bender, und die Überlegung der Sendungsverantwortlichen, genau diese beiden als erstes einzuladen, dürften gewesen sein: Schöneberger ist lustig und lässt sich auch noch einen gewissen Sex-Appeal nachsagen, Bender ist immerhin noch lustig. Manchmal. Ein bisschen. Also wird die erste „Wiwaldi-Show“ mit diesen beiden Comedy-Nasen super-puppenlustig.

Das aber war die Misskalkulation, die die Show hinter das hat zurückfallen lassen, was sie eigentlich hätte sein können (und was die Stärke Wiwaldis bei „Zimmer frei!“ ausgemacht hat). Denn plötzlich war die Rollenverteilung nicht mehr: ein lustiger, provokativer Moderator und ein herausgeforderter Gast — plötzlich waren alle lustig. Oder versuchten es jedenfalls zu sein. Und Wiwaldi konnte nicht mehr glänzen, sondern war nur noch ein Komiker von nunmehr dreien auf der Bühne. Prompt fehlte die Fallhöhe, und mithin war alle Spannung weg, es könnte irgend etwas Spontanes geschehen, jemand könnte etwas Unvorhergesehenes sagen, das Wiwaldi aufschnappen und durchkauen könnte.

Stattdessen versuchte die Schöneberger, Wiwaldis Scherze noch zu toppen, ließ sich Wiwaldis Baggerversuche gerne gefallen, spielte mit ihrem Sexbombenimage (hat sie das eigentlich wirklich?), und am Schluss durfte sie sogar noch singen. Bender nahm sich dagegen vergleichsweise zurück und versuchte, den straight guy zu geben, der davon überrascht ist, dass er bei einem Quiz antreten muss, bei dem er selbst und sein Leben das Thema ist, nur um gegen sich selbst — in Form einer weiteren Puppe — zu verlieren, weil die alles besser weiß und schon während den Fragen die richtige Antwort reinblökt — eine durchaus komische Idee, schön durchexerziert. Aber halt erkennbar mit einem Comedian, der erkennbar sich selbst spielte und nicht etwa er selbst war, wie die „Zimmer frei!“-Gäste sie selbst waren.

Von den beiden Gast-Fehlgriffen abgesehen war die erste „Wiwaldi-Show“ (ich habe die Folgen im WDR nicht gesehen) ein durchwachsenes hit and miss. Manche Einspieler waren weder originell, noch waren die Scherze neu (ein Senioren-Ehepaar, das verzweifelt versucht, rechtzeitig zur Aufzeichnung der Show im Studio zu sein, und dabei allerlei Schwerhörigkeitsscherze vom Stapel lässt), andere waren tatsächlich recht komisch (Karl Lagerfeld beim Frisör und die immer sehr lustige Figur des „alten Zirkuspferds“ Horst Pferdinand). Den Gastauftritt von Herbert Feuerstein habe ich gerne gesehen, den Sketch mit den zwei Brötchen dagegen nicht; irgendwann sind eben alle Wortspiele gemacht, die man mit Nüssen, Keksen, steifer Sahne, brotloser Kunst, verkrümeln und nixgebackenkriegen so machen kann.

Sollten Wiwaldi und sein Schöpfer Reinl es dagegen gebacken kriegen, mal ernsthafte Gäste in die Sendung locken zu können, würde ich mir gerne noch eine Folge ansehen. Vielleicht mal einen Politiker (wenn es nicht gerade Petra Roth ist) und einen Fußballer? Hauptsache niemand, der versucht, lustiger als der Moderator zu sein.

The Fred Flintstone Show

21. Februar 2010 5 Kommentare

Sehr seltsam: Gerade eine HBO-Show gesehen, offenbar ein Spinoff der „Familie Feuerstein“, in der Fred Feuerstein und Barney Geröllheimer, müde von all ihren Abenteuern, beschließen, eine Radiosendung zu machen. Und tatsächlich: Sie schnappen sich einen langweiligen und leicht verwirrten Dinosaurier, lassen ihn frei von der Leber weg Quatsch reden und machen sich 22 Minuten lang darüber lustig — einfach, weil sie es können. Eine Radiosendung im Fernsehen statt einer „Familie Feuerstein“-Geschichte, wo einer etwas erlebt und in Schwierigkeiten gerät, diese bewältigt bzw. scheitert und am Ende klüger ist bzw. genauso dumm wie vorher. Fred, Barney und Dino, die sich über den Fortbestand der Menschheit unterhalten, über Affen im All und Gruselgeschichten mit todbringenden Bierkrügen und Notizzetteln in verlassenen Häusern. Very, very, very uninteresting. Und so schlecht gezeichnet, daß ich vermute, es ist nicht mal eine echte „Familie Feuerstein“-Folge gewesen.

Ich war noch niemals in New York

18. März 2009 1 Kommentar

Briten sind ein furchtbar neugieriges Volk. So reserviert sie sein können, so klatschsüchtig und interessiert am Intimleben ihrer Mitmenschen sind sie auch, insbesondere an dem der Prominenten. Daher eine kaum zu bändigende Yellowpress, die genüßlich alle großen und kleinen Skandale rund ums Königshaus oder die sexuellen Präferenzen britischer Politiker ausbreitet. Weil Briten außerdem Herausforderungen, Wetten und Spielen hohen Unterhaltungswert zumessen, haben Formate wie „Big Brother“ und „I’m A Celebrity… Get Me Out Of Here!“ enormen Erfolg auf der lustigen Insel. Zwei Charakterzüge, die bedenklich sein können, einerseits, andererseits aber auch äußert kurzweilig, wenn sie etwa von Marcus Brigstocke mit seiner neuen Comedy Chat Show „I’ve Never Seen StarWars“ (seit 12.3. auf BBC4) gezielt bedient werden.

Brigstocke lädt pro Folge genau einen prominenten Gast ein, um ihn auf unterhaltsame Weise mit Dingen zu konfrontieren, die er zuvor nie getan hat: Eine Stunde in einem Floating Tank verbracht etwa, „Men Are From Mars, Women Are From Venus“ gelesen, in der National Lottery gespielt (jaja, die Liebe zu Wetten und Spielen!), einen Kultfilm wie „Withnail & I“ gesehen oder eine Lektion Judo erhalten. Das alles jedenfalls mußte der Comedian, Autor und Moderator Clive Anderson in (bzw. vor) der ersten Folge über sich ergehen lassen, und er tat es mit Grandezza, sprich: Einer stiff upper lipp und der Portion Humor, die man von ihm erwarten konnte.

Das Format allein ist dabei so reizvoll, daß eine vergnügliche halbe Stunde selbst für Zuschauer dabei herausschaut, die von dem Gast (so wie ich) noch nie zuvor gehört hatten: Denn man erfährt einmal mehr etwas über Menschen an sich, ihre Art, auf Unerwartetes zu reagieren, und man erfährt etwas über die Herausforderungen — ich jedenfalls hätte weder über Floating Tanks, noch über „Men Are From Mars“ oder „Withnail & I“ etwas gewußt; jetzt aber schon.

„I’ve Never Seen Star Wars“ ist selbstredend nicht das einzige Format seiner Art: Ganz ähnlich funktionierte „Room 101“ (BBC2), benannt nach einer Folterkammer, die in George Orwells „1984“ vorkommt (und die Orwell wiederum nach einem Sitzungszimmer der BBC benamst hat, in dem er etliche unerquickliche Stunden hatte verbringen müssen): Dort stellten sich (bis die Sendung 2007 abgesetzt wurde) wiederum Promis ihren Ängsten und wurden vom Moderator allerdings nicht gefoltert, sondern meist nur zu Gesprächen über ihre Phobien, Abneigungen und Befürchtungen gebeten — wer einen lebhaften Widerwillen gegen Marzipan äußerte, durfte aber durchaus mit der Aufforderung rechnen, ein Stück Marzipankuchen zu essen (wie Jessica Hynes).

Beiden Talkshows, und das hebt sie vom Gros langweiliger Selbstdarstellungsbühnen ab, die Talkshows oft sind, gelingt es dabei, etwas aus ihren Gästen herauszukitzeln, das diese normalerweise nicht von sich preisgeben würden, zutiefst Privates oder gar Intimes: Ein Ansatz, den in Deutschland allenfalls, ein wenig zahmer allerdings, Götz Alsmann und Christine Westermann in „Zimmer frei!“ verfolgen; eine Sendung, die ich dementsprechend gerne sehe. Und ich sehe nicht viele Talkshows.

Hier ein Ausschnitt aus einer Folge „Room 101“ von 2002 mit Ricky Gervais, der nach der Show hoffentlich seinen Friseur gefeuert hat:
https://www.youtube.com/watch?v=q-yKAyVITXw&hl=de&fs=1