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In the Loop

Internationale Diplomatie ist ein Geschäft, in dem es auf jedes einzelne Wort ankommt, das öffentlich geäußert wird. Briten wiederum sind die Großmeister internationaler Diplomatie und verstehen sich darum bestens auf Wortklauberei. Mit einer Ausnahme vielleicht: der des unbedarften Minister for International Development Simon Foster (Tom Hollander). Der äußert sich, in einem harmlosen Radiointerview überrumpelt, zur britischen Haltung zu einem möglichen Krieg im Mittleren Osten: „War is unforeseeable“ — Krieg ist nicht vorhersehbar. Harmlos, sollte man meinen — doch diese drei Worte werden dem eigentlich eher bedeutungslosen britischen Minister zum Verhängnis, denn die britische Politik zu den Kriegsplänen der Amerikaner ist die, daß Krieg weder vorhersehbar noch unvorhersehbar ist.

Zunächst fällt in Armando Iannuccis brillanter Polit-Satire „In the Loop“ (BBC Films, 2009, seit letzter Woche auf DVD erhältlich) daraufhin die nationale Großpolitik in Gestalt des Spin-Doctors Malcolm Tucker (Peter Capaldi), der für den Prime Minister den Einpeitscher spielt, über den armen Foster her. Tucker versucht sich in Schadensbegrenzung („You may have heard him say that, but he didn’t say that. And that’s a fact“) und befleißigt sich im Übrigen im Umgang mit seinen Schäfchen einer Sprache, die das genaue Gegenteil von diplomatischem Understatement ist. Sie ist sogar so grenzenlos obszön, beleidigend und beißend vulgär, daß es die reine Freude ist, ihm bei seinen Schimpftiraden zuzuhören:

„Get me fucking Brian. If you don’t get  me Brian, I’m gonna come over there, I’m gonna lock you into a fucking flotation tank and pump it full of sewage until you fucking drown!!!“

Leider ist Foster auf eine David Brent-artige Weise einfältig genug, sich bei der nächsten Gelegenheit abermals öffentlich zu einem möglichen Krieg zu äußern („To walk the road of peace, sometimes we need to be ready to climb the mountain of conflict“), und so setzt er eine Kettenreaktion in Gang, bei der ihn sowohl amerikanische Befürworter als auch Gegner eines Kriegs für ihre Zwecke einspannen möchten — so daß Tucker kaum noch nachkommt mit seinen Versuchen, zu retten was zu retten ist.

The film plays as if flaming chunks of „The Office“ crash-landed simultaneously onto the sets of „Yes, Minister“ and „The West Wing“

beschreibt die Chicago Tribune Iannuccis Meisterwerk, das sich nicht nur einiger Figuren, sondern auch des semidokumentarischen Stils von „The Thick of It“ bedient. „In the Loop“ bleibt dabei immer eine Ebene unter der obersten politischen Riege, weder der britische noch der amerikanische Präsident tauchen auf oder werden auch nur beim Namen genannt, ebensowenig wie das Land, gegen das der in Rede stehende Krieg sich richten könnte. Stattdessen werden amerikanische wie britische Angehörige der mittleren und unteren Ebene des politischen Betriebs gezeigt, deren Entscheidungen oft viel wichtiger sind als die der ersten Männer des Staates. Und, mein lieber Mann, kommen die schlecht weg in diesem Film: Als intrigant, karrieregeil, bösartig, inkompetent, von jedem Glamour großer Politik unberührte kleine Lichter, jederzeit bereit, den anderen über die Klinge springen zu lassen.

Die nobelste Figur bleibt dabei Major General Miller (James Gandolfini), US-Militär, aber aus eben militärischen Erfahrungen heraus gegen den Krieg — das Gegenteil seines Kontrahenten, des Assistant Secretary of State Linton Barwick (David „Sledge Hammer“ Rasche), der eine scharfe Handgranate als Briefbeschwerer benutzt.

„This is the problem with civilians wanting to go to war. Once you’ve been there, once you’ve seen it, you never want to go again, unless you absolutely fucking have to. It’s like France.“

So, denkt man als Zuschauer, könnte der politische Betrieb von innen wirklich aussehen: Das Schicksal der Welt (oder zumindest einiger bemitleidenswerter arabischer Länder) liegt in den Händen von Leuten, die skrupellos genug sind, das Zahnfleischbluten ihrer Kontrahenten im entscheidenden Moment für ihre kleinen rhetorischen Siege auszunutzen, sarkastisch genug, Untergebenen coram publico eine verbale Abreibung nach der anderen zu verpassen, und die, zumindest auf amerikanischer Seite, noch halbe Kinder sind — in einer der komischsten Szenen hält Tucker einen amerikanischen Mitarbeiter des Weißen Hauses für dessen Assistenten, aber nein: der 22jährige ist der US-Vertreter, der den Briten briefen soll:

— „No offence, son, but you look like you should still be at school with your head down a fucking toilet.“

— „Your first point there, the offence? I’m afraid I’m going to have to take it. Your second point, I’m 22, but item, it’s my birthday in nine days, so… if it will make you feel more comfortable, we could wait.“

— „Don’t get sarcastic with me, son. We burned this tight-arsed city to the ground in 1814. And I’m all for doing it again, starting with you, you frat fuck. You get sarcastic with me again, and I will stuff so much cotton wool down your fucking throat it’ll come out of your arse like the tail of a Playboy bunny.“

„In the Loop“ spielt in einer Liga mit „Wag the Dog“, bleibt aber, obwohl etwa die Hälfte des Films in den USA spielt, durch und durch britisch. Sein Wortwitz ist unglaublich; die schnellen Pointen und schwarzen One Liner stammen aus dem bewährten „The Thick of It“-Team, das u.a. Jesse Armstrong („Peep Show“, „That Mitchell And Webb Look“), Simon Blackwell („Moving Wallpaper“, „Time Trumpet“) und Tony Roche („Broken News“, „World of Pub“) einschließt. Wer Iannuccis Werk bislang mochte, wird „In the Loop“ ebenfalls mögen. Einziges Manko: Man muß schon auf dem Quivive sein, um der Handlung durchgehend folgen zu können. Was nicht gerade erleichtert wird dadurch, daß auch die meisten Figuren gar nicht immer genau wissen, was überhaupt gespielt wird, weil sie eben nicht in the loop — auf dem Laufenden — sind.

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