Home > Sitcom > Brits getting L.A.’d

Brits getting L.A.’d

Wer hat sich nicht schon mal gefragt, warum und wie aus guten Fernsehserien schlechte Adaptionen für einen anderen Markt gemacht werden? Wie zum Beispiel aus „The IT Crowd“ „Das iTeam — Die Jungs mit der Maus“ wurde und wer um Himmels willen den Firmenboß Reynholm, im Original Chris Morris/Matt Berry, mit Sky du Mont besetzt hat? „Episodes“ (Showtime/BBC2) hat die Antwort.
https://www.youtube.com/watch?v=xuzYli5F7d8?fs=1&hl=de_DE

Die geht ungefähr so: Sean und Beverly Lincoln (Stephen Mangan, Tamsin Greig) haben gerade (abermals) zwei Baftas für ihre Serie „Lyman’s Boys“ abgeräumt, als sie auf der Aftershow-Party von Merc Lapidus, dem Präsidenten eines amerikanischen Fernseh-Networks, angesprochen werden. Er, so erklärt der Senderboß, liebe ihre Show so sehr, daß er Sex mit ihr haben wolle — sie sei perfekt für den amerikanischen Markt. Außer natürlich, Sean und Beverly hätten etwas gegen Sturzbäche schnell verdienten Gelds (die Serie sei ja schon geschrieben), eine Villa und ein Leben im ewigen Frühsommer L.A.s. Er würde gerne mit ihnen anstoßen, so Lapidus, sei jedoch trockener Alkoholiker; er wisse aber sehr genau, was er wolle, seit er Krebs gehabt habe und ihm klar geworden sei, daß Gott auf niemanden warte.

Es ist ein sehr einnehmender Auftritt des Amis, gänzlich unbritisch distanzlos, und Sean und Beverly sind etwas überrumpelt, aber sehr geschmeichelt. Gegen viel Geld haben sie nichts einzuwenden, und die Überblendung von der verregneten Londoner Nacht zum sonnendurchfluteten blauen Himmel Kaliforniens, unter dem Sean und Beverly in einer offenen Cabrio-Limousine in Richtung ihrer riesigen Villa fahren, macht ihre Entscheidung augenfällig. Schon alleine der riesige, im Badezimmerboden eingelassene Pool ist so verheißungsvoll, daß Sean und Bev sich umstandslos die Kleider vom Leib reißen — und feststellen müssen, daß es ungefähr drei bis vier Tage dauert, bis genügend Badewasser eingelaufen ist.

Nicht die letzte Enttäuschung. Lapidus hat in Wahrheit keine Minute ihrer Serie gesehen, denn „he is not a big TV watcher“, wie die doppelzüngigen Executives erklären, mit denen es Sean und Beverly nun zu tun bekommen. Tatsächlich soll ihr britischer Hauptdarsteller Julian, ein Schauspiel-Veteran und Shakespear-Darsteller, für die Rolle abermals vorsprechen, obwohl er bereits gesetzt war. Prompt fällt er durch — Mercs Vorname leitet sich nicht zufällig von „mercurial“ (launisch, sprunghaft) ab — und wird ersetzt durch jemanden, der in der Rolle eines soignierten Internatsleiters so zuhause ist wie Daniela Katzenberger in einer Universitätsbibliothek: Matt LeBlanc.

Die Rollenverteilung ist schnell klar: Hie die verständigen, halbwegs normalen Engländer — da die unberechenbaren Amerikaner, große Kinder, die gar nicht daran denken, irgendwelche Zusagen einzuhalten, aber immer glauben, zum Wohle aller zu handeln. Vor allem der doublespeak der Sender-Angestellten ist dabei ein Quell stetiger Freude:

BEVERLY

And if we say no?

SENDER-NUSS

You don’t want to say no to Merc. You really want him on your team.

SEAN

I thought he was on our team?

SENDER-NUSS

Totally! But if he likes Julian – and he will! – you’re pretty much guranteed you’re on the air!

BEVERLY

He already guaranteed we’re on the air.

SENDER-NUSS

Absolutely! But you see, nothing is set in stone.

SEAN

Actually, Merc said it was set in stone.

SENDER-NUSS

And it is! But, you know...

BEVERLY

Clearly, we don’t know.

SENDER-HEINI

It’s in stone! But... stone! There is things that’s stronger than stone.

SEAN

Like what?

SENDER-NUSS

Like Merc!

Weil aber die Rollenverteilung so schnell klar ist, fällt leider auch die Kritik an dieser ersten Folge „Episodes“ ein wenig zwiespältig aus: denn die kam ohne allzu viele große Lacher aus und war alles in allem ein bißchen erwartbar. Das muß aber kein Makel sein, es bedeutet allenfalls, daß vielleicht eine Doppelfolge zum Serienstart besser gewesen wäre — für gewöhnlich ist die zweite Folge ja schon um einiges komischer. Und Matt LeBlanc, der in der ersten Episode kaum eine Szene hatte, wird ab der zweiten Folge für zusätzlichen Pfeffer sorgen — David Crane, eine Hälfte des „Episodes“-Autorenduos neben Jeffrey Klarik, war schließlich selbst einer der Creators von „Friends“.

UPDATE Dan Owen vergibt bei Obsessed With Film gerade mal einen von fünf Sternen. Seiner Ansicht nach erzählt „Episodes“ im Wesentlichen die Story der zweiten Staffel „Extras“, in der Ricky Gervais miterleben muß, wie seine usprünglich ambitionierten Pläne für eine Sitcom nach und nach zerstört werden und aus seiner Serie eine schreckliche Mißgeburt wird. Allerdings fehle „Episodes“ der Hook, mit dem man ein Publikum in Bann schlägt, das nicht so sehr an Fernseh-Interna interessiert sei — wie es bei „Extras“ der Umstand war, daß Geravis‘ Figur ein Durchschnittstyp gewesen sei, der einfach berühmt und erfolgreich sein wollte. Wohingegen Sean und Beverly zwei bafta-ausgezeichnete Autoren spielten, in die sich der Zuschauer nicht so leicht hineinversetzen könne. Ein nicht ganz unberechtigter Einwand, diese Parallele zu „Extras“. Ob sie eine so geharnischte Kritik rechtfertigt, möge jeder für sich entscheiden.

  1. 11. Januar 2011, 13:18 | #1

    Die Vorschau am Ende der Episoade hat die nächste Episode zu 90% ja fast schon vorgenommen, oder?

  2. archeophyt
    11. Januar 2011, 13:30 | #2

    Etwas vorhersehbar war es tatsächlich, aber ich habe mich dennoch sehr gut amüsiert. Die Darsteller fand ich jedenfalls durchgehend toll, der Kontrast Brits-Amis ist zwar nicht neu, aber schön in Szene gesetzt und die Dialoge sind gut geschrieben. Sicherlich kein Meisterwerk, aber gute Unterhaltung und besser als nahezu alles, was man im deutschen Fernsehen vorgesetzt bekommt.

  3. 11. Januar 2011, 18:47 | #3

    isnochys :

    Die Vorschau am Ende der Episoade hat die nächste Episode zu 90% ja fast schon vorgenommen, oder?

    in der tat, und gerade lese ich bei chortle einen bösen verriß, der das auch bemerkt, und stelle fest: man kann tatsächlich noch ein paar kleinigkeiten kritisieren an „episodes“…

  4. 11. Januar 2011, 23:01 | #4

    hmm, ich hatte in der Tet nicht das „Lacherlebnis“.
    Also ein Zeitpunkt, zu dem ich kringelnd am Boden lag.
    Allerdings empfinde ich das jetzt nicht unbedingt schlecht.
    War es ja nur der Pilot.
    Auch bei Modern Family hatte ich zunächst Startschwierigkeiten.
    Doch mit jeder Folge bin ich hier begeisterter.(mehr begeistert? wie auch immer man das Ding steigern kann)
    Zugegeben, besonders die „Beauftragte für Komik“ hätte spröder rüberkommen können
    (vll. leb ich schon zu lange in Stuttgart, um das nicht mehr zu erkennen)
    Aber momentan sind mir die Charaktere nicht überspitzt genug…

  5. 12. Januar 2011, 09:27 | #5

    Ich war ziemlich enttäuscht und ich glaube inzwischen, dass die Show schlicht das falsche Format hat. Es würde vielleicht als klassische Sitcom funktionieren, weil dort Klischeecharaktere und völlig vorhersehbare Handlungsstränge nicht so negativ auffallen, solange die Gags oder One-Liner nur sitzen. Aber die waren bei „Episodes“ eigentlich gar nicht vorhanden und dafür, dass die Komik dementsprechend eher aus der Situation kommen müsste (2 Briten versuchen ihre Comedy in Amerika mit einem ungeeigneten und aufgezwungenen Star umzusetzen), ist diese einfach auch nicht absurd genug, sondern genau so, wie man sich das halt vorstellt. Für eine „normale“ Comedy auf Showtime/BBC mit ja durchaus hochkarätigen Mitwirkenden ist das IMO bislang viel zu wenig und die zweite Folge soll daran auch nicht viel ändern (hab ich gehört…).

  6. Fruchtzwerg
    12. Januar 2011, 14:28 | #6

    Die negativen Kritiken verstehe ich nicht ganz. Auch und gerade von Ihnen, Oliver: Offenbar hat Ihnen die Folge beim ersten Schauen doch gefallen? Warum lassen Sie sich jetzt von zwei anderen Rezensionen beeinflussen, und ändern plötzlich Ihre Meinung?

    Ich fand die Folge wirklich fabelhaft. Ein Aufdembodenkringel-Erlebnis hatte auch ich nicht. Dafür viele Ekelerlebnisse, und die sind auch was wert. Macht es nicht auch Spaß, einfach mal dieser aufgesetzten Fernstehtussi ein paar Minuten zuzusehen und dabei zu erschaudern?

    Problematisch erscheint mir eher die klischeehafte Darstellung von Briten und Amis. Sicher, Klischees können Spaß machen, und kein Volk o.ä. sollte davor gefeit sein, dass man ihn mit massig Vorurteilen brüskiert, sofern sie denn lustig sind. Diese platte Dichotomie der dumpfen und oberflächlichen Amis und der Shakespeare-vernarrten aber vermag mich, glaube ich, auf Dauer eher zu langweilen als zu unterhalten.

    Ansonsten haben mir die dreißig Minuten aber viel Freude gemacht. Auch ohne lautes Lachen.

  7. Fruchtzwerg
    12. Januar 2011, 14:29 | #7

    Huch, was war denn da los?

    Es muss heißen: „…kein Volk o.ä. sollte davor gefeit sein, dass man ES (!) mit massig Vorurteilen brüskiert, sofern sie denn lustig sind. Diese platte Dichotomie der dumpfen und oberflächlichen Amis und der Shakespeare-vernarrten BRITEN (!!) aber vermag mich…“

    Sorry!

  1. 22. Februar 2011, 17:33 | #1