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Deutsche Kabarettisten (2): die Poll-Auswertung

Zunächst einmal muß ich den Lesern dieses Blogs zu ihrem guten Geschmack gratulieren: Gerhard Polt auf Platz eins des Kabarettisten-Polls — damit hätte ich ehrlich nicht gerechnet. Uns allen herzlichen Glückwunsch zu diesem Ergebnis!

Denn Gerhard Polt ist, wenn man so will, einer der englischeren Kabarettisten dieses Landes: Einer, dessen deadpan-Humor eher untypisch ist für bundesdeutsche Bühnen, der stets eine von unten nach oben gerichtete Perspektive einnimmt und sich nicht auf die Autorität einer Moral verläßt, mit der er von der Bühne herunter sein Publikum unterrichtet, was er für falsch oder richtig hält. Gerhard Polt steht weder für politisches Kabarett noch für unpolitische Comedy; er verläßt sich auf ein aufgeklärtes Publikum, das schwarzen Humor versteht.

<Abschweifung>Ich habe da so eine Theorie, daß der bayerische (wie der österreichische) Sinn für Humor sich vom gesamtdeutschen deutlich unterscheidet: Bayern hat (wie auch Österreich und England) klar umrissene Landesgrenzen (jaja, politische sowieso, ich meine eher ethnische) und folglich eine recht ausgeprägte Identität seiner Einwohner, nur eine (kulturelle) Kapitale und viel Provinz außenrum. Mia san mia, das heißt auch: Mia san alle vom selben Schlag, also gleich, und frei — was den alltäglichen Einsatz von Humor begünstigt. Wo man sich nicht sicher sein kann, ob der andere über oder unter einem auf der sozialen Leiter steht, muß man mit Witzen vorsichtig sein: das erklärt den auf Harmonie und Integration setzenden gesamtdeutschen Humor (im Gegensatz zum hin und wieder groben Humor der Bayern, die sich darauf verlassen, daß der andere ihn schon verstehen und verzeihen wird). Und es erklärt, warum im Osten des Landes Humor nach wie vor so vollkommen fehlt: In einer Diktatur sind die hierarchischen Unterschiede größer als in jeder anderen Staatsform, ist die Freiheit des Einzelnen dagegen eingeschränkt. Nirgendwo muß man vorsichtiger sein mit Scherzen, nirgendwo sonst werden Witze allenfalls hinter vorgehaltener Hand erzählt. Und nirgendwo haben diese Witze dann weniger den Zweck allgemeiner Komik und Heiterkeit als den, eine alternative Moral, eine abweichende Haltung zu etablieren. Weshalb sie in Diktaturen ja auch so entschieden verfolgt werden. </Abschweifung>

Allerdings sind auf den Plätzen zwei und vier Kabarettisten, mit denen ich rein gar nichts anfangen kann. Volker Pispers, ein Mann mit der Ausstrahlung eines Erdkundelehrers an einer Wuppertaler Gesamtschule, gehört für mich zu genau den Typen Kabarettisten, die ich gerade ex negativo beschrieben habe: Erklärbären, die immer die richtige Meinung haben, aber (wie der Österreicher sagen würde) koan Schmäh. Keine noch so kleinen funny bones. Meinungen habe ich aber schon selbst, die muß ich mir nicht von einem Kabarettisten holen. Und wenn schon, dann bitte mit Schmäh, mit Verve, mit einem gewissen Feuer — mit Haltung. Haltung ist mehr als Meinung. Haltung ist auch Kampfbereitschaft, wie sie Schramm und Priol mitbringen, deren dritter resp. sechster Platz für mich völlig in Ordnung gehen.

Genau das Gegenteil von Feuer ist für mich Hagen Rether. Rether löst in mir spontane Aversionen aus, die zum Teil bestimmt durch seine Haarfrisur bedingt sind, aber zum größeren Teil durch seine passiv-aggressive Art: dieses Geklimper am Klavier! So machen Kinder mit ADS auf sich aufmerksam. Diese leise Stimme, die einen zwingt, ganz genau zuzuhören! Dieser völlige Witzverzicht, der die Bedeutsamkeit seiner Moralpredigten noch steigern soll! Daß Leute bereit sind, sich solche Vorträge zur Unterhaltung und für Geld anzuhören, ist mir absolut rätselhaft.

Die letzte Überraschung des Polls war für mich, daß nur 18 von 209 Abstimmenden die Option „Ich mag überhaupt keine deutschen Kabarettisten“ gewählt haben. Da hätte ich mehr erwartet. Offenbar sind die Zeiten vorbei, in denen TITANIC-Leser und Freunde der leichten Fernsehcomedy mit Kabarett nichts anfangen konnten bzw. gegen diese freiwillige Form der Bevormundung sogar eine tiefe Abneigung pflegten, wie sie sich regelmäßig in der „Humorkritik“ niedergeschlagen hat. Das war, andererseits, natürlich auch die Zeit von Hanns Dieter Hüsch und Konsorten, als Kabarett sich noch auf Brett reimte und etwa den gleichen Unterhaltungswert hatte wie ein Besuch beim Zahnarzt.

Meine Affinität zum süddeutschen und österreichischen Raum ist ja bekannt, die meiner Blogleser würde mich aber mal interessieren: Wie viele Leser würden an einem ähnlichen Poll zu austriakischen Kabarettisten teilnehmen? Sind österreichische Kabarettisten, die nicht Hader oder Dorfer heißen, hier überhaupt relevant?

Und damit zurück nach Humbug.

  1. Chris
    7. April 2011, 11:30 | #1

    Vielen Dank für den Beitrag über Hagen Rether, dieser Mario Barth für Lehrer löst bei mir nicht nur Aversionen, sondern auch Aggressionen aus.

  2. jeun
    7. April 2011, 13:04 | #2

    achso, ja hätte ich denn auch gerhard polt UND “Ich mag überhaupt keine deutschen Kabarettisten” wählen können? count me in!

  3. Chris
    7. April 2011, 13:33 | #3

    Da schliesse ich mich jeun an. Drei waren für mich zuviel!

  4. 7. April 2011, 13:57 | #4

    @oliver
    weißt du, ob’s eigentlich irgendwo auch theoretisches zum schweizer „humor“ gibt? warum haben die nix? geht’s denen zu gut? sind es die berge? die verschiedenen sprachen?

  5. 7. April 2011, 14:04 | #5

    ich glaube, die haben schon einen eigenen humor, aber mir erschließt er sich auch nicht so ganz. es sind ja tatsächlich ziemlich viele ethnien in der schweiz ansässig, was gegen einen homogenen schweizer humor spräche, andererseits hat die bürgerliche freiheit dort einen sehr hohen stellenwert, was für einen schweizer humor spräche. emil fällt mir da ein, marco riema und natürlich ruedi widmer als schweizer gewährsmann für titanic. vielleicht hätte der was erhellendes zu dieser frage zu sagen.
    ich würde vermuten, daß es einen gewissen hang zum nonsens-humor gibt, und daß der schweizer im alltag durchaus mehr humor an den tag legt als der deutsche, aber belegen könnte ich das alles nicht. und buch wüßte ich jetzt auch keins.

  6. 7. April 2011, 15:53 | #6

    Hier meine Antwort, auch wenn ich leider nicht viel Zeit habe:

    Ebensowenig wie es einen typischen deutschen Humor gibt, gibts einen typischen Schweizer Humor im Kabarett. Die Einflüsse, negative wie positive, aus Deutschland, England und USA sind gross. In den Schweizer Spielhäusern und am Fernsehen kommen viele deutsche Kabarettisten. Aber es gibt den Dialekt-Humor, wie ihn der m. E. beste Schweizer Kabarettist, der leider nicht so bekannte Joachim Rittmeyer vertritt. Der spielt einfach die Schweizer, mit ihrer ganzen Unsicherheit und ihrem Geiz. Vielleicht ist da was poltsches wie auch etwas politisches drin. Emil Steinberger macht(e) eigentlich nicht viel anderes. Angenehm ist das Fehlen jeglicher moralischer Botschaften. Der Auftritt an sich ist die Entlarvung des dümmlichen Schweizers. Es spielt aber, und das ist vielleicht schweizerisch, immer ein bisschen eine Zärtlichkeit mit dem Spott mit. Die Deutschen finden ja die Schweizer oft süss. Die Schweizer finden sich selber, besonders die Städter die Bergler, auch süss, aber das können nur Schweizer selber verstehen. Sie haben es sonst nicht gern, wenn Ausländer die Schweizer süss finden. Es ist kompliziert, die Schweizer haben ein grosses Problem mit sich selbst.

    Von französösichsprachigem oder italienischsprachigem Kabarett in der Schweiz habe ich noch weniger Kenntnis als ihr. Da gibt es null Austausch. Ist auch logisch.

    Spontan kommen mir folgende Personen in den Sinn (ich bin auch nicht der grosse Kabarett-Fan):

    Joachim Rittmeyer (sehr knorrig, guter Imitator, der aber abendfüllende Programme macht damit. Fällt mir spontan als sehr gut ein)

    Emil (sollte bekannt sein)

    Franz Hohler (literarischer Kabarettist, gescheit, aber auch belehrend, wenn auch charmant und gut, ist eine Legende in CH)

    Viktor Giacobbo (bekanntester Komiker der Schweiz, eine Art Harald Schmitt der Schweiz) mit eigener Ferndehsendung am Sonntagabend. Ist auch ein sehr guter Imitator, auch Filme, seine Politikerparodien sind teilweise so bekannt, dass man irritiert ist, wenn man den richtigen Politiker hört). Solides, bisweilen komisches Politkabarett, aber leider auch nie ganz böse, der Schweizer Konsens wirkt auch hier).

    Sein Sendungspartner Mike Müller ist ebenfalls gut, fast lustiger als Giacobbo. Hat noch mehr das Flair für den absurden Ausbruch.

    Andreas Thiel (Untauglicher, aber sehr erfolgreicher Versuch, Kabarett von rechts (gegen Linke, und gegen Palästinenser) zu machen, teilweise bemühende Sprachspielereien, ist als Mensch zu wenig lustig, ein eitler Mann, will gewitzt und intellektuell sein.)

    Ursus & Nadeschkin: Sehr erfolgreiches Wort-/Akrobatik-Duo, bisweilen sehr absurd für seine Bekanntheit.

    Marco Rima: unerträglich

    Simon Enzler, junger Appenzeller, erfolgreich, kenne ich aber nicht gut.

  7. Torsten
    7. April 2011, 16:51 | #7

    Sehr empfehlenswert aus der Schweiz sind „Ohne Rolf“, die machen, ohne zu sprechen, ausschließlich mit Plakaten sehr kreativen Sprachwitz und Nonsenshumor:
    http://www.youtube.com/watch?v=Lm4tVaP18j4
    Und wo wir schon bei den Schweizern sind, wie ist es mit Österreich? Gibt es da kreativen Humor, abgesehen von dem üblichen Dialekt-Kabarettisten? Das fällt mir erst mal nur Alf Poier ein, der soll ja sehr gut sein, kenne ihn aber selbst zu wenig.

    Zu der Liste: Ja, jetzt, wo du es sagst, finde ich Pispers (obwohl ich selbst für ihn gestimmt habe) auch nicht mehr ganz so lustig. Er lässt in der Tat etwas zu sehr das Ideal des moralisch korrekten, hinter die Dinge sehenden, bissigen Kabarretisten raushängen, ohne wirklich eigenes Charisma zu besitzen, und die fehlenden Pointen werden oft durch Aggressivität und Beleidigungen ausgeglichen. Trotzdem für mich einer der besseren Kabarettisten derzeit.

  8. 7. April 2011, 22:57 | #8

    Ich hatte mir schon gedacht, dass ich hier vom Konsens abweiche.

    Vielleicht ist Kabarett doch was ziemlich anderes als Comedy. Oder als britcoms.

    Ich kann über beides lachen …

  9. tschurangrati
    8. April 2011, 02:35 | #9

    „Vielleicht ist Kabarett doch was ziemlich anderes als Comedy. Oder als britcoms.“

    puh…..gewagte these!

  10. Kenny
    8. April 2011, 10:31 | #10

    Mir wähnt eh, daß bei der Abstimmung hier brutalster Schabernack betrieben wurde. Anders lassen sich die guten Ergebnisse für Pispers, Pirol, Mittermüller…..blabla….nämlich gar nicht erklären.
    Da tut mir doch auch glatt das Lachen in meinem Hals steckenbleiben….

  11. Hanno
    8. April 2011, 13:46 | #11

    Die Kritik an Pispers teile ich, wie gesagt.

    Dass man Rether persönlich wegen Stimme, Frisur etc. unsympathisch nehme ich auch noch hin.

    Aber ganz und gar witzfrei? Nein, das denke ich nicht. Er spielt eine „ernste“ Rolle auf der Bühne; deswegen ist er aber trotzdem komisch (Schramm wirft man doch auch nicht vor, miesepetrig und militant zu sein!).

    Ich empfehle, mal in einen der einschlägigen youtube-Filme zu klicken. Ich kann da durchaus lachen und sogar so manche alberne Spielerei entdecken.

  12. Edgar
    8. April 2011, 13:56 | #12

    Sehe ich wie Hanno.

    Die Sozialkundelehrer-Aversionen gegen Pispers kann ich nachvollziehen, ich hatte allerdings nie Probleme mit meinem Sozialkundelehrer. 🙂

  13. 8. April 2011, 15:02 | #13

    Ich möchte die These der ethnisch klar umrissenen Landesgrenzen in Bezug auf Österreich Problematisieren: Hinzuweisen wäre in diesem Zusammenhang u.a. auf die slowenische Minderheit in Kärnten sowie auf die kroatische Minderheit im Burgenland. Außerdem würde ich behaupten, dass der/die durchschnittliche VorarlbergerIn mit der Ost-Schweiz weit mehr gemeinsam hat als mit der burgenländischen Bevölkerung (im Osten Österreichs). Von ethnischer Homogenität kann man in Österreich nicht sprechen – weder in sprachlicher, dialektaler, politischer oder kultureller Hinsicht (auch wenn das von außen möglicherweise so wirken mag).

    Eine These, die ich im Zusammenhang mit Kabarret in Deutschland und Österreich vertreten würde (und dazu würden mich andere Meinungen interessieren!):
    Was beiden Ländern fehlt, ist eine Alternative Comedy Szene, wie es sie in Großbritannien in den 1980er Jahren gab. Viele Formate, die heute in UK Mainstream sind, hätten sich ohne diese Alternative-Welle, die sowohl formal als auch inhaltlich vieles in Frage gestellt hat, kaum durchsetzen können.
    Insbesondere eine deutliche Kritik an Sexismus fehlt in der deutschsprachigen Comedy/Kabarett-Szene weitgehend. Deshalb ist es wohl auch kein Zufall (bitte diese Kritik nicht persönlich nehmen!), dass bei „Welche deutschen Kabarettisten mögt ihr?“ ausschließlich über Männer abgestimmt werden durfte.

  14. 8. April 2011, 15:32 | #14

    ja, ethnisch ist vermutlich nicht das richtige wort, ich weiß nur kein besseres. trotzdem behaupte ich, daß es einen spezifisch österreichischen wie einen spezifisch bayerischen humor gibt, und daß in bayern z.b. auch die franken diesen verstehen und goutieren, wiewohl sie ansonsten nicht gerne mit dem rest bayerns zusammengehören. natürlich gibt es außerdem überall minderheiten, und durch zuwanderung wie globalisierung ändert sich das immer schneller. wenn man aber davon ausgeht, daß humor etwas ist, das sich die längste zeit eher über jahrzehnte und -hunderte geändert hat als binnen jahren, sieht man die zusammenhänge schon anders. dann spielt z.b. für england wie für österreich schon eher eine rolle, daß man mal eine großmacht war, die man aber nun schon eine weile nicht mehr ist – was bestimmt einen selbstironischeren blick nach sich zieht.

    was die alternative comedy angeht: ich würde vermuten, daß der comedy-betrieb im deutschsprachigen raum nicht groß und nicht genuin genug ist, als daß er eine zusätzliche alternative comedy ermöglichen würde. in deutschland ist live-comedy nichts gewachsenes, sondern etwas importiertes – dementsprechend fehlt sowohl eine identifizierung größerer bevölkerungsteile mit diesem kulturgut, als auch die möglichkeit, gegen einen mehrheitshumor und seine ausdrucksformen zu rebellieren. ein bißchen wie beim punk: wo kein establishment, da keine gegenbewegung. in deutschland reichte es halt allenfalls zu den toten hosen, die aber ihre haltung wiederum eher von englischen bands abgeguckt als selbst entwickelt haben. da fehlt die kritische masse, die man für eine explosion aber bräuchte. auch in deutschland ist natürlich immer pop- und rockmusik gemacht worden, aber doch nicht so wie in england. deutsche popmusik hat so wenig geschichte geschrieben wie deutscher humor.

    bei österreichischen kabarettisten und comedians habe ich generell eher den eindruck, sie seien schon bis zu einem gewissen grad alternativ, auch wenn ich nicht genau zu sagen wüßte, alternativ wozu: stermann und grissemann etwa haben einen eigenen weg gefunden, den vor allem junge menschen gut finden, weil er eben anders ist, maschek machen etwas, das es so noch nie gegeben hat, thomas maurer und martin puntigam (um jetzt nur mal zwei zu nehmen, die ich persönlich kenne) stehen stilistisch eh seite an seite mit hader und dorfer, die wiederum von qualtinger zehren – und der war gewiß alternativ in dem sinne, daß er gegen die ganze (post-)nazistische, katholische, kleinbürgerliche, paternalistische gesellschaft angetreten ist. hier sehe ich im moment in österreich eher eine mainstreamisierung: junge kabarettisten, die schon eher comedians sind, haben nicht mehr diese dezidierte haltung, wie sie die generation vor ihnen hatte (hader, dorfer, puntigam, maurer). oder täuscht mich das?

    daß da keine frauen auf der liste waren, liegt vermutlich daran, daß mir einfach keine frauen besonders aufgefallen wären bislang, wiewohl ich weiß, daß es welche gibt. aber frauen und humor, das ist ja eh so eine geschichte, damit könnte man noch ein eigenes blog füllen…

  15. 8. April 2011, 15:41 | #15

    @fernseherkaputt.

    interessanter als die in österreich anerkannten, weil schon ewig hier lebenden minderheiten (kroaten, slowenen, roma) finde ich in dem zusammenhang, dass es in österreich keine migranten-comedy, migranten-kabarett,… gibt, was in deutschland ja schon seit jahren der fall ist (mundstuhl, was kuckst du, bülent ceylan,…). in wien leben fast 200.000 serben und zehntausende türken, aber mir fällt auf die schnelle kein ausländer oder migrant ein, der sich in den letzten jahren in österreich irgendwie im tv, radio oder sonstwie komisch versucht hätte.

    ansonsten unterschreibe ich die west-ost-österreich-these. es gibt so was wie ‚wien und umgebung‘, und dann eben den rest von österreich. beide teile unterscheiden sich nicht nur was die sprache betrifft, sondern können sich gegenseitig nicht ausstehen, vor allem der westen verachtet den osten, was wohl auch daran liegt, dass die hauptstadt wien weit weg liegt und kulturell wohl schon mehr mit dem balkan zu tun hat, als mit vorarlberg oder tirol. und die kärntner sind ohnehin das schwarze schaf.

  16. 8. April 2011, 15:56 | #16

    vielleicht liegt der unterschied zwischen österreich und deutschland auch ein wenig an der unterschiedlichen verarbeitung des weltkriegs. deutschland hat sich damit beschäftigt und wurde entnazifiziert. das meinte ja auch kalkofe in dem vor ein paar tagen geposteten video. in deutschland war jahrzehntelang lachen verboten, weil man eben gerade einen weltkrieg verloren hat.
    in österreich ist das anders. hier war man offiziell das erste opfer von hitler, wollte ja eh nie mitmachen,, die altnazis wechselten direkt von der nsdap rüber zu den sozialdemokraten und den konservativen und so weiter. auch in meiner schulzeit in den 90ern und anfangs der 2000er Jahre hörte der Geschichtsunterricht vor dem 2. weltkrieg auf oder der weltkrieg wurde in einer doppelstunde abgehandelt.
    wozu das alles führt, sieht man ja eh derzeit: die fpö seit jahrzehnten auf dem vormarsch und strache mit etwas glück bei der nächsten wahl stärkster mann im land. dass da die kabarett-opposition ausgeprägter ist als bei so vergleichsweise harmlosen figuren wie westerwelle & co. ist glaub ich nachzuvollziehen.

  17. Kenny
    8. April 2011, 18:55 | #17

    Stimmt, jürgen hat recht. Jemanden wie Filbinger oder Kiesinger konnte es nur in Österreich geben, wohingegen Deutschland entnazifiziert wurde. Demnach müsste die DDR-Bevölkerung aber am meisten zu lachen gehabt haben, weil sie ja bekanntlich den Krieg gegen den Faschismus mitgewonnen hat. Dort gab es aber gar nie was zu lachen – weil nämlich Diktatur.

  18. Chris
    8. April 2011, 22:16 | #18

    Beim Unterschied zwischen Bayern/Österreich und dem Rest Deutschlands fällt mir spontan Max Weber ein (wofür der alles herhalten muss). Angelehnt an „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ und wenn man den englischen Protestantismus vom Lutheranischen unterscheidet (und ein paar Augen zudrückt) verläuft die Grenze zwischen Katholiken und Protestanten ähnlich der „Humorgrenzen“. Vielleicht spielt also auch der mangelnde Hang zum Hedonismus und das Vorbestimmtheitsprinzip eine weitere Rolle. Wie gesagt würde ich die Englische Kirche trotz calvinistischer Prägung hier ausschließen, da man eben wie Oliver bereits einmal geschrieben hat, die historische Prägung eine Rolle spielt. Ich bin ein bisschen überarbeitet, daher hoffe ich man entschuldigt mir hier die etwas knappen Worte. Um noch einen Klassiker reinzuwerfen würde Durkheims „Der Selbstmord“ ähnliches vermuten lassen. Olivers These findet ja in gewisser Weise durch den Fall des „Hauptmanns von Köpenick“ Bestätigung.
    Wenn die Vertrauensthese zutrifft wäre es noch interessant zu sehen, ob Norditaliener lustiger sind als Süditaliener (Putnam). Weiß da jemand was?

    UndRether nervt ja nicht nur wegen seiner Frisur, Stimme oder Humorlosigkeit. Der Mann erscheint mit als würde er seine intellektuellen Fähigkeiten ziemlich überschätzen. Er tut so als würde er Offensichtliches für alle offenlegen (und die Leute nicken auch noch zustimmend) und tut so als hätte er die Moral erfunden. Aber hier der Kernpunkt: Alles was er sagt wirkt als wolle er, dass man ihm für so viel Aufrichtigkeit und moralisches Verständnis auf die Schultern klopft. Vielleicht bin ich da als Sozialwissenschaftler da irgendwie vorbelastet, aber so einfach funktioniert die Welt leider nicht. Im Gegensatz zu Polt, Pirol und anderen erzählt er das, was er auf der Bühne erzählt auch privat jedem und findet sich dabei total erhaben. Wenn er über „Ehrenmorde“ spricht verweist er auf betrunkene Deutsche die ihre Familien abschlachten und findet sich total clever, anstatt dabei auf die echten Probleme von Scheinheiligkeit bei dieser Thematik hinzuweisen.

    Und hat irgendjemand schon den Trailer zum Beastie Boys Kurzfilm gesehen?? Die alten Beastie Boys (Jack Black, John C. Reilly, Will Ferrell) reisen zu den jungen Beastie Boys (Seth Rogen, Elijah Wood, Danny McBride) zurück in die 80er. Will Arnett, Ted Danson, Susan Surandon, Laura Dern und andere sind auch dabei!! Super!!

    http://www.youtube.com/watch?v=rBa5qp9sUOY

  19. Hermann
    9. April 2011, 01:22 | #19

    Die Beastie Boys habe ich gesehen und bin spätestens bei Arnett weggebrochen. Oliver, mach noch so einen Poll, aber mit »deutschen Comedians«. Und weil ich jetzt außer Düringer, der auf der Bühne wirklich lustiger ist als im Film (vor allem, weil er auf der Bühne einen Dialekt spricht, den er beherrscht) auch niemanden mehr in die Österreicher-Diskussion werfen kann und außerdem rechtschaffen betrunken bin, schließe ich mit einem Selbstzitat: Pispers (und auch Rether) sind wie Slayer – Unterhaltung für Menschen, die gerne nicken.

  20. Ulf
    10. April 2011, 13:32 | #20

    mmh, das hat mir jetzt bez. Volker Pispers die Augen geöffnet.
    Humor ist das wirklich nicht.

  21. 11. April 2011, 08:34 | #21

    hab mal gehört der Unterschied zwischen (nord)deutschem und österr. Politkabarett ist folgender:

    In Deutschland stellt sich der Kabarettist auf die Bühne und beschimpft die Regierung.
    In Österreich stellt sich der Kabarettist auf die Bühne und sagt: „Die Regierung ist super!“

  22. WeberMax
    11. April 2011, 14:02 | #22

    Was in dem Zusammenhang interessant/gruselig ist: Herr Nagel spricht davon, dass Gerhard Polt sich auf sein aufgeklärtes Publikum verläßt. Da gibts auch unheimliche Ausnahmen, die Polt als so eine Art „Meinungskabarettisten“ wie Pispers verstehen. Und da wirds dann heftig.
    Bei einem Gespräch hat mir ein ehemaliger Kollege verraten, dass der Polt schon recht hat. Aber man selbst darf sowas ja nicht sagen, weil man sonst gleich ein Nazi ist.
    Ist das nun traurig oder komisch?
    Die Reihenfolge ist größtenteils in Ordnung, persönlich wären meine Top 5: Polt, Priol, Schramm, Pispers, Pelzig.

  23. jeun
    11. April 2011, 15:18 | #23

    genau eben drum ist polt nicht der beste, sondern der einzige. fast wia im richtigen leben halt.

  24. Hanno
    11. April 2011, 15:53 | #24

    @ Chris: Stimmt! Leute, die total erhaben daherquatschen und sich dabei für ungemein „clever halten“, kann wirklich niemand ausstehen. 😉

  25. Chris
    11. April 2011, 16:54 | #25

    @Hanno: Ok, das kam wirklich scheisse rüber. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich momentan an meiner Diplomarbeit schreibe und an dem Tag nen Marathontag in der Bibilothek hinter mir hatte. Ich war wohl noch ein bisschen im Analysemodus.

  26. Kenny
    11. April 2011, 17:10 | #26

    @ Chris: Sie brauchen sich doch nicht bei irgendwem hier zu entschuldigen. Ich z.B. mag am Wissensvorsprung anderer teilhaben und davon profitieren. Ausserdem geht der Trend ohnehin in Richtung Cloud-Computing, das bedeutet glaube ich, soviel wie die Auslagerung von Informationsmengen auf externe Speicherplätze.

  27. Chris
    11. April 2011, 17:12 | #27

    Was ich über Rether geschrieben habe, gilt aber nicht nur für ihn, sondern den Großteil der deutschen Kabarettisten. Die Themen sind meist leicht vorhersehbar, was nicht schlimm sein muss, wenn man was interessantes und lustiges dazu zu sagen hat. Vor allem sagen sie alle irgendwie immer das gleiche über die immer gleichen Themen und sind dabei nicht mal lustig. Es würde eigentlich ein Kabarettist vollkommen ausreichen um das alles wiederzugeben.

  28. butters
    12. April 2011, 08:00 | #28

    @Chris: Sie haben in diesem Thread was mich angeht absolutes Freispiel, weil Sie mich auf den Beastie-Boys-Trailer hingewiesen haben. Das war zusammen mit „Hobo with a shotgun“ (mit Rutger Hauer) der kulturelle Höhepunkt dieser Woche.

  29. Emil S
    12. April 2011, 09:27 | #29

    WeberMax :
    Was in dem Zusammenhang interessant/gruselig ist: Herr Nagel spricht davon, dass Gerhard Polt sich auf sein aufgeklärtes Publikum verläßt. Da gibts auch unheimliche Ausnahmen, die Polt als so eine Art “Meinungskabarettisten” wie Pispers verstehen. Und da wirds dann heftig.
    Bei einem Gespräch hat mir ein ehemaliger Kollege verraten, dass der Polt schon recht hat. Aber man selbst darf sowas ja nicht sagen, weil man sonst gleich ein Nazi ist.

    Ich kann das bestätigen. Ich habe hier, in der Provinz, schon etliche Poltabende erlebt, wo die Leute gegrölt und „ja genau“ gesagt haben, und aus den falschen Gründen lachten, die haben es tatsächlich nicht verstanden. So ist es nun mal. Das ist ein bisschen surreal, wenn man mittendrin sitzt.

  30. anette
    12. April 2011, 12:14 | #30

    @Oliver: Ui, da muss man sich aber schon sehr anstrengen, um Frauen im Kabarett zu übersehen. Das sind klaffende Luhmannsche Blinde Flecke, sind das, fällt mir nach sehr langem Nachdenken ein. Darf ich mal ein paar Namen runterrasseln? Ältere Garde: Maria Peschek, die Wellküren, Misfits, Maren Kroymann; jüngere Garde: Martina Schwarzmann, Monika Gruber. Und mit einem Gruß an die zwei Leute, die auch noch für Zimmerschied gestimmt haben, erwähne ich die Passauer Saudiandl (Barbara Dorsch, Gerlinde Feicht) und Bettina Mittendorfer, die kennt hinter Dommelstadl zwar kaum jemand, das heißt aber nicht, dass sie nicht gut wären.

  31. Marly
    12. April 2011, 14:38 | #31

    @ Chris: So interessant ich ihre (und auch andere) Ausführungen fand, aber: Ist der Hinweis Rethers auf tendenziöse Islam-Berichterstattung in den Medien am Beispiel „Ehrenmord“ vs. „Familiendrama“ wirklich so banal?

    Ich fand – auch wenn ich seinen betroffen-pastoralen Vortragsstil nicht mag – die Sache an sich, als er darauf hinwies, richtig und gut.

  32. neuesfrankfurterwürstchen
    12. April 2011, 14:43 | #32

    Die Sache mit dem Abnick- und Meinungs“humor“ ist ja nicht nur eine Malaise des deutschen Humors im Allgemeinen und des Kabaretts im Besonderen. Auch Messrs Mitchell und Webb (würde mich als Fan bezeichnen aber: Please stop doing Peep Show. It’s time to move on, guys!) sind schon in diese Falle getappt, und auch überm Teich ist ja auch schon Bill Maher dafür berüchtigt. Die Klientel: das sich als aufgeklärt betrachtende, ins hipstermäßige gehende „Liberal“ Bürgertum, dem auch im Angelsächsischen Bereich Selbstironie und Verzicht auf besserwisserisches Moralisieren abgeht. Nicht dass die Conservatives in UK und US oder die amerikanischen Libertarians (WÜRG) besser sind. Zugegeben, immer noch spritziger als die teutonischen Produkte, aber man muss auch fair sein…

  33. Johannes
    12. April 2011, 14:44 | #33

    @Anette: empfiehlst du die jetzt hier, oder wolltest du nur sagen das es sie gibt?
    Ich habe mir grade ein paar Auftritte von Martina Schwarzmann anguckt und kann nur streng abraten es mir nachzutun.
    Kennt jemand einen guten deutschen Stand-Up-Blog?

  34. anette
    12. April 2011, 15:49 | #34

    @Johannes
    Ich habe die empfohlen, doch. Ohne alles von ihnen zu kennen.

  35. Marly
    12. April 2011, 16:08 | #35

    @ Johannes: Vielleicht das? http://standupcomedy.wordpress.com/

  36. Johannes
    12. April 2011, 17:38 | #36

    @Marly danke dir, allerdings ist der letzte Eintrag von 2007!

  37. awe
    12. April 2011, 19:04 | #37

    Jetzt schenk doch mal einer dem norddeutschen Humor Beachtung: Vielleicht weniger spitzfindig und wortreich, aber umso „deadpanner“. Immerhin ist er auch im Alltag sehr bestimmend.

  38. Frank
    12. April 2011, 22:41 | #38

    @jürgen
    Vermutlich würde dann jemand Urus und Nadeschkin witzig finden.

  39. Danny
    14. April 2011, 02:35 | #39

    In meinen Augen ein unglaubliches und zurecht vergessenes Arschloch; Sebastian Krämer.
    Sonst mag ich Schramm, der einzige von all den Doppelvollpfosten der sowas wie Hirn sein Eigen nennen darf; dem es gelingt, das Traurige ganz groß zu machen (Jürgen Roth). Schade dass er nicht mehr im TV zu sehen ist.

  40. Holle
    9. September 2011, 18:36 | #40

    :-))) Ohwei, es ist schon erstaunlich auf welchem Niveau argumentiert wird… Da gefällt einem die Frisur nicht, oder mit dem bärtigen Mann assoziiert man den bösen Lehrer aus der Kindheit etc…

    *lol* Lustigerweise bezieht sich Pispers & Co. genau auf solche Persönlichkeiten, die für Oberflächlichkeiten anfällig sind und der Meinungsmache verfallen ohne es zu bemerken. Als Argument fallen Sprechblasen aus Talkshows wie „Linke Spinner“ etc., mehr ist nicht zu erwarten.

    „Kabarettisten“ die reines Politikerbashing betreiben ohne dabei die Gründe zu nennen und gut recherchierte Fakten zu liefern, dürfen sich in der Comedy-Liga einreihen. Alles was tiefer geht, ist auch für den Wähler schmerzhaft. Kabarett ist nunmal Hardcore. Das muss man ertragen können, wenn man in’s Theater geht.

    Wenn Pispers auf der Bühne steht, dann hagelt es nur so von Fakten. Wenn er diese in Beziehung zum Wähler setzt und diesen mangelnde Intelligenz bzw. Naivität attestiert, dann ist auch das folgerichtig – auch wenn Dir das nicht gefällt. Anstatt die beleidigte Leberwurst zu spielen, schreibe ihm lieber ’ne Mail warum seine Argumente falsch sind; vorausgesetzt Du besitzt diese Größe. 😉

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