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Artikel Tagged ‘Chef!’

Empfehlung des Hauses

26. Oktober 2010 7 Kommentare

Es ist schon eine Weile her, daß Kochen der neue Rock’n’Roll und die englische Küche besser wurde, als ihr Ruf bis heute ist: Jamie Olivers erste Fernsehshow „The Naked Chef“ lief 1999 an; da gab es die neue britische Begeisterung für Haute Cuisine bereits eine ganze Weile. So lange sogar schon, daß bereits von 1993 bis ’96 drei Staffeln „Chef!“ auf BBC1 gelaufen waren, in denen Lenny Henry einen cholerischen Sternekoch in einem Gourmet-Restaurant auf dem Land spielte, bei dem sich Überheblichkeit und Talent die Waage hielten. Es ist also keine ganz fangfrische Idee, heute eine Sitcom zu machen, in der Alan Davies einen überheblichen, talentierten Chefkoch in einem Nobelrestaurant auf dem Land spielt.

Zum Glück haben Matt King und Oliver Lansley das berücksichtigt, als sie „Whites“ geschrieben haben (BBC2, dienstags). Ihr Chefkoch Roland White (dem eine gewisse Ähnlichkeit mit Bob Geldof nicht abzusprechen ist) hat sein Haltbarkeitsdatum erreicht, wo nicht überschritten. Ihm ist langweilig geworden über die Jahre, er spricht lieber seine Autobiographie (um die ihn niemand gebeten hat) ins Diktiergerät, als in der Küche zu arbeiten, und er kocht schon seit Jahren die gleichen Gerichte — meistens mit Fleisch. Mit sehr viel Fleisch. Seine Restaurant-Managerin Caroline hätte gerne, daß er auch mal ein, zwei vegetarische Gerichte in Angriff nimmt, und sein Souschef Bib hätte gerne, daß er überhaupt mal irgendwas in Angriff nimmt. Selbstredend wird aus Whites Buchvertrag nichts, denn die Verlegerin, Gast der Restaurant-Eigentümerin, ist: Vegetarierin. Und auch der Besuch des Sternekochs Shay Marshall in der zweiten Folge endet im Desaster, denn der hat, vor Urzeiten, mal als Lehrling bei Roland angefangen, seinen Chef aber längst einge- und überholt. Und nicht zuletzt hat Roland auch noch eine Rechnung mit ihm offen, die er nun auf hinterhältige Weise zu begleichen gedenkt.

Im Trailer: Kellnerin Kiki und Souschef Bib klären, was das Wort „Steak“ bedeutet.

https://www.youtube.com/watch?v=lN4V_tgXuNY?fs=1&hl=de_DE

„Whites“ (eine Kamera, kein Laugh Track) ist, ganz ähnlich wie „Rev.“, ein Slow Burner, der nicht auf schnelle Lacher und burleske Comedy setzt. Erst nach zwei, drei Folgen ist mir die Serie ans Herz gewachsen: Als klar wurde, daß die Charaktere lebendig sind und glaubwürdig, mit der gelegentlichen Ausnahme (etwa der naiv-geschwätzigen Kellnerin Kiki), die aber das Ensemble eher abrundet als herauszufallen. Alan Davies ist erstaunlich gut in seiner Rolle, obwohl er bislang noch nicht als Sitcom-Schauspieler in Erscheinung getreten ist (mir war er nur aus der Panel-Show „QI“, „Quite Interesting“, mit Stephen Fry bekannt).

Eine echte Überraschung aber ist Darren Boyd („Hippies“, zweite Staffel „Green Wing“, zweite Staffel „Saxondale“) als stellvertretender Chefkoch Bib, der immer überfordert und so schwach ist, daß er selbst gegen den Lehrling keinen Stich macht. Boyd spielt Davies, obwohl er dazu in der Lage wäre, zum Glück nicht an die Wand, sondern ergänzt ihn: Bib schätzt Roland als genialen Koch und ist ihm loyaler Freund, Roland weiß das und springt für den dauernd gestreßten Bib ein — auch wenn es ihm manchmal schwerfällt, seine Lethargie zu überwinden.

https://www.youtube.com/watch?v=3-m6EBVAcfg?fs=1&hl=de_DE

Es hilft der Serie, daß sie prominent besetzt ist: neben Boyd spielen Katherine Parkinson („The IT Crowd“) als Managerin und Isy Suttie (kann man in „Peep Show“ als Dobby schon gesehen haben), und es tauchen prominente Stargäste auf: etwa Kevin Bishop („The Kevin Bishop Show“, „Star Stories“) und Julia Deakin (Marsha in „Spaced“). Auch die Autorenduohälfte Matt King spielt selbst mit, und auch ihn kann man kennen: Als Superhans in „Peep Show“ und aus „Star Stories“.

„Whites“ erscheint am 22. November auf DVD.

Black Comedy

30. Mai 2009 2 Kommentare

Kein einziger guter schwarzer Comedian fiele ihm ein, sinniert Ricky Gervais‘ Andy Millman in einer Folge „Extras“, nun, zumindest kein britischer guter schwarzer Comedian — abwesender Blick auf das an der Wand hängende Porträt eines Farbigen — nein, es fiele ihm wirklich keiner ein.

Der schwarze Mann auf dem Foto, auf dessen Kosten dieser Scherz geht, ist Lenny Henry, groß geworden in der Peripherie der alternative comedy (er taucht z.B. in der letzten Folge der „Young Ones“ auf) und vornehmlich Stand Up-Comedian. Aus dem Fernsehen kennt man am ehesten sein Opus Magnum „Chef!“ (BBC1 1993-96), das mir beim Wiedersehen eben Gervais‘ Seitenhieb ganz berechtigt erscheinen ließ: Lenny Henry, der britische Bill Cosby, hat tatsächlich keine ausgeprägten funny bones.

Sieht man davon ab (falls es möglich ist, bei einer Comedy davon abzusehen, daß der Hauptdarsteller nicht sehr komisch ist), ist „Chef!“ aber eine okaye Sitcom. Henry spielt darin Gareth Blackstock, einen Zwei-Sterne-Koch, der eine Art Dr. House der Haute Cuisine ist: misanthrop, zynisch, arrogant und tyrannisch, aber unangefochtener Meister seines Fachs und, wenn es darauf ankommt, mit einem großen Herz ausgestattet. Meistens kommt es aber nicht darauf an, und dementsprechend rüde ist der Umgangston in der Küche.

„I’m sacking you because I think you’ve as much chance of being a top chef as John Major has of becoming a stand-up comedian!“

Daß Blackstock mit seiner Frau, die bald Managerin des Restaurants wird, ernsthaft diskutierte Probleme hat, gibt der Serie einen charakterlichen Unterbau, der sie beinah zu einem Comedy-Drama werden läßt. Die Produktionsweise liefert den entsprechenden Look dazu: mit einer Kamera, auf Film und on location gedreht, jedenfalls die ersten beiden von drei Staffeln, wird die Arbeitswelt und -weise des Spitzenkochs sehr realistisch in Szene gesetzt. Das wiederum entspricht eher der Produktionsweise von Dramas als von Sitcoms, weshalb der laugh track hin und wieder auch ein bißchen irritiert. Daß schließlich der Umstand, daß die beiden Hauptfiguren (Blackstock und seine Frau) Farbige sind, niemals von Bedeutung für die Serie ist, macht sie endgültig zu einer sehr erwachsenen Serie. Wenn auch zu keiner, wegen der man auf dem Boden läge vor Lachen.

Was mich eben am meisten gefreut hat: in einer Nebenrolle die junge Claire Skinner („Outnumbered“) wiederzusehen.