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Deutsche Kabarettisten (2): die Poll-Auswertung

7. April 2011 40 Kommentare

Zunächst einmal muß ich den Lesern dieses Blogs zu ihrem guten Geschmack gratulieren: Gerhard Polt auf Platz eins des Kabarettisten-Polls — damit hätte ich ehrlich nicht gerechnet. Uns allen herzlichen Glückwunsch zu diesem Ergebnis!

Denn Gerhard Polt ist, wenn man so will, einer der englischeren Kabarettisten dieses Landes: Einer, dessen deadpan-Humor eher untypisch ist für bundesdeutsche Bühnen, der stets eine von unten nach oben gerichtete Perspektive einnimmt und sich nicht auf die Autorität einer Moral verläßt, mit der er von der Bühne herunter sein Publikum unterrichtet, was er für falsch oder richtig hält. Gerhard Polt steht weder für politisches Kabarett noch für unpolitische Comedy; er verläßt sich auf ein aufgeklärtes Publikum, das schwarzen Humor versteht.

<Abschweifung>Ich habe da so eine Theorie, daß der bayerische (wie der österreichische) Sinn für Humor sich vom gesamtdeutschen deutlich unterscheidet: Bayern hat (wie auch Österreich und England) klar umrissene Landesgrenzen (jaja, politische sowieso, ich meine eher ethnische) und folglich eine recht ausgeprägte Identität seiner Einwohner, nur eine (kulturelle) Kapitale und viel Provinz außenrum. Mia san mia, das heißt auch: Mia san alle vom selben Schlag, also gleich, und frei — was den alltäglichen Einsatz von Humor begünstigt. Wo man sich nicht sicher sein kann, ob der andere über oder unter einem auf der sozialen Leiter steht, muß man mit Witzen vorsichtig sein: das erklärt den auf Harmonie und Integration setzenden gesamtdeutschen Humor (im Gegensatz zum hin und wieder groben Humor der Bayern, die sich darauf verlassen, daß der andere ihn schon verstehen und verzeihen wird). Und es erklärt, warum im Osten des Landes Humor nach wie vor so vollkommen fehlt: In einer Diktatur sind die hierarchischen Unterschiede größer als in jeder anderen Staatsform, ist die Freiheit des Einzelnen dagegen eingeschränkt. Nirgendwo muß man vorsichtiger sein mit Scherzen, nirgendwo sonst werden Witze allenfalls hinter vorgehaltener Hand erzählt. Und nirgendwo haben diese Witze dann weniger den Zweck allgemeiner Komik und Heiterkeit als den, eine alternative Moral, eine abweichende Haltung zu etablieren. Weshalb sie in Diktaturen ja auch so entschieden verfolgt werden. </Abschweifung>

Allerdings sind auf den Plätzen zwei und vier Kabarettisten, mit denen ich rein gar nichts anfangen kann. Volker Pispers, ein Mann mit der Ausstrahlung eines Erdkundelehrers an einer Wuppertaler Gesamtschule, gehört für mich zu genau den Typen Kabarettisten, die ich gerade ex negativo beschrieben habe: Erklärbären, die immer die richtige Meinung haben, aber (wie der Österreicher sagen würde) koan Schmäh. Keine noch so kleinen funny bones. Meinungen habe ich aber schon selbst, die muß ich mir nicht von einem Kabarettisten holen. Und wenn schon, dann bitte mit Schmäh, mit Verve, mit einem gewissen Feuer — mit Haltung. Haltung ist mehr als Meinung. Haltung ist auch Kampfbereitschaft, wie sie Schramm und Priol mitbringen, deren dritter resp. sechster Platz für mich völlig in Ordnung gehen.

Genau das Gegenteil von Feuer ist für mich Hagen Rether. Rether löst in mir spontane Aversionen aus, die zum Teil bestimmt durch seine Haarfrisur bedingt sind, aber zum größeren Teil durch seine passiv-aggressive Art: dieses Geklimper am Klavier! So machen Kinder mit ADS auf sich aufmerksam. Diese leise Stimme, die einen zwingt, ganz genau zuzuhören! Dieser völlige Witzverzicht, der die Bedeutsamkeit seiner Moralpredigten noch steigern soll! Daß Leute bereit sind, sich solche Vorträge zur Unterhaltung und für Geld anzuhören, ist mir absolut rätselhaft.

Die letzte Überraschung des Polls war für mich, daß nur 18 von 209 Abstimmenden die Option „Ich mag überhaupt keine deutschen Kabarettisten“ gewählt haben. Da hätte ich mehr erwartet. Offenbar sind die Zeiten vorbei, in denen TITANIC-Leser und Freunde der leichten Fernsehcomedy mit Kabarett nichts anfangen konnten bzw. gegen diese freiwillige Form der Bevormundung sogar eine tiefe Abneigung pflegten, wie sie sich regelmäßig in der „Humorkritik“ niedergeschlagen hat. Das war, andererseits, natürlich auch die Zeit von Hanns Dieter Hüsch und Konsorten, als Kabarett sich noch auf Brett reimte und etwa den gleichen Unterhaltungswert hatte wie ein Besuch beim Zahnarzt.

Meine Affinität zum süddeutschen und österreichischen Raum ist ja bekannt, die meiner Blogleser würde mich aber mal interessieren: Wie viele Leser würden an einem ähnlichen Poll zu austriakischen Kabarettisten teilnehmen? Sind österreichische Kabarettisten, die nicht Hader oder Dorfer heißen, hier überhaupt relevant?

Und damit zurück nach Humbug.