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Parks and Recs and Kimmy Schmidt

Groß war meine Trauer nach dem Ende von „Parks and Recreations“ (NBC, 2009 – 15): Gerade die siebte Staffel, mit 13 Folgen knapp halb so lang wie die Mehrheit der Staffeln (nur die erste hatte lediglich sechs Folgen und die dritte 16, alle anderen bestanden aus 22 bzw. 24 Folgen), gerade diese Staffel also, die NBC statt am Donnerstag nun Dienstags ausgestrahlt hat, und zwar zum größeren Teil in Doppelfolgen, war noch einmal ein Beleg dafür, welch enormes Potential Amy Poehler und das Ensemble hatten (insbesondere Nick Offerman und Aubrey Plaza), und mit welch brillant komischen Einfällen Greg Daniels und Michael Schur aufwarten konnten.

Allein die Idee, die letzte Staffel zwei Jahre (bzw. drei in der erzählten Zeit) in die Zukunft zu verlegen, so dass sie 2017 spielt, war Gold wert: all die lustigen technischen Gimmicks (allen voran die Smartphones mit Holoscreens), von Gryzzl, einer Firma, die sich zwar wie der Orwellsche big brother verhält, inklusive Datensammeln und Totalüberwachung, aber eben wie ein extrem cooler, hipstermäßiger großer Bruder, dem keiner böse sein kann (Firmenmotto: „Wouldn’t it be tight if everyone was chill to each other?“)!

Auch die persönlichen Veränderungen — Ben (Adam Scott) und Leslie sind nun Dreifacheltern, allerdings sieht man die Drillinge kaum, stattdessen aber die Schneisen der Zerstörung, die sie in der elterlichen Wohnung hinterlassen, Ron führt eine Baufirma namens „Very Good“, Andy (Chris Pratt) hat seine eigene Fernsehshow — erlauben es den Figuren, noch einmal über sich hinauszuwachsen und ihre komischen Seiten noch stärker vergrößert auszuspielen.

Figuren und Stories so stark zu überzeichnen, dass ihr Wahnsinn noch heller strahlt, ohne dabei zu Karikaturen zu werden: das hätte sicher nicht länger als diese eine Staffel lang funktioniert (womöglich nicht einmal über 24 Folgen). So aber, eine halbe Staffel lang, war es der beste Abschluss, den sich „Parks and Recs“ wünschen konnte.

Es wird für Amy Poehler sicher nicht einfach, über Leslie Knope hinwegzukommen. Leslie war ein so guter Charakter — komisch, charmant, durch und durch positiv, was für eine Comedy-Figur eine echte Ausnahme ist: man konnte sich mit Leslie einwandfrei identifizieren — dass die Versuchung groß sein wird, wieder in eine ähnliche Rolle zu schlüpfen, oder eben in eine komplett andere. Beides wäre schade, wie es überhaupt schade ist, dass Leslie Knope nun nie mehr neuen Herausforderungen mehr mit telefonbuchdicken Aktenordnern mit Strategiepapieren begegnen soll.

Ich werde Leslie Knope vermissen, ich werde Ron Swanson, die humane Erscheinungsform der grumpy cat, vermissen, und ich werde die weirdness von April Ludgate vermissen.

Zum Glück allerdings ist genau in dem Moment, wo der Comedygott die Tür hinter „Parks and Recs“ zugemacht hat, auch ein Fenster aufgegangen: das zu „Unbreakable Kimmy Schmidt“.

Tina Feys 13teilige Netflix-Serie hat sich als das perfekte Betäubungsmittel für die Trauer um „P&R“ erwiesen: und die Figur der Kimmy Schmidt (Ellie Kemper aus dem US-„The Office“) mich zunächst auch verblüffend an Leslie Knope erinnert.

Denn auch Kimmy ist eine durch und durch optimistische, aufgekratzt-fröhliche, zur Identifikation einladende weibliche Hauptfigur, für die das Glas immer halb voll und auch noch das schönste Glas auf der ganzen Welt ist. Sie ist ähnlich unerschütterlich, will jedem Menschen Freund sein und sieht die Welt durch die Augen einer Fünfzehnjährigen.

Denn Kimmy ist eine von vier Frauen, die ihr halbes Leben von einem irren Sektenführer (als Gast: „Mad Mans“ Jon Hamm) in einem unterirdischen Bunker in Indiana gefangengehalten worden sind im Glauben, die Welt sei bei einer atomaren Apokalypse vernichtet worden. Erst als Kimmy schon fast 30 ist, werden die „Mole Women“ (wie die Presse sie geringschätzig bezeichnet) befreit — und Kimmy, der sofort klar wird, dass sie sich von diesem Stigma befreien muss, zieht umgehend nach New York und fängt ein neues Leben an. Von nun an ist alles für sie neu — nicht nur, weil sie 15 Jahre von der Welt abgeschnitten war, sondern auch, weil sie die ersten 15 Jahre ihres Lebens in der tiefsten Provinz verbracht hat.

„Unbreakable Kimmy Schmidt“ trägt unverkennbar die Handschrift von Tina Fey (und Robert Carlock, auch bei „30 Rock“ schon als Showrunner mit dabei): unglaublich schnell erzählt, vollgepackt mit absurdistischen Gags, getragen von einem Netz von guten Figuren und deren Beziehungen untereinander. Kimmy lernt die Welt nämlich zunächst durch die Augen ihres Mitbewohners Titus Andromedon kennen (Tituss Burgess), eines arbeitslosen, schwarzen, homosexuellen Musicaldarstellers — das Paradebeispiel einer Figur, die larger than life ist. Und da ist Jacqueline Voorhees (Jane Krakowski, „30 Rock“), die rich bitch, alleinerziehende Manhattanbewohnerin, bei der Kimmy als Nanny arbeitet.

Schon nach wenigen Folgen aber ergibt sich ein ganzes Geflecht von Figuren, die „Kimmy Schmidt“ zu einem Ensemble erweitern, das dem von „30 Rock“ und „Parks and Recs“ in nichts nachsteht: die verzogenen Plagen von Mrs. Voorhees, ein reicher Schnösel sowie Dong, ein koreanischer GED-Kollege Kimmys, die um ihre Liebe konkurrieren.

Und es gibt etliche Gastauftritte, von Kiernan Shipka („Mad Men“) als Kimmys schlecht gelaunte Halbschwester über „Breaking Bads“ Dean Norris als Titus‘ straight coach bis hin zu Fey selbst als Parodie einer unbegabten Rechtsanwältin.

Aber Ellie Kemper als Kimmy Schmidt ist sicher die beste Besetzung, die man sich vorstellen kann: ihre Präsenz, ihr perfektes Timing, und welch komischen Effekte sie allein mit ihrem Gesicht erzielen kann, mit einem Schmollmund, einem Augenaufreißen, einem ratlosen Augenrollen, ist sensationell. Kemper ist eine große Entdeckung, und sollte „Kimmy Schmidt“ zu dem Erfolg werden, den es verdient, wird sie in acht oder neun Jahren vor dem selben Problem stehen wie Amy Poehler: sie wird mit Kimmy Schmidt verschmolzen sein zu einer der ganz großen weiblichen Comedyfiguren.

„Unbreakable Kimmy Schmidt“ ist, was viele andere Sitcoms nicht sind: hysterically funny. Für einen guten Gag schlägt das Drehbuch da nicht einen Haken, sondern drei, und nach dem dritten läuft es dann einfach mal eine Weile in eine vollkommen unerwartete Richtung und kommt nicht mehr zurück — sondern kippt, nur zum Beispiel, in einen schwarzweißen Musical-Film aus den 30ern über schwule Seemänner.

Das einzig Ärgerliche an „Kimmy Schmidt“ ist, dass es nur 13 Folgen sind, die man auch noch alle auf einmal gucken kann, und nicht, sagen wir, 130, von denen nur eine am Tag kommt. Dann hätte man nämlich viel länger etwas davon. So muss man darauf warten, dass Netflix die zweite Staffel online stellt. Was hoffentlich bald passieren wird, denn „Unbreakable Kimmy Schmidt“ gehört zu den besten, komischsten, genialsten Sitcoms der letzten Jahre.

  1. Marco
    22. März 2015, 11:43 | #1

    Habe auf Netflix die gesamte erste Staffel Kimmy Schmidt AM STÜCK geguckt, weil es so gut ist! Ellie Kemper ist wirklich umwerfendt.

  2. Ralf
    31. März 2015, 17:57 | #2

    Ich habe mich tatsächlich zwingen müssen, nach der ersten Folge noch weiter zu schauen und bin trotzdem nur bis zur dritten gekommen. Das Figurenpersonal besteht hauptsächlich aus öden Stereotypen, die man wirklich schon hundertmal und vor allem besser gesehen hat (die naive Unschuld aus dem Bunker, der lustige schwule Untermieter, die Vermieterin mit Drogenproblemen, Jane Krakowski als laue Variante ihrer Figur in „30 Rock“ usw.).

    Einem Vergleich mit „Parks & Recreation“ hält das leider nicht im Ansatz stand.
    Bei der an und für sich von mir geschätzten Tina Fey scheint seit der 4. Staffel „30 Rock“ bedauerlicherweise die Luft raus zu sein.

  3. Archie Archback
    3. April 2015, 10:51 | #3

    Ich habe mir alle Folgen angeschaut, weil es hieß, die Serie würde besser. Leider war das falsch.
    Die Serie ist kindisch, Humor eines 12jährigen Mädchens. Tina Fey hat sich selbst demontiert.

  4. 3. April 2015, 11:18 | #4

    Scheint sich um eine Marmite-Sitcom zu handeln – man liebt sie oder hasst sie. Ich kann schon verstehen, dass sie starke Abneigungen auslöst, wenn man nicht auf den überdrehten, hochgepitchten Ton steht, der hier durchgehend herrscht. Aber ich persönlich habe nichts gegen den Humor von Zwölfjährigen, wenn es denn Zwölfjährige mit Humor sind.

  5. Jean Baptiste
    4. April 2015, 15:36 | #5

    Irgendwie erleichternd, solche Stimmen zu hören. Ich war sehr besorgt, was mit mir los ist, dass ich einer von vielen kompetenten Stimmen gepriesenen Sitcom überhaupt nichts abgewinnen kann. Mir gings wie Ralf: Die Figuren und Witze fast alle öde Sitcomklischees, da rührt sich bei mir gar nichts. Und wenns dann noch herzerwärmend sein soll, fallen die meisten Sitcoms ja eh total aus. Das haben die zwei Kandidaten aus dem „Erwachsenenfernsehen“, Togetherness und Catastrophe, viel authentischer und wirksamer hingekriegt.

  6. IttoOgami
    13. September 2015, 21:14 | #6

    Ich finde „Unbreakable“ auch eher überschätzt. Ich kann es nicht anders bewerten als „solide“. Eine Show, die von erfahrenen Comedy-Veteranen gemacht ist und dann auch witzige Szenen hat, aber nichts Innovatives in Konstellation und Charakteren. Ich finde es deswegen schade, weil die Grundidee mit der Sekte durchaus viel Potential hatte, aber dann irgendwie sehr klassisch ins Schema „Nanny/Butler + spleenige reiche Familie“ driftet. Da aber auch bei den US-Comedy-Serien große Auswahl ist und ich zumindest „Broad City“, „Silicon Valley“, „Rick and Morty“, „The last man on earth“ und „Review“ bei den neueren Serie vorne sehe, werde ich Unbreakable wohl nicht weiter anschauen.
    Von den genannten möchte ich allen vor allem „Rick and Morty“ nahelegen, die von Dan Harmon mitproduzierte Cartoonserie. Ein bißchen scheint das Cartoon-Format ihm dabei entgegenzukommen, die abgedrehteren Ideen aus „Community“ (man erinnere sich an die „Darkest timeline“) weiter zu entwickeln, und dabei entsteht ein Meisterwerk des intelligenten Humors.

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