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Klassische Comedy

12. Januar 2016 1 Kommentar

Wer hätte gedacht, dass Gael Garcia Bernal komisches Talent hat? Ich nicht. Ich hätte weder „Amores Peros“ gesehen noch „Fidel“, weder „Dot the I“ noch „Science of Sleep“, wenn es nicht auf Betreiben meiner Frau gewesen wäre, und zumindest die Hälfte davon habe ich auch sofort wieder vergessen.

Doch in „Mozart in the Jungle“ (seit 2014, Amazon Video hat die zweite Staffel am 30.12. vergangenen Jahres veröffentlicht) beweist Bernal genau das: ein ziemliches komisches Talent, das bei den Golden Globes eine von zwei Auszeichnungen für die Show eingefahren hat: für seine Darstellung des mexikanischen Dirigenten Rodrigo De Souza, der, ein enfant terrible der klassischen Musik, von der New Yorker Philharmonie bestallt wird. Er soll als neuer maestro frischen Wind in das Orchester bringen, was seinen Vorgänger Thomas Pembridge (Malcolm McDowell) sehr verdrießt.

Eine Comedy, angesiedelt in der klassischen Musikszene, das ist neu, aber erst einmal nicht so verheißungsvoll, als dass nicht schon die Buchvorlage von Blair Tindalls „Sex, Drugs, and Classical Music“ als Untertitel gewählt hätte. Nun geht es zwar nur ganz am Rande um Drogen (der Schlagwerker Dee Dee verkauft/verschenkt gerne Betablocker und andere verschreibungspflichtige „Drogen“), und auch Sex spielt erst einmal keine übergeordnete Rolle.

Dafür kollidieren die Egos der beiden maestros sehr schön, Rodrigos kindlich-überbordendes südamerikanisches Temperament und Pembridges snobistisch-künstlerisches. Und wir, das Publikum, dürfen dabei zusehen durch die Augen von „Hai Lai Ruteledge“ (Rodrigo) bzw. Hailey Rutledge (Lola Kirke), einer jungen Oboistin, deren Talent nicht ganz für das New Yorker Symphonieorchester reicht, aber doch zur Assistentin des maestros. Ihr Werdegang, der eines Außenseiters, der mit frischen Augen den Betrieb der klassischen Musik zum ersten Mal wahrnimmt, ist auch unser Blick auf das Innenleben der  Philharmonic-Symphony Society of New York, Inc..

Die ist knapp bei Kasse, und nicht alle reichen (und schnöseligen) Sponsoren sind sofort in Rodrigo und seine ungewöhnlichen Methoden verliebt; die reichen (und alten) Frauen allerdings weitgehend schon. Da bedarf es schon des Geschicks der Managerin Gloria (Bernadette Peters, die die reale Morning Randolph aus „Episodes“ sein dürfte — jedenfalls hätte ich sie nicht sofort auf 67 geschätzt), größere Revolten der Geldgeber zu verhindern. Auch die Gewerkschaften und ihre Streiks und Vorschriften sorgen für Konflikte. Und nicht zuletzt die äußerst kapriziöse (in Trennung lebende) Ehefrau von Rodrigo, die er als Stargeigerin engagiert, sorgt für einen mittleren Eklat.

Sehr hübsch ist das alles, von einer eigenen Handschrift geprägt, für die Roman Coppola, Jason Schwartzman und Paul Weitz als Produzenten sorgen. Ja, auch der Bruder von Sofia Coppola verwendet, wie schon seine Schwester in dem hübschen Netflix-Weihnachts-Special „A Very Murray Christmas“ (Tipp!), die französische Band Phoenix, hier darf sie die Openings mit einem klassisch eingespielten Schnipsel aus „Lisztomania“ unterlegen. Und ebenfalls wie in „Murray Christmas“ darf auch Jason Schwartzman wieder mitspielen — und tut dies zum (für mich gefühlt) ersten Mal ohne das Ennui, das mir an ihm sonst immer so auf die Nerven geht.

Mögen die Golden Globes auch überschätzt sein und ihre besten Zeiten hinter sich haben: „Mozart in the Jungle“ hat das Bisschen Aufmerksamkeit verdient, das der Serie so zuteil geworden ist.

(Und die Comedy „The Martian“ natürlich auch, ich hab ja tatsächlich selten so gelacht wie in dem Moment, als Mark Watney sein marsianischer Kartoffelacker um die Ohren geflogen ist.)