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Artikel Tagged ‘Extras’

Kleine Einkaufsliste (1)

25. Januar 2009 15 Kommentare

Weil mich die, um es vorsichtig zu formulieren, erstaunlichen Preise von amazon.co.uk gerade nicht ruhen lassen, hier mal eine gaaanz kleine Auswahl von Box-Sets, die mir ins Auge gesprungen sind — natürlich auch, weil ich sie noch nicht habe, von Klassikern wie „Extras“ (zwei Staffeln, ein Special = £20.88), „Green Wing“ (zwei Staffeln, ein Special = £23.98), „The IT Crowd“ (drei Staffeln = £17.98), „Blackadder“ (vier Staffeln, drei Specials = £29.98), „The Fast Show“ (drei Staffeln, dreiteiliges Special = £15.98) und „Spaced“ (zwei Staffeln = £9.98 – WTF?!) soll hier also gar nicht die Rede sein. Sondern von

Shameless (fünf (!) Staffeln = £25.97) Ein Comedy-Drama aus dem armen Norden Englands: Die Familie Gallagher als dysfunktional zu bezeichnen hieße schamlos untertreiben. Alkoholismus, Homosexualität, Berufskriminalität, Armut, Gewalt, Psychodefekte und Sex, Sex, Sex – alle Garanten für leichte Fernsehunterhaltung, wie sie in Deutschland von Privaten wie Öffentlich-Rechtlichen gleichermaßen gefürchtet werden, kommen in so ziemlich jeder Folge vor. Ziemlich erbarmungslos gefilmt, meist mit sehr subjektiver Wackelkamera, immer auf der Seite der Familie, bietet „Shameless“ Einblick in die Welt der Manchesteraner Arbeiterklasse. Wie sie in britischen Comedy-Dramas vorkommt jedenfalls. Paul Abbott, der Creator hinter „Shameless“, behauptet, für die Serie aus seinen Jugenderlebnissen geschöpft zu haben.

Peep Show (fünf (!!) Staffel für £16.98 (!!!)) Die zwei Flatmates Mark und Jeremy (David Mitchell, Robert Webb) könnten unterschiedlicher nicht sein: Der eine ein finanziell erfolgreicher, aber pessimistischer und konservativer Twentysomething, der andere ein erfolgloser, aber optimistischer Altersgenosse, der sich für einen noch zu entdeckenden Rockstar hält, dabei aber ein bißchen zu sehr von sich überzeugt ist. Der Clou dieser Serie ist ihre Form: Erzählt wird immer abwechselnd aus der Ich-Perspektive Marks und Jeremys, so daß der je andere direkt in die Kamera guckt und der Zuschauer die meist entlarvenden Gedanken des aktuellen Ich als Offside-Kommentar hört. Sehr lustig, sehr erfolgreich — Mitchell und Webb haben noch etliche andere Eisen im Feuer, von denen noch zu berichten sein wird.

Some Mother Do ‚Ave ‚Em (drei Staffeln, drei Specials = £17.98) Bei uns völlig unbekannt, in England prägend für die Generation, die Mitte der 70er vor dem Fernseher groß wurde: Frank Spencer (Michael Crawford) und seine irren Abenteuer. Diese extrem physische Comedy besticht vor allem durch ihre spektakulären (und spektakulär komischen) Stunts: Da wird am laufenden Band aus dem Fenster gesprungen und über Klippen gefahren, versagt Frank bei neuen Jobs und führen kleine Reparaturen im Haus zu riesigem Chaos und Nervenzusammenbrüchen bei allen, die mit Frank auch nur entfernt in Berührung kommen. Ein Spaß für die ganze Familie. Oooh, Betty!

The Mighty Boosh (drei Staffeln für £25.98) habe ich erst kürzlich vorgestellt. Wer’s immer noch nicht hat: Grüner wird’s nicht.

Extra gut

1. November 2005 2 Kommentare

Einen Komparsen, der sich für einen Schauspieler hält, spielt Ricky Gervais in seiner zweiten Sitcom seit „The Office“, und damit nach David Brent eine weitere Figur, die sich grandios überschätzt: Andy Millman, Statist mit Ambitionen und einem untalentierten Agenten, treibt sich pro „Extras“-Folge auf dem Set je eines Films herum und trifft dabei auf einen je neuen (und echten) Star: Auf Ben Stiller etwa, der in der ersten Folge Regie bei einem Kriegsfilm über den Kosovokrieg führt, auf Kate Winslet als Nonne im zweiten Weltkrieg, und auf Patric Stewart in einer u.U. Shakespeare-Verfilmung. Dabei schafft es Gervais, ebenso peinliche Situationen zu entspinnen wie in „The Office“. Um seine Chancen bei einer gläubigen Frau zu erhöhen, improvisiert der atheistische Andy einen Katholiken, hat aber nicht die geringste Ahnung von Sitten und Gebräuchen und redet sich infolge einmal mehr um Kopf und Kragen: „Catholics, yeah, I’m definitely one of us… Catholic, the c word, right? – Not the c word [i.e. cunt; Fotze], a c word.“ Zur Seite steht ihm dabei jederzeit seine Kollegin Maggie Jacbos (Ashley Jensen), die Millman in nichts nachsteht: Sie spricht Samuel L. Jackson ein Kompliment für seinen Auftritt in „The Matrix“ aus, aber das war natürlich Laurence Fishburn. Einsatz Andy: „Es ist aber nicht so, daß sie denkt, ihr seht alle gleich aus – falls Sie das jetzt gerade gedacht haben.“ Seine Freundin sei nämlich keine Rassistin, was man schon daran sehen könne, daß sie mit einem Schwarzen zu schlafen versucht habe. Der stünde direkt neben ihm, Jackson. „’Pulp Fiction’!“ ruft er schließlich dem wortlos weggehenden Jackson nach.

Drei Jahre sind seit dem Überraschungserfolg „The Office“ vergangen, der Gervais zum Star gemacht hat. Seine erste Sitcom, die die BBC überhaupt nur in Auftrag gegeben hat, weil sie außerordentlich kostengünstig zu drehen war, hat die Latte hoch gehängt, und Gervais war gut beraten, alle Fernseh-Angebote auszuschlagen, die ihn als Figur für den Bildschirm verbraucht hätten: Er hat sich auf die Produktion einer amerikanischen „The Office“-Adaption, Live-Auftritte und Kinderbücher über merkwürdige Monster („Flanimals“) beschränkt. Der Erfolg in den USA ermöglicht ihm nun ein Staraufgebot, das Gervais klug einsetzt: Nämlich in weiten Teilen als Stichwortgeber und eher ernste Parts, die Gervais und Jensen als Reibungsfläche dienen. Als glänzend komische Auftritte allerdings bleiben die von Ben Stiller und, erstaunlicherweise, Kate Winslet in Erinnerung; ersterer demütigt als Kriegsfilmregisseur vorbildlich den Autor der Kriegsfilm-Drehbuchvorlage, dessen Frau im Kosovokrieg ermordet wurde, und blafft ihn schließlich vor versammelter Mannschaft an: Ob das sein, des Autoren, Film wäre oder seiner, Stillers – und er, der Autor, solle endlich aufhören, dauernd wegen seiner beschissenen toten Frau rumzuheulen!

Daß „Extras“ hinter dem Maßstäbe setzenden „The Office“ zurückbleiben muß, beschädigt die Serie dabei nur wenig: Gervais’ Prinzip der Pointenvermeidung ist nicht mehr neu, ebenso wenig die Gebrochenheit der Figuren, deren Bemühen um Antirassismus, weibliche Emanzipation, Toleranz gegen Behinderte und Schwule sie stets in die größten Verlegenheiten bringt. Man kennt das Prinzip. Doch es kommt bekanntlich weniger darauf an, daß ein Witz neu ist, als daß er gut erzählt wird. Sieht man von der Schematisierung einmal ab, die sich hin und wieder bemerkbar macht, ist „Extras“ eine solide Sitcom, die zu recht fortgesetzt werden wird. Die erste Staffel ist im Sommer in Großbritannien gelaufen, erscheint am 31. Oktober auf DVD und kann dann per Import auch hier bezogen werden.

(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 11/2005)