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Artikel Tagged ‘Vince Gilligan’

’s all really good, man!

11. März 2015 1 Kommentar

Mehr als die Hälfte der ersten Staffel „Better Call Saul“ (AMC) ist nun schon durch, und hätte es noch einer Episode bedurft um zu belegen, wie großartig diese Serie ist, wäre es die letzte, sechste Folge gewesen.

Denn in „Five-O“ (dem amerikanischen Slangbegriff für Polizei, der angeblich auf „Hawaii Five-O“ zurückgeht) stand zum ersten Mal nicht Saul Goodman (Bob Odenkirk) im Mittelpunkt, sondern Mike Ehrmantraut (Jonathan Banks), und auch die Tonalität der Show, bis dahin mal mehr, mal weniger komisch, war zum ersten Mal deutlich dramatisch-düster, ging es doch nicht um die lustigen Abenteuer des noch jungen Rechtsanwalts James „Jimmy“ McGill, sondern um die rabenschwarze Backstory des ehemaligen Polizisten Mike.

Damit aber, dass sie es geschafft haben, diese plötzliche Ernsthaftigkeit, diese Dunkelheit, in eine ansonsten eher bunte Show zu integrieren, haben Vince Gilligan und Peter Gould das Fundament für ein viel größeres Haus gelegt, als ich zunächst vermutet hätte, und für eine Show, an die vermutlich schon bald niemand mehr als das Spinoff einer anderen denken wird.

Denn nun, nach einigen Folgen, die sehr gemächlich die Entwicklung des unbedarften Con-Artists McGill hin zum windigen Anwalt von Großkriminellen angedeutet haben, so gemächlich, dass man nach den ersten beiden Folgen noch gar keine Ahnung hatte, wo die Fahrt hingehen soll, nun, nach der Hälfte der ersten Staffel, zeichnet sich langsam ab, dass es genau diese Langsamkeit, mit der die Serie (wie auch schon „Breaking Bad“) Fahrt aufnimmt, ihr eben ein viel größeres Momentum verschafft, als es schnell erzählte, in sich geschlossene Episoden je könnten. Mit diesem Momentum, mit der erzählerischen Wucht, die „BCS“ erreicht, gewinnt die Serie erst einen völlig eigenen Charakter und damit Größe.

Natürlich gleicht „BCS“ dabei „Breaking Bad“ durchaus, wenn man sie doch noch einmal vergleichen möchte: darin nämlich, dass die Show sich ebenso viel (wo nicht mehr) Zeit nimmt, uns ihre Hauptfiguren vorzustellen. Und das aus dem gleichen Grund, wie „BB“ es getan hat: weil die Veränderung der Figuren gezeigt werden soll, weil die Charaktere sich stark entwickeln (Mike allerdings weniger als Jimmy). Sehr literarisch, fast wie in einem Roman breitet „BCS“ den Plot der Serie sehr langsam aus und gibt wichtige Informationen erst ganz allmählich preis, wo old school-Fernsehserien möglichst schnell erklärt hätten, warum welche Figur wo steht, wenn die Handlung beginnt.

Anders als bei „BB“ aber: Eine eigentliche Handlung, eine die Staffel überspannende Erzählung, gibt es (zumindest bislang) nicht (außer ich hätte etwas verpasst), genauso wenig wie die einzelnen Episoden klassische in sich abgeschlossene Handlungen hätten; oft ist es eher ein motivisches Erzählen à la „Mad Men“, Anekdoten, die Charakterzüge illustrieren oder Beziehungen zwischen den Charakteren.

Insofern entzieht sich „BCS“, und auch das macht einen Teil des Reizes dieser Serie aus, auch immer noch einer Beurteilung: Es könnte nämlich in jeder nächsten Folge wieder etwas ganz unerwartet anderes passieren, als man denkt, das womöglich alles in Frage stellt, was man bislang gesehen hat. Genau dadurch wird die Serie auch spannend, obwohl sie auf klassisch spannungserzeugende Cliffhanger und ähnliche Mätzchen völlig verzichtet.

Mein Tipp wäre, dass erst zum Ende der Staffel, vielleicht erst in den letzten beiden Folgen, klar wird, in welche übergeordnete Geschichte Jimmy und Mike verwickelt werden, die dann aber die nächste Staffel bestimmt. Ziemlich sicher wird es genau dann auch klassisch spannend, und ich wette auf einen Cliffhanger am Ende der letzten Folge dieser Staffel, der für Diskussionen und Spekulationen sorgen wird, bis die nächste Staffel beginnt.

Bis dahin ist es aber auf jeden Fall schon mal die beste Serie, die man sich von Gilligan und Gould nach „Breaking Bad“ hätte wünschen können.

„Breaking Bad“: Starkes Finale, nächste Staffel sicher

15. Juni 2010 5 Kommentare

Es war die zuschauerstärkste Staffel für „Breaking Bad“: 1, 5 Millionen wollten im Schnitt jede Episode der dritten Staffel sehen, die Sonntag zuende gegangen ist. Mit einem starken Cliffhanger, der abermals ein neues Licht (bzw. genaugenommen einen neuen Schatten) auf die Haupt-Charaktere Walter und Jesse wirft.

Ich möchte gar nicht allzu viel verraten. Statt dessen verweise ich auf ein schönes Interview mit dem Creator Vince Gilligan (Achtung, Spoiler! Besser erst nach der letzten Folge lesen), der dem „Hollywood Reporter“ einige Geheimnisse hinter der besten Serie dieser Tage verrät — unter anderem, daß die Show deshalb einen so unvorhersehbaren, aber nicht unglaubwürdigen Verlauf genommen hat, weil sie tatsächlich von Folge zu Folge gestrickt wird. Daß die Autoren versuchen, die Handlung aus den Charakteren abzuleiten, die Struktur der vier Akte pro Folge (statt gewöhnlich drei) sowie die sehr visuelle Erzählweise aus Gilligans Erfahrung als „Akte X“-Autor stammen und daß es mit einer Serie wie mit einer Achterbahn ist: Es kann nicht immer rasant abwärts gehen — um echten Nervenkitzel hervorzurufen, braucht es auch lange, ruhige Aufbauarbeit, die die Schußfahrt vorbereitet.

AMC hat eine vierte Staffel angekündigt, einige Emmy-Nominierungen werden für den 8. Juli erwartet. Bryan Cranston hat bereits zwei Emmys in Folge für seine Rolle als Walter White erhalten, auch Aaron „Jesse“ Paul und die Serie selbst sind schon mehrfach nominiert worden.

UPDATE Gerade lese ich: In Deutschland wird „Breaking Bad“ wohl ab diesem Herbst auf Arte zu sehen sein. Die deutsche Synchronisation gibt es ja bereits (auch die beiden ersten Staffeln sind schon synchronisiert auf DVD erhältlich), und sie ist sogar ganz okay.

Blick in die USA: „Breaking Bad“ – die Chemie stimmt

17. April 2009 3 Kommentare

Aus strahlend blauem Himmel segelt eine beige Herrenhose und bleibt auf einem Feldweg mitten in der Wüste liegen; ein dinosauriergroßes Wohnmobil rast darüber weg. Im Wohnmobil liegen zwei leblose Menschen, allerhand Laborgerät purzelt durcheinander, bis der Mann am Steuer, nur mit Unterhose und Gasmaske bekleidet, die Kontrolle verliert und den Wagen in den Graben fährt. Er springt aus dem Gefährt, in welchem er seinen bewußtlosen und ebenfalls mit Gasmaske angetanen Beifahrer zurückläßt, streift sich wenigstens ein Hemd über, holt eine großkalibrige Pistole aus dem Wohnmobil und stellt sich, nachdem er letzte Worte an seine Familie in eine Videokamera gesprochen hat, mit der Waffe im Anschlag dem lauter werdenden Sirenengeheul auf der Straße entgegen.

Das ist die erste Szene von „Breaking Bad“ (AMC 2008 – ), und wenn ich diese Serie für nur einen ihrer zahlreichen brillanten Drehs loben müßte, dann dafür, daß sie den Einfall hatte, den Cliffhanger vieler Episoden je an den Anfang der Folge zu stellen: Denn nach dieser furiosen Eröffnung wird erst einmal erklärt, wie der fünfzigjährige Chemielehrer Walter White, der Mann in der Unterhose, an diesen Punkt seines Lebens kam. Dazu braucht „Breaking Bad“ nicht einmal die ganze erste Folge —  schon nach einer guten dreiviertel Stunde sind wir wieder im staubigen Hinterland New Mexicos und fragen uns, was da jetzt wohl kommen mag: Wenn schon in der ersten Folge die Dr. Jekyll/Mr. Hyde-Transformation eines biederen amerikanischen Untere-Mittelschichtsbürgers in einen höchst kriminellen Crystal-Meth-Koch eingetreten ist, die Verwandlung eines Biedermannes in eine loose cannon?

Da kommt noch einiges. Und wenn ich nicht sehr irre, hat „Breaking Bad“ das Zeug dazu, die nächsten „Sopranos“ zu werden. Die Vorstadtdealergeschichten von „Weeds“ jedenfalls (der naheliegendste Vergleich) läßt es sehr schnell hinter sich; und „Weeds“ war gut (na, die ersten zwei Staffeln jedenfalls). Daß „Breaking Bad“ noch besser ist, liegt zum einen an dem ausgezeichneten Bryan Cranston, der den Vater in „Malcolm in The Middle“ gespielt hat und hier zu oscarreifer Form aufläuft. Es liegt selbstverständlich aber auch an dem Creator Vince Gilligan, der schon für die „X-Files“ geschrieben hat und hier ein düsteres ComedyDrama aufmacht. Die Betonung liegt hier auf Drama (in der ersten Epsiode ist kein lauter Lacher), dessen filmische Umsetzung aber ist oft die einer Komödie: Humor als comic relief für allzu gewalttätige, krasse Momente, an denen „Breaking Bad“ nicht arm ist. Und die starke Identifikation mit Walter, der im harten Drogengeschäft ein fish out of water par excellence ist und mit seinem viel jüngereren Compagnon eine Neuinterpretation des odd couple darstellt, sorgt für so viel kriminelle Sympathie, daß man ihm auch zutiefst unmoralische Taten ohne weiteres verzeiht. Nicht zuletzt die tolle Kamera- und Regiearbeit mit vielen Zeitraffer-Sequenzen und hübschen visuellen Einfällen bspw. zur Umsetzung von Drogenräuschen (ich mußte öfter mal an die Crystal Meth-Komödie „Spun“ denken), das gute Ensemble (etwa der unter Kinderlähmung leidende RJ Mitte als Walter White jr.) und der erkennbare Wille zu einem Realismus was die Gefährlichkeit, aber auch die Anziehungskraft von Methamphetaminen ausmacht, heben „Breaking Bad“ weit über das Gros amerikanischer TV-Serien.

Bevor ich ins Detail gehe und Spoiler folgen lasse, noch ein paar Informationen für alle, denen diese Beschreibung schon reicht, um einige der besten Serienabende des Jahres beim Onlinehändler ihres Vertrauens in Auftrag zu geben: Es gibt eine deutsche DVD-Ausgabe, denn „Breaking Bad“ ist bis vor kurzem auf dem PayTV-Sender AXN gelaufen, und die Synchronisation scheint (ausgerechnet bis auf die Stimme der Hauptfigur) auch okay zu sein; die erste Staffel hatte wegen des Autorenstreiks nur sieben Folgen statt geplanter neun; die zweite Staffel läuft in den USA gerade und eine dritte ist schon in Auftrag.

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