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Archiv für Oktober, 2005

Pastewka ist nicht Larry David

1. Oktober 2005 2 Kommentare

Gleich zwei deutsche Sitcoms aus dem Hause Sat.1-Pro7 bedienen sich dieser Tage wieder einmal bei großen amerikanischen und britischen Vorbildern: „Pastewka“ (Sat.1) bei „Curb Your Enthusiasm“ (HBO), “Stromberg” (Pro7) in der zweiten Staffel bei “The Office” (BBC). Beide wurden vom deutschen Feuilleton mit Lobeshymnen bedacht – obwohl sie kaum auf weniger wackligen Beinen stehen als andere deutsche Comedyserien auch.

Grundlage einer guten Sitcom sind glaubwürdige Figuren. Eine Sitcom, die so tut, als dokumentiere ein Fernsehteam den Alltag in einem deutschen Büro, darf schlicht und ergreifend keinen gesichtsbekannten Schauspieler besetzen, weil damit der erste und grundlegende Trick verraten ist: Daß man nämlich eben keine Dokumentation des Lebens in einem deutschen Büro sieht, sondern eine Sitcom mit Christoph Maria Herbst in der Hauptrolle.

Bastian Pastewka hat es da auf den ersten Blick leichter: Er spielt sich selbst, einen Comedian namens Bastian Pastewka, der den Fährnissen des Alltags auf mißgelaunte bis menschenfeindliche Weise begegnet. “Pastewka” soll dabei “noch nicht Comedy und nicht mehr Dokumentation” (Pastewka) sein – und das stimmt leider auch. Vor allem Comedy ist kaum auszumachen.

Denn an namens Bastian Pastewka, der den Fährso wenig Christoph Maria Herbst je Vorstand eines Versicherungsbüros war, so wenig ist Bastian Pastewka Larry David. Der war im richtigen Leben Coproduzent von “Seinfeld” und hat mit diesem, seinem einzigen beruflichen Erfolg, unanständig viel Geld verdient. In “Curb Your Enthusiasm” spielt er Larry David, der mit “Seinfeld” unanständig viel Geld verdient hat und nun über genügend Tagesfreizeit verfügt, vielen Menschen auf die Nerven zu gehen. Es macht Spaß, ihm dabei zuzusehen, wie er aus nichtigen Anlässen mit reichen und/oder einflußreichen Menschen Streit vom Zaun bricht, sich in sophistischen Argumentationen verheddert, obwohl er oft im Grunde recht hat, und überhaupt ein Stinkstiefel erster Kategorie ist, der für seine Misanthropie regelmäßig bezahlen muß, es sich aber qua Bankkonto auch leisten kann. Er, ein reicher, jüdischer Fernsehproduzent in Hollywood, verfügt von Anfang an über eine natürliche Fallhöhe.

Eine solche Fallhöhe fehlt dem durch und durch bürgerlich dargestellten Pastewka völlig. Der klaut in der ersten Folge seiner Wohnungsnachbarin die Zeitung, woraufhin sie ihm die elektrischen Sicherungen rausdreht. Ganz schön gewagt. Was wird wohl als nächstes passieren?

Wo bei “Curb” Erzählstränge von unterschiedlicher Peinlichkeit am Schluß in Katastrophen ersten Ranges kulminieren, gibt es bei “Pastewka” nicht zu Ende erzählte Gags, in kleinen Portionen einzeln abgepackt. Wo bei “Curb” mehr oder weniger improvisiert wird, um einen authentisch dokumentarischen Look zu erzeugen, wird bei “Pastewka” streng nach handgeschnitztem Drehbuch vorgetragen. Kommen dann noch Plots a lá “nach einem Fahrradunfall ergeben sich chaotische Verwicklungen”, hölzerne Darsteller und die übliche komisch gemeinte Hysterie des “Fun Freitag” auf Sat.1 dazu (allein dieses Wort, “Fun Freitag”!), dann ergibt sich eine Sitcom von der Leichtigkeit eines verregneten Winternachmittags in Berlin Marzahn. Der mir u.U. sogar noch lieber wäre als weitere Folgen “Pastewka”.

 

(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 10/2005)