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Artikel Tagged ‘Stromberg’

Zaghafter Größenwahn

23. März 2009 5 Kommentare

„Der kleine Mann“ (ab Dienstag, 22.45 Uhr, Pro7) kann sich nicht zwischen Avantgarde und Mainstream entscheiden. Und zeigt mal wieder, daß bei deutschen Sitcoms noch viel Luft nach oben ist.

„Man muß nicht studiert haben, um ,Der kleine Mann‘ lustig zu finden“, läßt sich Ralf Husmann, Autor und Produzent des „Kleinen Manns“, in der Pressemitteilung zu seiner neuen Serie zitieren. Wem nichts Gutes bei diesem Satz schwant, liegt richtig — bei welchen Comedyformaten muß man schon studiert haben, um sie lustig zu finden?

Rüdiger Bunz (Bjarne Mädel, der Ernie aus „Stromberg“) hat sicher nicht studiert. Er arbeitet in einem kleinen inhabergeführten Elektroladen, repariert netten Omis schon mal gratis den Staubsauger, ist Mitte dreißig und seit zehn Jahren verheiratet: „Hält schon länger als das Dritte Reich. Und ist meistens auch lustiger.“ Bunz ist „ein Mann wie ein Opel Corsa“, er ist der titelgebende „kleine Mann“: eine gleichzeitig kleinbürgerliche und überlebensgroße Existenz aus einem Paralleluniversum der guten Nachbarschaft und herzigen Naivität. Eines Tages erlangt er durch TV-Werbespots für einen Schnaps namens „Der kleine Mann“ eine gewisse Prominenz und wird in der Folge in eine halbglamouröse Welt von Fernsehstars und Werbemillionen gezogen, in der er sich deplatziert fühlt und mit der er nichts zu tun haben will. Zunächst.

Dann will er aber doch, die Macht der Verführung ist einfach stärker. Also fällt er auf falsche Freunde herein wie den koksenden Starkoch, der mit ihm ein „Kleiner Mann-Kochbuch“ machen möchte („Wer weiß schon noch, wie man ein Käsebrot macht?“), und trifft Prominente wie Sarah Wiener, die sich mit angenehmer Ironie selbst spielen. Darüber vergißt Bunz schließlich seine Frau, seine wahren Freunde, seine Herkunft — mit den entsprechenden Konsequenzen.

Für deutsche Sitcomverhältnisse ist das ein ambitioniertes Setting und meilenweit entfernt vom Unfug der meisten Plots der Marke „Alles Atze“, wo Atze schon mal seinen Kiosk zu einer Kindertagesstätte erweitert, was alle Mütter in der Nachbarschaft in Begeisterungsstürme ob dieser „Idee“ ausbrechen läßt. Husmann bemüht sich redlich, eine Story zu erzählen, die in Zeiten, wo Hartz-IV-Empfänger mit Mundharmonikaspielen über Nacht berühmt werden können, durchaus glaubwürdig erscheint. Er schafft Fallhöhe auf eine Weise, wie man es noch nicht zigfach gesehen hat.

Doch es bleibt ein schaler Nachgeschmack. Denn den Mut, seinen Protagonisten seiner Fallhöhe entsprechend auch mal hart aufschlagen zu lassen, hat „Der kleine Mann“ dann wiederum nicht. Bunz Größenwahn bleibt immer zaghaft, meist ist er sogar so weit Herr der Lage, daß er seine Situation aus dem Off reflektieren kann: „ne Flachzange wird durchs Fernsehen jetzt nicht plötzlich n Hammer, das stimmt schon“, sagt er an einer Stelle, oder: „Es muß nicht jeder im Fernsehen sein. Davor bin ich auch viel besser aufgehoben.“

Hier wollte jemand die Quadratur des Kreises: eine Synthese aus positivem und negativem Helden, damit der kleine Mann bloß nicht zu unsympathisch erscheint. Um Himmels willen kein Arschloch, das man einfach mal auslachen könnte, wenn es verdientermaßen auf die Fresse fiele. Sondern lieber eine Identifikationsfigur, einen Normalo, einen Heinz Rühmann der Post-„Stromberg“-Ära. Nun konnte Rühmann wenigstens schauspielen; ein Talent, mit dem Mädel leider nicht gesegnet ist.

Husmann geht mit diesem Mittelding aus Unsympath und nettem Kerl einen Schritt zurück hinter die von ihm geschriebene Sitcom „Stromberg“, wo die Hauptfigur ein gefühlloses Ekel sein durfte, das man zuvor selten in dieser Lupenreinheit gesehen hatte. Das war streckenweise komisch und am deutschen Durchschnitt gemessen weit vorne — hatte aber statt guter Quoten stets nur wenige hartnäckige Fans, die sich via Zeitungsfeuilleton mit ihrer Meinung Gehör verschafften, „Stromberg“ sei nun endlich mal gutes deutsches Oberschichtenfernsehen. Vor diesem Hintergrund leuchtet auch Husmanns Satz ein, man müsse nicht studiert haben, um den „Kleinen Mann“ lustig zu finden: Dies mal müssen nun aber bitte schön wirklich alle mit.

Leider aber ist der Spagat zwischen Mainstream und Avantgarde etwas zu gewagt, und wie das so ist mit verunglückten Spagaten: Sie können ganz schön wehtun.

Zuerst, äh, in der Zukunft erschienen in der taz vom 24. März. Eine zweite Meinung zum Thema gibt es in der Frankfurter Rundschau.

Hilfe! Herbst!

„Hilfe! Hochzeit! – Die schlimmste Woche meines Lebens“ ist, das sei konzediert, über einige Strecken komisch geraten. Offenbar haben die Verantwortlichen bei Brainpool aus „Pastewka“ und „Stromberg“ gelernt, denn sie haben sich bei der dritten Adaption aus dem Angelsächsischen eng an das Original gehalten: „Hilfe! Hochzeit!“ kopiert „The Worst Week Of My Life“ (TITANIC 1/2006) so genau, daß es die Humorfarbe der Vorlage über weite Strecken gut trifft. Dramatik und Drehbuch sind annähernd identisch und wären auch kaum zu verbessern gewesen: Die BBC-Serie ist ein Meisterwerk der Burleske mit reichlich Gewalt gegen Autos, Omas und kleine Hunde und kommt so dem deutschen Hang zum Derbkomischen schon weit entgegen. Sie erzählt in sieben Folgen von der Woche, die vor der Hochzeit Joachim Wittes (Ch.M. Herbst) mit Anna von Schanz (Ulrike Tscharre) liegt und in der alles schief geht, was nur schief gehen kann: Witte, eigentlich ein harmlos-freundlicher Bankangestellter, verscherzt es sich unter anderem mit der aristokratischen Familie seiner Braut, wird von einer liebestollen Kollegin verfolgt und befördert seinen Trauzeugen ins Koma.

Daß die Übertragung aus dem Englischen so exakt ist, zieht nun einige Unstimmigkeiten nach sich: zwischen einem königlich-britischen und einem beamtisch-deutschen Richter liegen Welten, und hausgemachtes deutsches Lammgulasch steht nicht automatisch im Verdacht, völlig ungenießbar zu sein. Doch das verzeiht man in Hinblick auf die komischen Verstrickungen, die sonst nicht zu erhalten gewesen wären. Unverzeihlich dagegen, daß die Produktion ausgerechnet bei den Nebendarstellern gespart hat: Das größte Schauspieltalent in der zweiten Reihe hat mit Sicherheit der Hund. Weder Wittes Sekretärin ist glaubwürdig, noch seine unglücklich in ihn verliebte Bankkollegin; und selbst Uwe Friedrichsen, Vater der Braut und mächtigster Widersacher Wittes, bleibt blaß und konturlos, sein Schweigen ist nicht drohend und unheilschwanger, sondern immer nur Stummheit und Absens.

Das liegt aber vielleicht auch am größten Schwachpunkt der Serie: Christoph Maria Herbst. Der Schauspielerdarsteller Herbst spielt die Figur Wittes, wie er jede Figur spielt, nämlich als Clown. Um ihn ist das ganze Ensemble und das Set herumgestellt, doch er geht nie darin auf, weil er immer ironische Distanz wahrt. Selbst unter dem Bett seiner Schwiegereltern in spe versteckt, die gerade intim werden, spielt er nicht die schrecklich-komische Verzweiflung, mit der man als Zuschauer mitfühlen könnte, sondern grimassiert in die Kamera und bleibt so im Grunde doch noch Herr der Situation: Ganz schön peinlicher Moment, wie? Zwinker, zwinker!

Es ist ja nur das eine, daß deutsche Fernsehzuschauer bei komischen Produktionen gerne schon vorher wissen möchten, worüber sie gleich lachen werden, und die Produktionen dementsprechend auch beim Casting auf Wiedererkennbarkeit setzen. Das andere ist, daß Christoph Maria Herbst gar kein so besonders guter Schauspieler ist.

(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 5/2007)

Pastewka ist nicht Larry David

1. Oktober 2005 2 Kommentare

Gleich zwei deutsche Sitcoms aus dem Hause Sat.1-Pro7 bedienen sich dieser Tage wieder einmal bei großen amerikanischen und britischen Vorbildern: „Pastewka“ (Sat.1) bei „Curb Your Enthusiasm“ (HBO), “Stromberg” (Pro7) in der zweiten Staffel bei “The Office” (BBC). Beide wurden vom deutschen Feuilleton mit Lobeshymnen bedacht – obwohl sie kaum auf weniger wackligen Beinen stehen als andere deutsche Comedyserien auch.

Grundlage einer guten Sitcom sind glaubwürdige Figuren. Eine Sitcom, die so tut, als dokumentiere ein Fernsehteam den Alltag in einem deutschen Büro, darf schlicht und ergreifend keinen gesichtsbekannten Schauspieler besetzen, weil damit der erste und grundlegende Trick verraten ist: Daß man nämlich eben keine Dokumentation des Lebens in einem deutschen Büro sieht, sondern eine Sitcom mit Christoph Maria Herbst in der Hauptrolle.

Bastian Pastewka hat es da auf den ersten Blick leichter: Er spielt sich selbst, einen Comedian namens Bastian Pastewka, der den Fährnissen des Alltags auf mißgelaunte bis menschenfeindliche Weise begegnet. “Pastewka” soll dabei “noch nicht Comedy und nicht mehr Dokumentation” (Pastewka) sein – und das stimmt leider auch. Vor allem Comedy ist kaum auszumachen.

Denn an namens Bastian Pastewka, der den Fährso wenig Christoph Maria Herbst je Vorstand eines Versicherungsbüros war, so wenig ist Bastian Pastewka Larry David. Der war im richtigen Leben Coproduzent von “Seinfeld” und hat mit diesem, seinem einzigen beruflichen Erfolg, unanständig viel Geld verdient. In “Curb Your Enthusiasm” spielt er Larry David, der mit “Seinfeld” unanständig viel Geld verdient hat und nun über genügend Tagesfreizeit verfügt, vielen Menschen auf die Nerven zu gehen. Es macht Spaß, ihm dabei zuzusehen, wie er aus nichtigen Anlässen mit reichen und/oder einflußreichen Menschen Streit vom Zaun bricht, sich in sophistischen Argumentationen verheddert, obwohl er oft im Grunde recht hat, und überhaupt ein Stinkstiefel erster Kategorie ist, der für seine Misanthropie regelmäßig bezahlen muß, es sich aber qua Bankkonto auch leisten kann. Er, ein reicher, jüdischer Fernsehproduzent in Hollywood, verfügt von Anfang an über eine natürliche Fallhöhe.

Eine solche Fallhöhe fehlt dem durch und durch bürgerlich dargestellten Pastewka völlig. Der klaut in der ersten Folge seiner Wohnungsnachbarin die Zeitung, woraufhin sie ihm die elektrischen Sicherungen rausdreht. Ganz schön gewagt. Was wird wohl als nächstes passieren?

Wo bei “Curb” Erzählstränge von unterschiedlicher Peinlichkeit am Schluß in Katastrophen ersten Ranges kulminieren, gibt es bei “Pastewka” nicht zu Ende erzählte Gags, in kleinen Portionen einzeln abgepackt. Wo bei “Curb” mehr oder weniger improvisiert wird, um einen authentisch dokumentarischen Look zu erzeugen, wird bei “Pastewka” streng nach handgeschnitztem Drehbuch vorgetragen. Kommen dann noch Plots a lá “nach einem Fahrradunfall ergeben sich chaotische Verwicklungen”, hölzerne Darsteller und die übliche komisch gemeinte Hysterie des “Fun Freitag” auf Sat.1 dazu (allein dieses Wort, “Fun Freitag”!), dann ergibt sich eine Sitcom von der Leichtigkeit eines verregneten Winternachmittags in Berlin Marzahn. Der mir u.U. sogar noch lieber wäre als weitere Folgen “Pastewka”.

 

(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 10/2005)