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Artikel Tagged ‘Pastewka’

Wie ein Ei dem anderen

31. Oktober 2009 11 Kommentare

Gestern begannen auf Sat.1 die neuen Staffeln „Ladykracher“ und „Pastewka“, nach Pocher lief dann noch „Zack! Comedy nach Maß“, und so wenig ich auf die Inhalte im Einzelnen eingehen möchte, weil ich das alles auch nicht sehr aufmerksam und nicht ausschließlich geguckt habe, umso mehr fiel mir, vermutlich eben deshalb, die beeindruckende Gleichförmigkeit all dieser Shows auf: Wie verwechselbar das alles inszeniert ist! Wie immer alles gleich ausgeleuchtet, gleich ausgestattet, gleich geschnitten ist — als gäbe es genau einen Regisseur, einen Ausstatter, einen Produzenten, der Wert darauf legt, daß alle seine Shows identisch aussehen.

In „Star Stories“ fachsimpeln U2 darüber, daß das Alleinstellungsmerkmal von Bono seine Sonnenbrille und das von The Edge seine Mütze sei, während das Markenzeichen der anderen zwei sei, daß sie eben kein Markenzeichen hätten. Genau diese Idee scheinen auch die Sat.1-Comedyserien zu verfolgen: Ihr Unique Selling Proposition ist es, keine zu haben. Klappt prima.

Nicht so ganz verstehe ich, daß sich neben Brainpool (von denen zwei der erwähnten Shows stammen) nicht irgendwann einmal eine kleine Produktionsfirma etablieren kann (wie in England sagenwirmal Baby Cow), die ein anderes Look and Feel entwickelt für ihre Shows: Dunkler (gerne auch im Wortsinn), dreckiger, in einem halbwegs überzeugenden Mockumentary-Stil gedreht (warum hält sich nicht einmal „Pastewka“ an dieses Format, als das es doch angelegt ist?), oder psychedelisch, mit irgendwelchen Regie-Ideen, die man nicht schon millionenmal gesehen hat? Es gibt doch hunderte von Möglichkeiten, Serien etwas Unverwechselbares, Eigenes zu geben; nennen wir es der Einfachheit halber Charakter. Anschließend könnte man ja sogar wieder zurück zu klassischen Formen kommen, die dann genau so wirken könnten, nämlich klassisch. Heute wirken sie nur wie Einheitsbrei, möglichst leicht verdaulich heruntergekurbelte Dutzendware, die dadurch leider schon seicht aussieht, bevor noch irgendwelche Drehbuch-Inhalte Wirkung entfalten könnten. Wenn es denn welche gäbe.

Hilfe! Herbst!

„Hilfe! Hochzeit! – Die schlimmste Woche meines Lebens“ ist, das sei konzediert, über einige Strecken komisch geraten. Offenbar haben die Verantwortlichen bei Brainpool aus „Pastewka“ und „Stromberg“ gelernt, denn sie haben sich bei der dritten Adaption aus dem Angelsächsischen eng an das Original gehalten: „Hilfe! Hochzeit!“ kopiert „The Worst Week Of My Life“ (TITANIC 1/2006) so genau, daß es die Humorfarbe der Vorlage über weite Strecken gut trifft. Dramatik und Drehbuch sind annähernd identisch und wären auch kaum zu verbessern gewesen: Die BBC-Serie ist ein Meisterwerk der Burleske mit reichlich Gewalt gegen Autos, Omas und kleine Hunde und kommt so dem deutschen Hang zum Derbkomischen schon weit entgegen. Sie erzählt in sieben Folgen von der Woche, die vor der Hochzeit Joachim Wittes (Ch.M. Herbst) mit Anna von Schanz (Ulrike Tscharre) liegt und in der alles schief geht, was nur schief gehen kann: Witte, eigentlich ein harmlos-freundlicher Bankangestellter, verscherzt es sich unter anderem mit der aristokratischen Familie seiner Braut, wird von einer liebestollen Kollegin verfolgt und befördert seinen Trauzeugen ins Koma.

Daß die Übertragung aus dem Englischen so exakt ist, zieht nun einige Unstimmigkeiten nach sich: zwischen einem königlich-britischen und einem beamtisch-deutschen Richter liegen Welten, und hausgemachtes deutsches Lammgulasch steht nicht automatisch im Verdacht, völlig ungenießbar zu sein. Doch das verzeiht man in Hinblick auf die komischen Verstrickungen, die sonst nicht zu erhalten gewesen wären. Unverzeihlich dagegen, daß die Produktion ausgerechnet bei den Nebendarstellern gespart hat: Das größte Schauspieltalent in der zweiten Reihe hat mit Sicherheit der Hund. Weder Wittes Sekretärin ist glaubwürdig, noch seine unglücklich in ihn verliebte Bankkollegin; und selbst Uwe Friedrichsen, Vater der Braut und mächtigster Widersacher Wittes, bleibt blaß und konturlos, sein Schweigen ist nicht drohend und unheilschwanger, sondern immer nur Stummheit und Absens.

Das liegt aber vielleicht auch am größten Schwachpunkt der Serie: Christoph Maria Herbst. Der Schauspielerdarsteller Herbst spielt die Figur Wittes, wie er jede Figur spielt, nämlich als Clown. Um ihn ist das ganze Ensemble und das Set herumgestellt, doch er geht nie darin auf, weil er immer ironische Distanz wahrt. Selbst unter dem Bett seiner Schwiegereltern in spe versteckt, die gerade intim werden, spielt er nicht die schrecklich-komische Verzweiflung, mit der man als Zuschauer mitfühlen könnte, sondern grimassiert in die Kamera und bleibt so im Grunde doch noch Herr der Situation: Ganz schön peinlicher Moment, wie? Zwinker, zwinker!

Es ist ja nur das eine, daß deutsche Fernsehzuschauer bei komischen Produktionen gerne schon vorher wissen möchten, worüber sie gleich lachen werden, und die Produktionen dementsprechend auch beim Casting auf Wiedererkennbarkeit setzen. Das andere ist, daß Christoph Maria Herbst gar kein so besonders guter Schauspieler ist.

(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 5/2007)

Pastewka ist nicht Larry David

1. Oktober 2005 2 Kommentare

Gleich zwei deutsche Sitcoms aus dem Hause Sat.1-Pro7 bedienen sich dieser Tage wieder einmal bei großen amerikanischen und britischen Vorbildern: „Pastewka“ (Sat.1) bei „Curb Your Enthusiasm“ (HBO), “Stromberg” (Pro7) in der zweiten Staffel bei “The Office” (BBC). Beide wurden vom deutschen Feuilleton mit Lobeshymnen bedacht – obwohl sie kaum auf weniger wackligen Beinen stehen als andere deutsche Comedyserien auch.

Grundlage einer guten Sitcom sind glaubwürdige Figuren. Eine Sitcom, die so tut, als dokumentiere ein Fernsehteam den Alltag in einem deutschen Büro, darf schlicht und ergreifend keinen gesichtsbekannten Schauspieler besetzen, weil damit der erste und grundlegende Trick verraten ist: Daß man nämlich eben keine Dokumentation des Lebens in einem deutschen Büro sieht, sondern eine Sitcom mit Christoph Maria Herbst in der Hauptrolle.

Bastian Pastewka hat es da auf den ersten Blick leichter: Er spielt sich selbst, einen Comedian namens Bastian Pastewka, der den Fährnissen des Alltags auf mißgelaunte bis menschenfeindliche Weise begegnet. “Pastewka” soll dabei “noch nicht Comedy und nicht mehr Dokumentation” (Pastewka) sein – und das stimmt leider auch. Vor allem Comedy ist kaum auszumachen.

Denn an namens Bastian Pastewka, der den Fährso wenig Christoph Maria Herbst je Vorstand eines Versicherungsbüros war, so wenig ist Bastian Pastewka Larry David. Der war im richtigen Leben Coproduzent von “Seinfeld” und hat mit diesem, seinem einzigen beruflichen Erfolg, unanständig viel Geld verdient. In “Curb Your Enthusiasm” spielt er Larry David, der mit “Seinfeld” unanständig viel Geld verdient hat und nun über genügend Tagesfreizeit verfügt, vielen Menschen auf die Nerven zu gehen. Es macht Spaß, ihm dabei zuzusehen, wie er aus nichtigen Anlässen mit reichen und/oder einflußreichen Menschen Streit vom Zaun bricht, sich in sophistischen Argumentationen verheddert, obwohl er oft im Grunde recht hat, und überhaupt ein Stinkstiefel erster Kategorie ist, der für seine Misanthropie regelmäßig bezahlen muß, es sich aber qua Bankkonto auch leisten kann. Er, ein reicher, jüdischer Fernsehproduzent in Hollywood, verfügt von Anfang an über eine natürliche Fallhöhe.

Eine solche Fallhöhe fehlt dem durch und durch bürgerlich dargestellten Pastewka völlig. Der klaut in der ersten Folge seiner Wohnungsnachbarin die Zeitung, woraufhin sie ihm die elektrischen Sicherungen rausdreht. Ganz schön gewagt. Was wird wohl als nächstes passieren?

Wo bei “Curb” Erzählstränge von unterschiedlicher Peinlichkeit am Schluß in Katastrophen ersten Ranges kulminieren, gibt es bei “Pastewka” nicht zu Ende erzählte Gags, in kleinen Portionen einzeln abgepackt. Wo bei “Curb” mehr oder weniger improvisiert wird, um einen authentisch dokumentarischen Look zu erzeugen, wird bei “Pastewka” streng nach handgeschnitztem Drehbuch vorgetragen. Kommen dann noch Plots a lá “nach einem Fahrradunfall ergeben sich chaotische Verwicklungen”, hölzerne Darsteller und die übliche komisch gemeinte Hysterie des “Fun Freitag” auf Sat.1 dazu (allein dieses Wort, “Fun Freitag”!), dann ergibt sich eine Sitcom von der Leichtigkeit eines verregneten Winternachmittags in Berlin Marzahn. Der mir u.U. sogar noch lieber wäre als weitere Folgen “Pastewka”.

 

(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 10/2005)