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Artikel Tagged ‘Blake Harrison’

Die Shitcoms des Jahres (Teil 1)

14. November 2013 8 Kommentare

Es ist natürlich ein Irrtum zu glauben, alle Sitcoms aus dem Vereinigten Königreich seien per se besser als alles, was je über deutsche Bildschirme gegangen ist. Das ist nicht so: der Anteil wirklich gelungener englischer Serien ist vielleicht etwas höher als der Anteil deutscher gelungener Serien. Es gibt aber quantitativ in Großbritannien viel mehr komischen Output als hier, was die Chancen deutlich erhöht, dass auch Gutes darunter ist.

Heute und in den nächsten Tagen will kurz über die Serien des Jahres berichten, die ich schnell wieder zu gucken aufgehört habe, und erklären, warum — die Shitlist des Jahres sozusagen. „Shitlist“ mit einer wesentlichen Einschränkung: Viele Serien sind schon deshalb nichts für mich, weil sie gar nicht an mich gerichtet sind. (Das kennt man von deutschen Serien nicht so, die sind von vorneherein an alle gerichtet, jung wie alt, nord- wie ost- wie süddeutsch, männlich wie weiblich, an Hochschulabsolventen wie Hilfsarbeiter.) Logisch, dass da einiges durch mein Raster fällt — es ist also vielleicht gerade hier noch der eine oder andere Tipp dabei, was es noch Interessantes gegeben hat in diesem Jahr.

„Big Bad World“ (Comedy Central) etwa, die Single-Camera-Sitcom um Ben („Inbetweener“ Blake Harrison), der gerade mit einem Uni-Abschluss in altnordischer Literatur wieder zuhause in der Provinz ankommt und feststellen muss, dass die Jobangebote für Experten in altnordischer Literatur nicht so üppig sind wie gedacht, dass sich in seinem Freundeskreis wenig geändert hat, seine Eltern, bei denen er wieder einzieht, aber die Trennwand zwischen Bens und dem elterlichen Schlafzimmer herausgenommen haben, so dass er nur durch einen Vorhang getrennt vom Bett seiner Eltern übernachten muss. Außerdem ist er immer noch in Lucy (Scarlett Alice Johnson, „Pramface“) verliebt, die er auch tatsächlich wieder regelmäßig sieht — weil sie nämlich im Jobcenter arbeitet, wo sich Ben regelmäßig wiederfindet.

„Big Bad World“ leidet am Comedy-Central-Syndrom: die Show ist flach und unoriginell. Eine echte Geschichte, sprich: Motivation scheint nur Ben zu haben, alle anderen Figuren sind um ihn herum drapierte Staffage. Oft passen die Witze nicht zum Ton der Serie, denn der ist einerseits vergleichsweise realistisch, so dass die Idee mit dem vergrößerten Schlafzimmer überhaupt nicht passt, zumal die Eltern aus unbegreiflichen Gründen in Bens Zimmer nicht einmal die Pinups entfernt haben, geschweige denn neu tapeziert. (Begreiflich ist mir das schon: die Producer wollten sich den sight gag nicht entgehen lassen und auch optisch zeigen, dass da mal zwei Zimmer waren, wo jetzt nur noch eines ist — aber innerhalb der Serie ist es unbegreiflich.)

Und dann habe ich so etwas ähnliches schon gesehen: In „Parents“ (Sky1, 2012) ging es ebenfalls um den Konflikt zwischen Eltern und wieder ins bereits verlassene Elternhaus zurückziehenden Kindern. Da war die Fallhöhe allerdings etwas größer, denn da ging es um eine komplette Familie, die zu den Großeltern zurückzog.

Interessanterweise haben beide Shows die gleichen Autoren: Lloyd Woolf und Joe Tucker. Vielleicht sind bei „Parents“ noch ein paar Witze übrig gewesen. Die aber konnten das ganze writing team (u.a. Kevin Cecil und Andy Riley, die schon für „Black Books“ und Armando Iannucci gearbeitet haben und also keine ganz schlechten sind) dann aber auch nicht mehr retten.

Andererseits muss ich fairerweise einräumen: für die Zielgruppe von „Big Bad World“ bin ich ohnehin zehn Jahre zu alt. Ich bin nämlich schon erwachsen. — Naa, das war jetzt nur die Überleitung zu

„Badults“ (BBC3), einer Sketchshow, gefangen im Körper einer Sitcom. Und zwar einer schlechten (Multi-Camera, mit laugh track). Mathhew (Matthew Crosby), Ben (Ben Clark) und Tom (Tom Parry, zu dritt auch die Autoren) sind Endzwanziger, die zusammen wohnen und sich wie Teenager aufführen, obwohl sie aus dem Alter raus sind (deswegen „Badults“). Und es ist ihnen scheißegal, dass das Matthews jüngere Schwester Rachel (Emer Kenny) brutal nervt, die aus unerfindlichen Gründen Teil der Gang sein möchte. Die Dialoge gehen dann so:

TOM
We always have a board game marathon on a bank holiday weekend. It’s tradition.

ALLE MÄNNER
Yay!

MATTHEW
And I always listen to the Les Mis soundtrack. It’s tradition.

ALLE MÄNNER
Yay!

BEN
And I always get drunk. It’s an addiction.

ALLE MÄNNER
Yay!

Uff. Alles an dieser Sitcom ist so unoriginell und unkomisch, dass es mir völlig unbegreiflich ist, warum sie eine zweite Staffel bekommen hat. Ich habe nicht einmal die erste Folge ganz ausgehalten.

„Chickens“ (Sky 1, single camera, kein laugh track) wählt da ein sehr viel originelleres Setting: das des Ersten Weltkriegs. Allerdings spielt es nicht an der Front, sondern zuhause in England, wo die drei jungen Männer Cecil (Simon Bird, „The Inbetweeners“, „Friday Night Dinner“), George (Joe Thomas, ebenfalls „Inbetweeners“, „Fresh Meat“) und Bert (Jonny Sweet) es geschafft haben, sich dem Kriegsdienst zu entziehen. Sie wähnen sich nun der versammelten Damenschaft sicher, deren Männer ja alle auf dem Kontinent sind, doch weit gefehlt: Sie werden von der weiblichen Welt als Weicheier betrachtet und auch verspottet (daher „Chickens“).

Ja, das klingt wie die „Inbetweeners“ im Ersten Weltkrieg, ähnlich den immer gleichen Variationen der „Carry on“-Reihe, und das ist es auch — mit dem Unterschied, dass man zu den „Inbetweener“-Figuren und ihren realistischen Problemen seinerzeit auch einen emotionalen Bezug hatte, und folglich Sympathien für die Figuren. Die fehlt in dieser burlesken Kostümhudelei, die sich die drei Hauptdarsteller selbst ausgedacht haben, und zwar womöglich nachdem sie einige alte Folgen „Armstrong & Miller“ gesehen hatten. Die beiden haben in ihrem Repertoire nämlich zwei poshe Royal-Airforce-Piloten (allerdings im Zweiten Weltkrieg), deren stumpf-jugendliche Denk- und Sprechweise aufs Lustigste mit den dramatischen Umständen kollidieren, ein Ansatz, der dem von „Chickens“ nicht ganz unähnlich ist.

Da aber juxen sich nur drei papierdünne Charaktere in albernen Verkleidungen durch Umstände, die viel weniger glaubwürdig sind als bei den „Inbetweeners“ (aber in einer viel längeren Laufzeit als in den kurzen Sketchen von Armstrong und Miller). Das reduziert die Fallhöhe gleich enorm. Und die Fallhöhe ist dann doch eben noch ein Krieg.

Vielleicht hat Channel 4 deshalb den Piloten, der zunächst dort im Rahmen der „Comedy Showcases“ 2011 entstanden ist, nicht als ganze Serie kommissioniert. Das hat dann Sky übernommen — und so das Comedy-Portfolio erweitert, das 2013 erstaunlich viel schlechter daherkommt als noch 2012.

Buy four deaths, get a fifth one free

26. Januar 2013 2 Kommentare

Wenn sich amerikanische Comedyautoren eine fiktive englische Sitcom ausdenken müssten, um sie sagen wir mal in eine Komödie einzubauen, dann könnte das ungefähr so aussehen: „Also, englischer Humor ist schwarz und macht vor nichts halt, schon gar nicht vor dem Tod. Aber Tod, das ist nicht sehr originell. Mord? Nee, ich hab’s: Selbstmord! Allerdings können die Hauptfiguren sich schlecht selbst umbringen, auch englische Serien haben mehr als nur eine einzige Folge — wie wäre es mit assistiertem Selbstmord?! Na klar, ein paar Twentysomethings, pleite und verzweifelt, kommen eher zufällig darauf, Sterbenskranken über die Wupper zu helfen, bauen eine Selbstmordmaschine, gründen ein kleines Euthanasieunternehmen — and hilarity ensues!“

„Way To Go“ (BBC3, seit 17.1.) ist genau das: die Geschichte dreier junger Männer, deren Geschäftsmodell bezahlte Sterbehilfe ist. Und ihr Autor Bob Kushell ist tatsächlich Amerikaner, hat schon für die „Simpsons“, „Malcolm in the Middle“, „American Dad“, „3rd Rock From the Sun“ und „Anger Management“ geschrieben — und nun seine erste eigene Serie.

Leider scheint Kushells Vertrauen in die Schockwirkung seines Themas nur begrenzt gewesen zu sein, deshalb hat er zusätzlich zu Scherzen rund um aktive Sterbehilfe noch etliche Kotz-Pups-Pipi-Kakawitze eingebaut. Gleich in der allerersten Szene ist es ein kleiner Hund, der sich eingeschissen hat und von seinem Frauchen an der Rezeption der Tierklinik abgegeben wird, wo Scott (Blake Harrison, „The Inbetweeners“) arbeitet, obwohl er lieber Medizin studieren würde. Scott ist es auch, dem die Idee zufliegt, mit Hilfe der Giftvorräte seines Arbeitgebers sein eigenes kleines Unternehmen zu gründen. Seinem Freund Cozzo (Marc Wootton, „La La Land“), der beruflich Fastfood-Technik repariert, fällt es zu, eine kleine Todesmaschine zu konstruieren, die die Jungs den „McFlurry of death“ nennen. Und Joey (Ben Heathcote) ist Scotts Halbbruder, dessen Job es offenbar ist, schlaue Sprüche zu klopfen und sich wegen seiner Spielschulden die Finger brechen zu lassen.

Leider ist in den ersten beiden Folgen, die bislang gelaufen sind, weder große äußere Spannung entstanden, obwohl Cozzos Freundin Debbie (Sinead Matthews, „Ideal“) Polizistin ist, noch haben die Jungs ob ihres zutiefst illegalen Treibens großartige innere Konflikte. Eher verlässt sich „Way To Go“ darauf, dass das Tabu selbst schon für Komik sorgt. Das tut es aber nicht, und auch wirklich komische Dialoge sind eher spärlich gesät. Zwar musste ich ungefähr alle zehn Minuten mal schmunzeln, wenn Cozzo und Joey ihr Business mit Ideen à la „buy four deaths, get a fifth one free“ oder einem „frequent dier programme“ ankurbeln wollen oder darauf setzen, dass sich ihr Service schon herumsprechen werde, wenn sie erst einmal erfolgreich sind („Wenn wir erfolgreich sind, sind unsere Kunden tot“, muss Scott seinen Freunden dann erklären).

Für eine gute Sitcom reicht das aber nicht hin. Obwohl selbstverständlich auch Selbstmord komisches Potential haben könnte. Das hat Hal Ashby ja nun schon 1971 mit „Harold And Maude“ bewiesen.