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In the long run

Zwei Texte über US-Sitcoms, die ich einmal gemocht habe, lassen mich dieser Tage annähernd unberührt: Die Meldung, daß Steve Carell „The Office“ nach der nächsten (der siebten) Staffel verlassen wird, und ein Kommentar zu „30 Rock“, der sich darüber beklagt, die Macher der Show vertrauten in letzter Zeit zu sehr darauf, daß die zahlreichen Stargäste die Serie trügen, die ansonsten aber immer noch die beste US-Comedy im britischen Fernsehen sei.

Woran liegt das? Immerhin habe ich die ersten drei Staffeln „Office“ und „30 Rock“ wirklich gerne gesehen. Beiden Serien könnte ich nicht guten Gewissens vorwerfen, sie seien irgendwann „über den Hai gesprungen“. Es war kein qualitativer Absturz, der mich die Fernbedienung hätte weglegen und sagen lassen: Also diesen Scheiß will ich nie mehr sehen. Aber sie haben es auch nicht geschafft, mich bei der Stange zu halten — etwa mit innovativen Storybögen oder tieferen Einblicken in die Charaktere. Wenn eine Sitcom gut ist, muß das ja auch nicht sein. „Frasier“ etwa habe ich, trotz schwächelnder Staffeln, gerne bis zum Ende gesehen, und das waren im Prinzip immer die gleichen Plots. Sie funktionierten immer aufs Neue, weil die Figuren mit ihren Schwächen und angespannten Beziehungen untereinander jede für sich liebenswert waren. Ich habe sie, wie Freunde im wirklichen Leben, immer wieder gerne getroffen. Auch wenn sie immer das gleiche erzählt haben.

Sind Michael Scott und Jim Halpert, Liz Lemon und Tracy Morgan also nicht liebenswert genug? Unterkomplex gar? So daß ich mich an ihnen schlicht sattgesehen habe? Oder, und das ist mein Verdacht, sind die kurzen britischen Staffeln dramaturgisch tragfähiger, weil sie Zuseher nicht auf lange Frist binden müssen und deshalb stärkere Charaktere zeichnen können: so dunkel, zerrissen, abgründig, daß man sie nicht Jahr für Jahr dutzende Male ertragen könnte — aber zwei- oder dreimal sechs halbe Stunden lang eben schon? Ist David Brent also anstrengend, aber unterhaltsam, Michael Scott aber nervig und, in den drei, vier verschiedenen charakterlichen Geschmacksrichtungen, die ihm die „Office“-Autoren über die Zeit auf den Leib geschrieben haben, dann doch — einfach zu langweilig?

Was meint die Leserschaft? Guckt ihr überhaupt noch das US-„Office“ und „30 Rock“?

  1. Jeun
    30. Juni 2010, 11:55 | #1

    Zur US-Version von The Office konnte ich mich nie durchringen, hab also dazu nix zu sagen. 30 Rock hingegen hat mich auch ca. 3 Staffeln begeistert, danach habe ich auch angedangen, das Interesse zu verlieren. Meine Erklärungsversuche gingen in die Richtung „es wird zu durchschaubar“. Meiner Meinung hat schon das Storytelling schon nachgelassen, es gab stets zwei Handlungsstränge Liz-Jack und Tracy-Jenna, die auch teilweise völlig nebenher liefen. Durch diese adlerhaft beobachtete und messerscharf analysierte Schwäche der Serie habe ich mich fürs erste verabschiedet, bis ich vor kurzem wieder mal 2 Folgen einer neueren Staffel gesehen hab, die mich allerdings wieder total begeistert hat.
    Vielleicht ist es tatsächlich die Masse, die einem auch gute Sitcoms verleidet. Dazu kommt in diesem Fall sicher, dass eine emotionale Bindung zu eigentlich nur zu Liz aufgenommen werden kann, anders als zu Niles oder Daphne.

  2. Dashcroft
    30. Juni 2010, 12:26 | #2

    (Rant-Alarm! Könnte Spoiler enthalten.)

    Bei „30 Rock“ hätte man vielleicht ahnen können, daß nach dem „Mamma Mia“/“Kidney Now!“-Finale nicht mehr viel würde kommen können, und so war es dann ja auch. Die vierte Staffel begann schwach, wurde schnell peinlich, dann unerträglich, die Hauptfiguren wirkten plötzlich wie ausgetauscht, man machte selbstironische Anspielungen auf ein im Mittleren Westen zu gewinnendes Publikum, die echten Gaststars blieben aus, man versuchte vergeblich, noch etwas zu reißen, indem man Al Gore zu einem Zeitpunkt ein zweites Mal auftreten ließ, als solcherlei selbstreferentielle Zitate schon längst als öde galten, und daß Liz Lemon sich in ihrer Narkosehalluzination von ihren drei Ex-Lovern verabschiedete, dürfte auch kein gutes Zeichen sein.

    Sieben Folgen, etwa in der Mitte der vierten Staffel, ließen mich wieder Hoffnung schöpfen, ich war bereit, großzügig über die eklatanten Fehltritte hinwegzusehen, und ließ mich auch nicht von Julianne Moores extrem grauseligem Fake-Bosten-Akzent davon abbringen. Doch dann fand man wieder zu mittlerweile gewohnter Schwäche zurück.

    „30 Rock“ litt nie unter der Menge an Gaststars, im Gegenteil, ohne wäre die Serie schon nach den ersten beiden Staffeln sehr langweilig geworden. Über die Gründe für den Qualitätsverfall in der letzten Saison kann man wohl nur spekulieren: Vielleicht geben die bei näherer Betrachtung ja doch eher substanzlosen Figuren einfach nur noch wenig her, wobei man allerdings sagen muß, daß Figurenentwicklung nie zu den Prioritäten der Show gehörte. Vielleicht hat man tatsächlich zugunsten des an beiden US-Küsten als tumb empfundenen Mittleren Westens das berüchtigte freiwillige Dumbing-Down begonnen, um, auch auf der Welle der Fey-/Palin-Popularität, neue Zuschauer anzuziehen. Oder vielleicht ruhen sich die Produzenten inzwischen einfach auf dem zugegeben wohlverdienten Ruhm aus. Daß man die treuen Zuschauer dann aber mit derart drittklassigem Quark bei der Stange hält, ist natürlich ärgerlich.

    Ich werde „30 Rock“ natürlich trotzdem weiter sehen, die 22 Minuten hab ich immer übrig. Aber es gibt ja auch Ersatz: Die dritte Staffel von „Parks and Recreation“ kommt im Herbst, und gestern abend liefen die ersten beiden Folgen der neuen Comedy-Show „Louie“ mit Louie C.K. Oliver. „Modern Family“ hingegen – nein, das kann man wohl vergessen. Ach, und „The Office“ (US) habe ich nie gesehen.

  3. René
    30. Juni 2010, 12:29 | #3

    Bei mir genau umgekehrt. „30 Rock“ konnte ich überraschend wenig abgewinnen, obowhl ich zuvor immer hörte, wie gut das sei. Tina Fey gefällt mir gar nicht, sie spielt steif und vielen Dialogen klebt eine gewisse Affektierheit an, ist mir zu sauber irgendwie, da fehlt mir so eine Art Chaos.

    Bei „The Office US“ hingegen: ging recht schnell, da konnte ich das problemlos von Office UK lösen und kam somit nicht in die Verlegenheit, die Charaktere ständig zu vergleichen usw, was man ja als geneigter Britcoms-Leser automatisch dann auch macht und vielleicht dann auch dazu neigt, der Adaption das Eigenleben abzusprechen. Mir gefielen die durchaus ja äquivalent angelegten US-Charaktere dann z.b. besser, weil schauspielerisch besser und künstlicher, was aber einen guten Effekt bei mir hatte.
    Die letzte Staffel hingegen war leider schwach. Diese Story mit der Übernahme durch die Sabre Company, die Einführung von Kathy Bates, das war mir dann doch etwas zu kurzweilig und hatte ich einen Tag nach Sehen meistens wieder vergessen, worums eigentlich ging.

  4. Dashcroft
    30. Juni 2010, 12:29 | #4

    PS. Keine Ahnung, wie das „Oliver“ in den letzten Absatz kam.

  5. MK
    30. Juni 2010, 13:26 | #5

    Hm, kann ich nicht nachvollziehen. 30 Rock hab ich auch erst vor einem halben Jahr „wiederentdeckt“: Die erste Folge wollte nicht bei mir zünden, dann ging es aber richtig los. Fand jetzt auch die letzte Staffel nicht schwächelnd. Ich denke es gibt immer einen Moment, in dem sich eine Serie auf ihre Formeln verläßt (siehe Big Bang Theory) und dann vielleicht nicht mehr die großen Überraschungen bietet. Aber die abstrusen Einfälle und die schnellen, geschliffenen Dialoge von 30 Rock funktionieren für mich immer noch prächtig – ich komm nicht los vom Screwball.

  6. Janni
    30. Juni 2010, 21:59 | #6

    Ich schau beide regelmäßig, fragte mich die letzten Staffeln aber recht häufig, ob ich noch der richtige Zuschauer dafür bin. ‚The Office (US)‘ hat mich das letzte Jahr durch das heftige drehen an der ‚Wir machen unsere Charaktere zu Comicfiguren‘-Schraube einiges verspielt. Pam war für mich kaum zu ertragen und der Druck, Michael, Dwight und Andy immer albernere Sachen tun lassen zu müssen, gab dem ganzen dann diesen miesen ‚Stromberg‘-Dreh. Soll heißen: Für eine Fake-Doku ziemlich viel Fake und ziemlich wenig Doku. Dennoch lege ich Anfängern immer wieder gern die Staffeln zwei und drei dieser Produktion ans Herz – ich fand da haben die Amis durchaus einen guten Dreh aus dem Original hinbekommen, der fröhlich, lustig, ein bißchen ‚Cringe‘ und stets voll Zug zum Tor war.
    ’30 Rock‘ ging sehr lang an mir vorbei, bis ich mir dann endlich mal die ersten beiden Staffeln in einem ziemlich begeisterten Marathon durchguckte. Also bin ich immer noch dabei. Generell kann ich mich an ein paar lautere Lacher im letzten Jahr als bei ‚The Office‘ erinnern. Das Tempo finde ich immer noch angenehm hoch und die Ideen scheinen mir noch nicht auszugehen. Dennoch entweicht – jemand schrieb es oben bereits – den Charakteren ziemlich Luft. Besonders überraschend ist das allerdings nicht, sind doch eigentlich die meisten Figuren gewaltige Stereotypen. Sie können nicht besonders viele Witze, aber diejenigen, für die sie da sind, zünden ordentlich.
    Ich kann beiden Serien noch nicht richtig böse sein, aber die Zeiten, Freitag morgens zunächst mal die neuesten Folgen im Netz zu schauen, sind vorbei.

  7. Tim
    30. Juni 2010, 23:10 | #7

    Office (US) habe ich durchgängig ignoriert, bei 30Rock geht es mir wie Dashcroft: die 22 Minuten habe ich übrig – mal mehr, mal weniger gerne. Ein Lacher pro Folge ist aber immer drin. Und das ist mehr als man von so vielen anderen komischen US-Produktionen dieser Tage sagen kann.
    Und weil „Louis“ angesprochen wurde: Die erste Folge fand ich verstörend, unausgegoren, profund, stellenweise sehr komisch und angenehm halbprofessionell. Aber ich bin aber auch großer Bewunderer Louis C.K.s nicht unvoreingenommen. Ich fürchte, das ist so ein Fall von entweder Haß oder Liebe.

  8. 1. Juli 2010, 01:05 | #8

    danke für den tip mit „louis“ – das war wieder mal ein erstaunlicher fall von 2.-folge-phänomen: die erste folge fand ich so lala, war aber eben auch nur das set up: geschiedener typ über vierzig mit bauchansatz und badekapp. die zweite aber (beinah hätte ich sie nicht gucken mögen): comedy gold! von dem eingangs-disput über schwule bis hin zu der schrecklichen szene, wo er seine high school-flamme danke facebook wiederfindet, die herbe enttäuschung, und dann aber doch… uahh! sehr schön!

  9. mads
    1. Juli 2010, 16:47 | #9

    Hab mal versucht die erste Folge Office US zu sehen – ging garnicht, war ja fast ein 1:1 Abklatsch… 30 Rock habe ich auch so ca. 2,5 Staffel geschaut, und fand es gut, wie hier schon erwähnt: ich hätte öfter mal die 22 Minuten über, vom Hocker hauen tuts einen natürlich nicht.
    Da ich bestimmt noch paar Tage ans Bett gefesselt sein werde, werde ich mir mal Parks and Recreation zu Gemüte führen! Spaced habe ich zum 2. Mal angefangen, jedoch will da der Funke nicht so überspringen, was mich wundert…

  10. igor
    2. Juli 2010, 16:10 | #10

    apropos louis c.k.: kennt jemand seine sitcom „lucky louie“?

  11. Tim
    2. Juli 2010, 22:11 | #11

    Ja.
    Die scheitert meiner Ansicht nach aber daran, daß sie die proletarische Vulgarität und pessimistisch bis destruktive Lebensweisheit C.K.s in einem sehr artifiziellen Rahmen (schäbige Sitcom-Kulisse, Bandlacher) einbettet und so den Anschein der Authentizität raubt, der seine Bühnenprogramme und bisher „Louie“ wirkungsvoll macht. Mir kam „Lucky Louie“ vor wie „Eine schrecklich nette Familie“ ohne Genreüberzeichnung und der Erlaubnis, „Fuck“ sagen zu dürfen.
    Einige komische Momente finden sich aber doch darin, wie ich finde, gehört der Auftakt der Pilotfolge dazu.

    Letztlich paßt aber seine ständige Selbstreflexion und recht intime Zurschaustellung seiner selbst eher in die an „Curb“ erinnernde Form bei „Louie“.

  12. igor
    3. Juli 2010, 19:29 | #12

    besten dank für Ihre kritik. ich werde mir die ein oder andere folge trotzdem mal zu gemüte führen.

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