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Artikel Tagged ‘Hugh Bonneville’

Jahresendabstimmung – die Auswertung

21. Dezember 2015 1 Kommentar

Die Polls sind geschlossen und wir haben zwei Gewinner: „W1A“ (2. Staffel) ist die beste Britcom 2015, und „Fargo“ (ebenfalls die zweite Staffel) das beste US-ComedyDrama des Jahres!

Mich überrascht der Sieg von „W1A“ (BBC2, seit 2014) deutlich mehr als der von „Fargo“, und vor allem der klare Abstand, mit dem die Satire auf den Arbeitsalltag in der BBC vor der zweitplatzierten Serie liegt: acht Stimmen Vorsprung auf „Episodes“, das hat jedenfalls mehr Aussagekraft als der Unterschied zwischen „Fargo“ und „Better Call Saul“ (drei Votes), den ich eher so werten würde, dass beide Serien gleichermaßen die Herzen der Serien- und Comedy-Freunde erobert haben. Sehr zu Recht, versteht sich.

Dass „W1A“ aber gewonnen hat, eine Serie, die doch als recht sophisticated gelten kann, freut mich. Die Chemie zwischen Hugh Bonneville als „Head of Values“ Ian Fletcher und Jessica Hynes‘ Siobhan Sharp als „Brand BBC Consultant“ stimmt einfach: er als eine Art unerschütterlicher Golden Retriever, sie als überspannter PR-Pudel, und dann all die unvermeidlichen Missverständnisse, die die Zusammenarbeit von so unterschiedlichen Charakteren mit sich bringt — das hat John Morton („Twenty Twelve“, „People Like Us“) als Writer/Director sehr schön inszeniert.

„Episodes“, mit der vierten Staffel dieses Jahr auf Platz zwei im Britcoms-Ranking, hat zwar tatsächlich eine sehr solide und komische Staffel abgeliefert, ich persönlich hätte allerdings „Catastrophe“ und „Detectorists“ höher bewertet; beides Serien, die mit erkennbar minimalem Budget und umso deutlicherer persönlicher Handschrift von Mackenzie Crook („The Office“, „Pirates of the Caribbean“) und Rob Delaney/Sharon Horgan versehen waren. Insbesondere von „Detectorists“ würde ich mir eine dritte Staffel wünschen, die die BBC Crook auch angeboten hat — der allerdings ist sich wohl nicht sicher, ob es genügend zu erzählen gäbe. Berechtigterweise, denn genau betrachtet war auch der diesjährige Handlungsbogen um einen jungen Deutschen, der nach dem Flugzeug sucht, mit dem sein Großvater im Zweiten Weltkrieg abgeschossen wurde, ja schon am Rande der Glaubwürdigkeit.

Apropos kleine Serien: Warum eigentlich hat Peter Kays „Car Share“ so schlecht abgeschnitten? Kay gehört in England zu den ganz Großen, und auch hier im Blog sind seine Serien immer wieder gebührend beachtet worden („Phoenix Nights“ gehört nach wie vor zu den Britcoms, die ich hoch schätze). War „Car Share“ also zu still? Kay zu lange weg vom Bildschirm? Das Setting zu unspezifisch? Zwischen „Cucumber“ und „Chewing Gum“ zu landen, das hätte ich von „Car Share“ jedenfalls nicht erwartet. Und „Cradle to Grave“, Kays zweite Sitcom des Jahres, ist sogar noch schlechter bewertet worden.

Keine Überraschung, wie gesagt, dass „Fargo“ und „Better Call Saul“ so gut abgeschnitten haben: beide haben tatsächlich phantastische Staffeln abgeliefert. Dass ich „Fargo“ ebenfalls knapp vor „Better Call Saul“ einordnen würde, kann einfach daran liegen, dass „Fargo“ erst unlängst zuende gegangen ist und mir noch in frischerer Erinnerung als „Better Call Saul“; aber wenn ich argumentieren müsste, würde ich sagen: „Fargo“ war auch die komischere Serie. Zum einen hatte sie die schöner überzeichneten Charaktere, namentlich Kirsten Dunsts Peggy Blumquist, die zu Beginn erstmal enorm genervt hat, bevor sie immer tiefer und in ihrer Fokussiertheit sympathisch wurde, aber natürlich auch Nick Offermans Karl Weathers. Seine volltrunkenes Plädoyer in der sechsten Folge war sicher einer der Höhepunkte des ganzen Fernsehjahres.

„Better Call Saul“ auf der anderen Seite hatte dafür das realistischere Setup, war weniger comicartig grell, dafür an vielen Stellen dramatischer. Möglicherweise genau deswegen hatte „BCS“ auch die für sich genommen größeren Lacher — der comic relief ist einfach stärker, wenn man in die Charaktere mehr investiert ist. Und da konnte „BCS“ immerhin auf Figuren zurückgreifen, die den meisten Zuschauern ja doch über die fünf Staffeln „Breaking Bad“ ans Herz gewachsen sein dürften.

Wo wir gerade dabei sind: Die Tendenz zu immer mehr Franchise übrigens finde ich nicht durch die Bank begrüßenswert. Die beiden höchstplatzierten US-Serien greifen auf lange etablierte Marken zurück („Breaking Bad“, den Film „Fargo“ von 1996), wo im Kino längst kaum noch etwas anderes läuft („Star Wars“, James Bond, die Peanuts, all die Superheldenfilme, die ich kaum auseinanderhalten kann …). Ich persönlich freue mich ja hin und wieder auch auf neue, originale Geschichten.

Überrascht bin ich bei den US-Serien noch vom vergleichsweise guten Abschneiden der letzten Staffel „Community“, die mich nicht mehr hinter dem Ofen hervorgelockt hat. Dass die besser abgeschnitten hat als die finale Season „Parks and Recreation“, als „Master of None“, „Happyish“ und „Modern Family“, finde ich … interessant. Ebenso das schlechte Abschneiden von „Transparent“, das sicher nicht schlechter war als die letzte Staffel „Orange is The New Black“. Allerdings haben beide Serien so wenige Stimmen, dass das Ergebnis wohl kaum repräsentativ ist.

Vielen Dank jedenfalls an alle, die abgestimmt haben — dass manche mehrfach abgestimmt haben, stört mich nicht im geringsten; große Begeisterung für eine Serie darf sich ruhig auch im Abstimmungsergebnis widerspiegeln, finde ich. Hat mich gefreut, dass immer noch so viele dieses kleine Blog lesen und über Serien diskutieren, die (jedenfalls was die überwiegende Anzahl der britischen Sitcoms angeht) hierzulande fast niemand je zu Gesicht bekommt, der sich aufs reguläre Fernsehen verlässt. Ich hoffe, wir sehen uns nächstes Jahr wieder und finden auch 2016 viele schöne Britcoms, über die es zu schreiben und zu lesen lohnt!

Die Britcoms des Jahres 2014

28. November 2014 7 Kommentare

Alle Jahre wieder: das Dezember-Humorkritik Spezial über die interessantesten Britcoms der vergangenen zwölf Monate, soeben erschienen in Titanic. Für regelmäßig Leser dieses Blogs dürfte nicht allzu viel Neues drinstehen, aber das dafür in einem Text übersichtlich zusammengefasst. Ich habe mich dieses Jahr nicht mehr nach Neuerscheinungen von DVDs gerichtet, weil es mittlerweile ja doch zu viele Alternativen zu diesem Medium gibt — es muss also jeder selbst gucken, welche interessante Serie er auf welchem Weg beziehen möchte. Und zu Amazon verlinke ich ja eh schon lange nicht mehr.

GOOD BYE, GREAT BRITAIN!

Nicht nur Schottland hätte sich dieses Jahr beinahe aus dem United Kingdom verabschiedet, auch die Britcom ist mal eben ausgewandert: einige der besten englischen Comedys kommen dieses Jahr aus den USA.

2014 haben britische Schauspieler endlich wirklich alle wichtigen Positionen im US-Fernsehen besetzt. So weit ist es gekommen, dass nicht nur ur-amerikanische Sheriff-Klischees wie „The Walking Deads“ Hauptfigur Rick Grimes von einem Briten gespielt (Andrew Lincoln) werden. Selbst wenn eine US-Agenten-Serie „The Americans“ heißt, wird als Hauptfigur mal lieber ein Briten besetzt (Matthew Rhys), und auch „Masters of Sex“-Hauptfigur William Masters ist natürlich in Tat und Wahrheit Brite (Michael Sheen). Die kennen sich halt aus mit Sex.

Wenig überraschend also, dass die beste britische Sitcom im vergangenen Jahr gar nicht aus Großbritannien kam: „You’re The Worst“ (FX) ist zwar so unverstellt misanthrop und giftig, wie man es aus dem United Kingdom kennt, und hat einen britischen Hauptdarsteller (Chris Geere), der einen misanthropen Briten spielt. Ansonsten aber lief die Serie um zwei gefühlsblinde Thirtysomethings und ihre toxic relationship in den USA und spielt in Los Angeles, wo Jimmy (Geere) und Gretchen (Aya Cash) zwar erfolgreich sind, er als Buchautor („Congratulations, You’re Dying“), sie als PR-Frau einer Karikatur von einer Hip-Hop-Gang, aber unglücklich — kein Wunder, so neurotisch, bindungsunfähig und insgesamt schrechliche Menschen, wie sie sind. „You’re The Worst“ könnte zu einem komischen Generationen-Porträt werden, wie es „Spaced“ (Channel 4) vor 15 Jahren war — wenn, ja wenn die Serie ein bisschen erfolgreicher wäre. Im Moment hat sie nämlich kaum noch jemand gesehen. Aber FX war mutig genug, eine zweite Staffel in Auftrag zu geben.

Weitere Briten in den USA waren und sind die beiden Fernsehautoren Beverly und Sean Lincoln (Tamsin Greig und Stephen Mangan) in der dritten Staffel „Episodes“ (Showtime/BBC Two). Sie kämpfen noch immer gegen ihren egomanen Star Matt LeBlanc (Matt LeBlanc), haben aber im neuen Senderchef Castor Sotto (Chris Diamantopoulos) einen Antipoden, dessen unverstellter Wahnsinn die dritte Season „Episodes“ zur bislang besten macht. Martin Freeman wiederum hat es geschafft, als Brite einen archetypischen Ami zu spielen: nämlich den naiven Hillbilly Lester Nygaard in der exzellenten Fernsehversion von „Fargo“ (FX), die zwar Figurenzeichnung, Setting, etliche Motive und den Humor des Originals von den Coen-Brüdern übernommen hat, aber nicht die Story.

Umgekehrt haben 2014 auch einige Amerikaner den Weg nach Großbritannien gefunden: allen voran Robert B. Weide, Produzent und Regisseur von „Curb Your Enthusiasm“. Sein „Mr. Sloane“ (Sky Atlantic) zählt zu den besten Britcoms des Jahres. Weil Sloane aber erst vor Monatsfrist in der Humorkritik ausführlich besprochen wurde (Titanic 10/2014), verweise ich fix auf diesen a.a.O.

Mit Taylor Lautner, Star der „Breaking Dawn“-Reihe, in der Rolle des Sohns von „Cuckoo“ (BBC Three) haben Robin French und Kieron Quirke echtes Stuntcasting betrieben — und damit die Serie gerettet, die nach dem Abgang des ersten Cuckoo, Andy Samberg, schon den Bach hinunter schien: komisches Talent hätte in dem Teenagerschwarm Lautner vor „Cuckoo“ sicher kaum jemand vermutet — hat er aber, wie ich bestätigen kann.

Ohne US-Gaststars kommt dagegen „Detectorists“ (BBC Four) aus, die spröde-komische Sitcom um englische Metallsucher-Spinner. Mackenzie Crook (Freemans Counterpart in „The Office“) hat mit seiner ersten eigenen Serie als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller ein Schmuckstück von einer kleinen (i.e. billig produzierten) Serie geschaffen: melancholisch, leise, warm, mit liebenswert exzentrischen Versagern, die nach dem großen Schatz suchen. („Saxon hoard. It’s basically the holy grail of treasure hunting.“ — „Well, no. The holy grail is the holy grail of treasure hunting.“)

Das schwermütig-schöne Titellied von „Detectorists“ stammt übrigens von Johnny Flynn, der neben einem Gastauftritt ebenda die erste Geige in seiner eigenen Sitcom spielen darf: „Scrotal Recall“ (Channel 4). Deren größtes Manko liegt im Titel, denn zwar geht es durchaus darum, dass ein gewisser Dylan (Flynn) all seine Ex-Gespielinnen darüber informieren muss, dass er Chlamydien hat und sie sich besser mal untersuchen lassen sollten. Ansonsten aber ist „Scrotal Recall“ das Gegenteil von dem Schock-Humor, den man erwarten könnte, sondern eher sophisticated, beinahe erwachsen, aber jedenfalls mit real gezeichneten Figuren, deren Hauptproblem nicht in sexuell übertragbaren Krankheiten liegt, sondern eher in allzu großer Schüchternheit und Kompliziertheit.

Schüchternheit wiederum ist nicht das Problem von „Uncle“ (BBC Three). Andy (Nick Helm) ist so etwas wie die ungewaschene Version von Will Freeman aus „About a Boy“: er kommt als „Musiker“ (= Straßenmusikant) wie die Jungfrau zum Kind — in diesem Fall zum Sohn seiner drogenkranken Schwester, der das Gegenteil von Andy ist: spießig, altklug, allergisch gegen praktisch alles. Ein odd couple also, dem vom gemeinsamen Weiberaufreißen bis zum gemeinsamen Band-Gründen alles passiert, was auch in „About a Boy“ vorkommt. Und trotzdem muss man keine Sekunde an Hornbys Geschichte denken, weil „Uncle“ eben nicht annähernd realistisch ist, sondern immer larger than life, drastischer — und zum Glück auch komischer.

Wie nahe an der Realität „W1A“ (BBC Two) ist, ist dagegen schwer zu sagen: diese Mockumentary auf die BBC selbst (W1A ist die Anschrift des neuen BBC-Hauptgebäudes) jedenfalls führt einen Dauer-Unfall von einem Sender vor, in dem selbst und gerade die höchsten Positionen von Menschen besetzt werden, die keine Ahnung davon haben, was sie tun — im wörtlichen Sinne, denn der neue „Head of Values“ Ian Fletcher („Downton Abbeys“ Hugh Bonneville) hat nicht die geringste Vorstellung, was seine Aufgabe ist. Er weiß ja nicht einmal, wo sein Büro ist. Dass das ziemlich absurd und gleichzeitig vollkommen glaubwürdig scheint, ließe einen erschrecken, wenn man denn vor Lachen dazu käme.

Als bester englischer Fernsehexport in die USA hat sich 2014 aber John Oliver erwiesen, dessen Late-Night-News-Comedy (wenn man das so bezeichnen kann) „Last Week Tonight“ auf HBO sich mit langen, gleichermaßen tiefschürfend wie höchst komischen Nachrichten-Satiren sehr schön gegen „Daily Show“ und „Colbert Report“ (beide Comedy Central) profilieren konnte. Wenn es mit rechten Dingen zugeht, wird es ein solches Format vielleicht auch irgendwann einmal in Deutschland geben. Mein Tipp: gegen 2019, Anchorman: Jan Böhmermann. Wer hält dagegen?

Yeah, cool, brilliant, what?

5. April 2014 9 Kommentare

Vielleicht heißen Fernsehanstalten ja nicht zufällig Anstalten. Vielleicht sind die, die dort zu arbeiten glauben, ja tatsächlich vornehmlich Insassen.

Ian Fletcher (Hugh Bonneville, „Downton Abbey“), dem frisch gekürten Head of Values der BBC, kommt es sicher oft so vor. Auch wenn er natürlich zu höflich ist, um das je zu äußern. Aber das ist das Set Up, und es funktioniert wunderbar: ein Gesunder inmitten eines Haufens Irrer.

„W1A“ (BBC2, seit März) ist ein Spin off von „Twenty Twelve“ (BBC4, 2011-12), aus dem wir Ian Fletcher schon kennen: damals war er der Leiter der (fiktionalen) „Olympic Deliverance Commission“, der hauptsächlich mit PR-Unfällen zu kämpfen hatte — und mit Siobhan Sharp (Jessica Hynes), einer PR-Managerin, die in erster Linie durch leere Phrasen und Ahnungslosigkeit glänzte.

Nun hat es Fletcher zu BBC geschafft: als Leiter einer Position, die sich, wie es in der Serie einmal gesagt wird, mit den Werten von Werten beschäftigt. Genauer geht es leider nicht. Das ist eines der Probleme Fletchers. Dass er weder sein Büro findet noch weiß, ob er überhaupt eines hat, ist ein anderes.

Ian weiß nur, dass er „big thoughts“ denken soll. Er kommt nur leider nicht dazu. Denn ein Meeting jagt das nächste, und auf jedem werden noch mehr Phrasen gedroschen, Verständnis simuliert und PR-Unfälle produziert — nicht zuletzt von Siobhan Sharp, denn mit seiner Nemesis aus „Twenty Twelve“ kriegt Fletcher es abermals zu tun. Sie ist immer noch in der PR, und die Versuche ihrer Agentur, das BBC-Logo neu zu gestalten, gehören zu den schönsten Momenten der Serie bislang.

„W1A“ (so benannt nach der Anschrift des neuen Hauptsitzes der BBC in London, W1A 1AA) ist im selben Mockumentary-Stil gehalten wie der Vorläufer der Serie und wird auf die gleiche Weise getragen von einer heiteren Freundlichkeit, die sich auch in der Stimme des Narrators aus dem Off widerspiegelt (abermals David Tennant). Die meisten Senderleute sind äußerst zuvorkommend und höflich — und genau das macht den absurden Quatsch, den sie reden, so lustig.

Vor allem die Chemie zwischen Bonneville und Hynes ist fantastisch, wie überhaupt die Figur der nervigen Siobhan (gesprochen wie Yvonne, nur mit einem Sch-Laut am Anfang) ein Geniestreich in der Parodie von PR-Knalltüten ist. „Let’s ride this train. Let’s nail the puppy to the floor.“

Tatsächlich gefällt mir „W1A“ besser als „Twenty Twelve“. Das mag daran liegen, dass ich mit Fernsehen und einer Satire auf die Abläufe und Charaktere hinter den Kulissen mehr anfangen kann als mit den Olympischen Spielen und ihrer Organisation. Vielleicht sind aber auch die Charaktere hier genauer gezeichnet, vielleicht bietet die BBC als Setting mehr Möglichkeiten als eine ominöse Olympiade-Taskforce, von der zumindest ich gar nicht genau wusste, wo sie angesiedelt sein sollte.

Hier ist allein der merkbefreite, aber nette Praktikant Will (Hugh Skinner) eine brillante Figur: in seinem permanent Zustimmungsbedürfnis sagt er zu allem ja — bzw. „all right, cool, ok, good idea, yeah, I see, say again?“, weil er es dann doch nicht verstanden hat. So dass Dialoge wie dieser im Aufzug mit Ian dann immer so verlaufen, dass man sich nie sicher sein kann, ob man gerade aneinander vorbeigeredet hat oder nicht (Erfahrungswert: meistens ja):

WILL
…yeah, cause, I’m actually, like, an intern.

IAN
Ah, all right. I see. What does that involve exactly?

WILL
Yeah. Say again?

IAN
You want to end up working in this area, eventually?

WILL
Wha-, you mean, as a job?

IAN
Well, yes.

WILL
Yeah, cool.

IAN
Yes.

Ein Prinzip, das aber nicht nur auf Prakikantenebene funktioniert, so dass Will eine große Karriere bei der BBC bevorstehen dürfte.

Leider hat John Morton („People Like Us“) nur vier Folgen dieser hübschen Satire machen dürfen; die letzte läuft am Mittwoch, und sie wird abermals erst haarsträubend lustig sein, und dann ein bisschen traurig machen, wenn man an die Öffentlich-Rechtlichen Anstalten hierzulande denkt. Aber dazu steht an anderer Stelle ja schon genug Trauriges.

Spät-edwardianische „Mad Men“

29. Oktober 2011 3 Kommentare

Wenn es irgend ein Fernsehgenre gibt, mit dem ich absolut nichts anfangen kann, dann das des Kostümdramas. Pompös, gestelzt, langatmig, rührselig — das sind nur die ersten vier Adverbien, die mir dazu einfallen. Kostümdrama ist das genaue Gegenteil von Comedy, das Gegenteil von schnell, böse, subversiv.

Soweit die Vorurteile. Die hielten bei mir genau bis „Downton Abbey“.

Natürlich ist auch „Downton Abbey“ (ITV, zwei Staffeln seit 2010) weder schnell noch subversiv. Und doch hat es mich gekriegt — da, wo mich auch „Mad Men“ gekriegt haben.

„Downton Abbey“ spielt zu Beginn der ersten Staffel im Jahre 1912 in einem (fiktionalen) englischen Anwesen in Yorkshire. Earl Grantham (Hugh Bonneville, „Twenty Twelve“) und seine Frau Cora (Elizabeth McGovern) haben drei Töchter, jedoch keinen Sohn, der jedoch als einziger erbberechtigt wäre. Ihr Plan, die älteste Tochter Mary (Michelle Dockery) mit einem entfernten (aber in der Erbfolge nun oben stehenden) Cousin zu verheiraten, wird jäh hinfällig, als zu Beginn der ersten Folge die Nachricht vom Untergang der Titanic eintrifft, auf der auch dieser Cousin unterwegs war. Nun fällt das Erbe an Matthew Crawley (Dan Stevens), einen jungen und bürgerlichen Advokaten aus Manchester, der zu Beginn der zweiten Folge auf Downton Abbey eintrifft — und mit der ganzen altmodisch-edwardianischen Aristokratie rein gar nichts anfangen kann und will.

Doch so wichtig die Ereignisse im Leben der Hochwohlgeborenen sind, so wichtig sind auch die der vielköpfigen Dienerschaft. Auch downstairs spielen sich Dramen ab; auch hier gibt es innerhalb der Kaste strenge Hierarchien, Ambitionen auf ein besseres Leben, Geheimnisse genau wie upstairs. Nur daß die Dienerschaft in der Regel mehr über die Geheimnisse der Herrschaft weiß als umgekehrt.

Es ist, und hier liegen die Parallelen zu „Mad Men“, eine Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs in Großbritannien. Elektrizität und Telefon halten Einzug, erste Automobile beginnen Kutschen abzulösen; nicht mehr alle Frauen sind mit den ihnen zugewiesenen Rollen zufrieden, und auch nicht alle Bediensteten. Vor allem die Bürgerlichen Matthew und seine Mutter Penelope Wilton bringen Unruhe nach Downton: Penelope, Krankenschwester und Witwe eines Arztes, bringt bald frischen Wind in das örtliche Krankenhaus, und Matthew würde am liebsten sofort alle Angestellten in die Freiheit entlassen. Später werden sich der Erste Weltkrieg (der in der zweiten Staffel viel Raum einnimmt) und die Revolution in Rußland ankündigen und Schatten bis ins beschauliche Downton werfen.

Es sind die großen gesellschaftlichen Verwerfungen, die hier im Kleinen reflektiert werden, und Mittel zum Zweck sind dem Autor Julian Fellowes (selbst Aristokrat)  — für eine TV-Serie vergleichsweise große — Sprünge von ein paar Monaten zwischen den einzelnen Folgen. Wie im Zeitraffer sehen wir so Veränderungen im Gefüge, insbesondere in der zweiten Staffel etwa die Folgen des Krieges: Downton wird zu einem behelfsmäßigen Lazarett, sowohl Mitglieder der Herrschaft als auch der Dienerschaft ziehen in den Krieg und kommen nur zum Teil unbeschadet wieder.

Nie aber wird „Downton Abbey“ über derart großen Themen zum Schinken, nie werden Verrat, Intrigen, Betrug und Mißgunst um ihrer selbst willen erzählt, sondern immer, um im Porträt einer vergangenen Epoche diese mit unserer Zeit vergleichbar zu machen: Wo gesellschaftliche Verantwortungen von denen oben für die weiter unten liegen, wer wen braucht, wie sich das Fließgleichgewicht mit der Zeit ändert. Die Gleichheit, die hier gesellschaftlich so erkennbar nicht vorhanden ist, ist in der Erzählung immer gegeben: Sie nimmt die Sorgen des Earl Grantham genauso ernst wie die der Küchenhilfe Daisy, stellt niemanden bloß, zeigt die Fehltritte von höheren Töchtern wie von Laufburschen und wird dabei nie geschwätzig, sondern bleibt in der Narration, in den Dialogen immer zurückhaltend, während die Kamera dafür umso opulentere Bilder einfangen darf. Pro Folge, heißt es, hat „Downton Abbey“ etwa eine Million Pfund gekostet.

Die waren gut angelegt: „Downton Abbey“ feiert international große Erfolge, darunter elf Emmy-Nominierungen 2011 und 92 Prozent Zustimmung bei Metacritic, was einen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde als „von Kritikern am besten bewertete Fernsehsendung des Jahres“ mit sich brachte. „Downton Abbey“ ist die erste britische Show, die diesen Rekord aufgestellt hat.

Die erste Staffel „Downton Abbey“ ist auf DVD erhältlich, die zweite demnächst, nach dem Ende der diesjährigen Staffel wird es ein Weihnachts-Special geben, und für nächstes Jahr ist eine weitere Staffel geplant, die dann im Jahr 1920 beginnen wird.

Satire im Schongang

Sehen wir einmal ganz von dem Vorwurf ab, John Morton, der Autor von „Twenty Twelve“ (BBC4), habe die Idee zu einer Mockumentary über die Vorbereitung der Olympischen Spiele einfach von der australischen Sitcom „The Games“ (ABC, 1998) geklaut, auch wenn es Indizien für die Richtigkeit dieses Verdachts gibt (etwa daß die australischen Autoren Ross Stevenson und John Clarke ihre Idee der BBC vorgestellt und John Morton sogar eine „The Games“-DVD gegeben hatten). Ideen an sich sind nicht schützbar, und aus gutem Grund, sonst dürfte längst niemand mehr Geschichten über unglückliche Liebe oder eine schwierige Vater-Sohn-Beziehung schreiben, und solange Morton sich nicht bei den Plots, Storys oder gar Gags von „The Games“ bedient hat, sondern nur die grundliegende Idee kopiert hat (eine Handvoll unfähiger Planer sollen die Olympischen Spiele organisieren), mag das moralisch zwar zweifelhaft sein, aber eben kein Plagiat.

Tatsächlich trägt „Twenty Twelve“ deutlich die Handschrift Mortons, dessen „People Like Us“ (BBC2, 1999) schon sehr nahe an „Twenty Twelve“ war: ebenfalls eine Mockumentary (oder eher noch Docusoap-Parodie) mit einem Off-Sprecher (damals Chris Langham als Dokumentarfilmer Roy Mallard, heute David Tennant), in der pro Folge ein member of the public im Arbeitsalltag begleitet und oft als überfordert, unfähig, irgendwie seltsam gezeigt wurde. Immer aber, und das machte den Charme von „People Like Us“ aus, wurden die Polizisten, Anwälte, Makler, Journalisten oder Fotografen sehr behutsam behandelt, nie bloßgestellt oder vorgeführt. Mallard ging mit den Menschen, die er porträtierte, stets nachsichtig um — manchmal so nachsichtig, daß er geradezu auf sie hereinfiel und, obwohl nie vor der Kamera zu sehen, zur eigentlichen Hauptfigur wurde: der des scheiternden, linkisch-stümperhaften Filmemachers.

Doch „People Like Us“ ist mehr als zehn Jahre her (die zuvor im Radio gelaufene Version sogar 15); eine geplante dritte Staffel wurde damals zugunsten von „The Office“ nicht realisiert. Seitdem ist viel passiert in diesem Genre, nicht zuletzt „The Thick of It“ hat Maßstäbe gesetzt, was Mockumentarys angeht, die in einer politischen Sphäre spielen, und die Nachsicht (mit members of the public) ist längst bösartig-schwarzer Satire gewichen, die unfähige Vorgesetzte und Spitzenpolitiker mit dem Seziermesser auseinandernimmt.

Doch „Twenty Twelve“ hat keinen David Brent, keinen Malcolm Tucker zu bieten. Das Monster fehlt, der böse Blick auf öffentliche Personen fehlt, und das Ensemble von Olympia-Planern um Hugh Bonneville als Head of Deliverance Ian Fletcher, Amelia Bullmore als Head of Sustainability Kay Hope, Olivia Colman als Assistentin Fletchers, Jessica Hynes als Head of Brand Siobhan Sharpe und Karl Theobald als Head of Infrastructure Graham Hitchins ist infolgedessen leider recht konturlos geraten. Alle geben unaufhörlich ein ähnliches Nonsens-Gerede von sich: die enervierende PR-Nuß Siobhan, aber auch Kay Hope, die permament auf dem Unterschied zwischen „Legacy“ und „Sustainability“ herumreitet, und natürlich Fletcher als Kopf der Unternehmung und Repräsentant. Alle scheinen oft genug keine Ahnung von dem zu haben, was sie tun. Und ob es nun die Enthüllung einer Uhr ist, die den Countdown bis zum Beginn der Spiele herunterzählen soll, oder eine Busfahrt mit brasilianischen Funktionären zur olympischen Baustelle, die zur Odyssee wird: Nie wird es so richtig schlimm, nie wird die Lage aussichtslos, nie leidet man als Zuschauer mit einem Charakter mal richtig mit.

Statt dessen redet mal der eine, mal die andere Bullshit, und dann ist es vorbei. In der letzten, der zweiten Folge, wurde zur Verstärkung dieses Geschwätzes sogar der alte Gag der Dolmetscherin bemüht, die — haha! — etwas ganz anderes sagt, als sie eigentlich sagen soll, was dann natürlich voll entlarvend ist. Leider sind die Monologe, die langweiliges politisches Gerede karikieren möchten, hin und wieder tatsächlich langweilig. (Ein Fehler, über den James Cary in seinem Comedy-Blog ein schönes Stück geschrieben hat: nervige Charaktere und langweiliges Gerede, die tatsächlich nervig und tatsächlich langweilig sind.)

Selbst wenn „Twenty Twelve“ ab und zu mit Schmunzlern und (etwa einmal pro Folge) sogar mit einem richtigen Lacher aufwarten kann:  Die Zeit von Nachsicht mit ranghohen Funktionären ist vorbei, wahrscheinlich ist allmählich sogar die Zeit von Mockumentarys abgelaufen. Der warme Blick auf typisch englische Arbeitsweisen (besonders hier im Zusammenhang mit den Spielen, also unter den Augen der Weltöffentlichkeit), auf das muddling through, das britische Durchwurschteln also, scheint verfehlt — vor allem, weil die Fallhöhe eines milliardenschweren Projekts in den Händen von Schwätzern nach schweren Waffen geradezu schreit.