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Gervais: Doch nicht der Mongo, der man dachte?

Nach einem Screening von Ricky Gervais‘ Piloten „Derek“ (Channel 4, 12. April) sieht es nach einer überraschenden Wendung in der Meinung der Kritiker aus: Offenbar ist die Show rund um einen geistig Zurückgebliebenen/Behinderten, der in einem Altenheim arbeitet, doch nicht so offen beileidigend, wie man nach „Life’s Too Short“ (BBC2, 2011) annehmen konnte.

Tatsächlich sind sich die Online-Medien relativ einig: „Derek“ ist eine eher warme, freundliche Show, die keine Scherze auf Kosten ihrer Hauptfigur macht, bzw. jedenfalls nicht nur:

The cleverest part of the comedy is the thinly-veiled double entendre; on one hand, you might find cheap laughs in a mentally challenged man falling into a pond, but on the other hand you might find more rewarding comedy concealed in Derek’s interpretations of the world that surrounds him. Either way, it doesn’t take long before all threat is dispersed and you’ve established a tenable connection to Derek.

berichtet Heatworld, und der Digital Spy erwähnt „emotionale Momente, die unweigerlich kommen (es ist schließlich eine Ricky-Gervais-Show)“ und die Gervais‘ Potential als ernsthafter Schauspieler zum Vorschein brächten — Momente, in denen man mit der Hauptfigur aus tiefstem Herzen mitfühlt, was abermals ein großer Unterschied zu „Life’s Too Short“ oder Karl Pilkington in „An Idiot Abroad“ (Sky 1, seit 2010) wäre.

Apropos Pilkington: der spielt auch mit, allerdings quasi sich selbst. Überhaupt scheint von Anfang an in jedem Moment klar zu sein, dass wir es mit einer Show von Ricky Gervais zu tun haben: Es ist, logo, abermals ein Mockumentary-Format, allerdings ohne dass je erklärt würde, warum ein Kamerateam das Leben und Wirken Dereks in einem Seniorenheim dokumentieren sollte. So bleiben die Vergleiche mit „The Office“ und „Extras“ auch in der RadioTimes-Kritik nicht aus, aber: es sind Vergleiche mit den positiven Aspekten aus Gervais Vorgängerwerken. „Derek“ sei

a sensitive comedy drama that recalls the sudden cries from the heart we saw at the end of Extras and, particularly, The Office. Almost all those preconceptions are wrong. Almost all of them. Gervais is trying, if not to atone, then to progress — but he’s not been bold enough. Smears of old paint spoil the canvas.

Das alles klingt sehr nach einer der besseren Ideen von Gervais. Womöglich ist es sogar bedauerlich, dass Channel 4 keine ganze Staffel „Derek“ bestellt hat. Chortle jedenfalls schließt mit der Bemerkung, Gervais käme hier wesentlich „aufrichtiger“ rüber, viel weniger frivol als in anderen Shows, und das will ich mir gerne ansehen.

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UPDATE: Ricky Gervais äußert sich nun selbst zu „Derek“:

He’s lovely and kind. Whatever he thinks and does is the nice way to go. He knows what he likes and does everything with passion and honesty.

I’ve never thought of him as disabled. He’s not that bright but neither are Kev [David Earl’s character] or Karl. He’s cleverer than Baldrick and Father Dougal and he certainly hasn’t got as big a problem as Mr Bean. When portraying someone with disabilities I usually get someone with that disability to play them.

People assume my work is cynical and outrageous and it’s never been. I’ve always liked realism. There’s nothing better than real life. I like getting close to real emotions. It’s just that people don’t quite expect it if they’ve been having a laugh.

Der vollständige Text findet sich bei Chortle, wo auch berichtet wird, über eine volle Staffel sei bei Channel 4 noch gar nicht entschieden worden.

  1. Jeun
    29. März 2012, 09:47 | #1

    So do I. Die Frage aber lautet: wo?

  2. NFW
    3. April 2012, 07:54 | #2

    Mal schauen… man kann sich die Sache ja ganz legal online via 4oD anschauen, oder nicht? Hört sich ja alles ganz menschlich und warmherzig an- und genau das war es, was mir zuletzt bei the Office gefallen. Und das hat David Brent auch für seine deutschen Epigonen so unerreichbar gemacht. Denn wenn man immer nur draufhaut um des vermeintlich guten Witzes willen, und dann auch noch über Schwächere herzieht, heißt das noch lange nicht, daß man die Höhen der Komik auch erreicht (abgesehen von Gervais wäre z.B. auch Frankie Boyle ein gutes Beispiel). „Offensiveness for the sake of offensiveness“ wird nämlich ziemlich schnell fade. Nicht daß ich es ZU kuschelig mag: aber meistens macht’s nun mal die richtige Mischung.

  3. Torsten
    3. April 2012, 12:16 | #3

    @NFW: Japp, sehr gut beschrieben. Gervais hat es bei The Office (und auch Extras) wirklich sehr gut geschafft, gleichzeitig bösartig und unverblümt und dennoch menschlich und nie zu fies rüber zu kommen, was man von dem bestenfalls mittelmäßigen deutschen Abklatsch nicht behaupten kann. Vielmehr ist gerade das ach so tolle, hochgelobte Stromberg doch ein gutes Beispiel, wie in der deutschen Comedy hintergründige Subtilität durch vordergründige Brachialität und Grausamkeit ersetzt wird: Ein depressiver, verschrobener Außenseiter, der gemobbt wird bis zum Suizidversuch, eine Dicke, die schließlich an ihrer ungesunden Lebensweise stirbt, etc. – na ja, wem’s gefällt…

    Na ja, back to topic, die Beschreibung von „Derek“ hört sich dann ja doch ganz gut an, das würde ich auch gerne sehen. Vielleicht findet Gervais ja tatsächlich noch mal zu alter Stärke zurück.

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