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Ist das wirklich lustig?

Das wird jetzt ein bisschen überraschen: Heute muss ich dem SZ-Magazin mal zustimmen! Obwohl es um Humor geht! Aber keine Sorge, das geht vorbei. Ziemlich schnell sogar.

Denn heute schreibt Tobias Haberl den Text zum Titel und kommt zu dem Schluss, dass Comedians, die auf Vorurteile und Klischees gegenüber Unterprivilegierte setzen, nicht lustig sind — auch nicht, wenn sie selbst unterprivilegiert sind oder zu sein scheinen. Türkischstämmige etwa wie Bülent Ceylan, oder Ost-Unterschichtler wie Cindy aus Marzahn respektive ihre Darstellerin Ilka Bessin.

So weit, so gut, so schlicht. Daraus wird allerdings nur ein Stück, weil dieser Erkenntnis ein Widerspruch vorausgeht: nämlich der, dass Bülent Ceylan im vergangenen Jahr Mario Barth als erfolgreichster Comedian abgelöst habe, also ein Mann, der schon für den Ausruf „Türk!“ von seinen Fans mit brüllendem Gelächter belohnt wird, — obwohl wir Deutsche doch so politisch korrekt seien!

„Das gesellschaftliche Leben ist geprägt von einem fast totalitären Sinn für Respekt und Toleranz“, schreibt Haberl, und stellt die Frage, ob „die sogenannten Comedians Stereotypen nicht aufbrechen, sondern bestätigen, reproduzieren, verfestigen.“

Und da muss man doch mal sagen: Jedes Land hat den Humor, den es verdient, und wenn Haberl glaubt, Deutschland sei ein Land der „politischen Korrektheit“ (ich gehe mal gar nicht erst drauf ein, wie schwierig dieser Begriff ist), dann muss ich feststellen: offenbar leben wir in verschiedenen Ländern, Haberl und ich. Ich jedenfalls lebe in einem, wo Antisemiten sich ihres Antisemitismus‘ heute weniger bewusst sind als vor zehn Jahren und die gesammelte Journaille jemandem wie Jakob Augstein geschlossen zur Seite springt, ohne auch nur hinzuhören, was Augstein und/oder diejenigen, die ihm Antisemitismus vorwerfen, genau sagen. In einem Land, in dem „Bimbo“ und „Kanake“ keine Schimpfworte sind. In dem Hierarchien und ihr Ausleben zum Volkssport gehören.

Mal im Ernst: Wie sollte, wie könnte der mehrheitsfähige Humor der Deutschen die Mehrheitshaltungen der Deutschen nicht ausdrücken? Humor ist doch kein Medium für das Gute, Schöne und Wahre; er erzieht nicht, transportiert keine Weisheit und auch keine Informationen (auch wenn sie das bei der Süddeutschen gerne hätten), er ist nicht per se pädagogisch oder aufklärerisch — er kommt aus dem Volk und ist für das Volk. In seinem Humor spiegelt sich ein Volk und sein Charakter. Ist das erstaunlich? Ich finde nicht.

  1. Kenny
    18. Januar 2013, 17:59 | #1

    Wenn der wikipedia-Artikel über ihn stimmt, frage ich mich was an Ceylan eigentlich „türkischstämmig“ sein soll, außer vielleicht sein Name: er wurde in Mannheim geboren, und so weit ich weiss liegt Mannheim ziemlich weit außerhalb der Türkei. Den Herrn Grass würde doch auch niemand einen polnischstämmigen Nobelpreisträger nennen – obwohl der damals ja sogar im heutigen Polen geboren wurde. Ceylan ist also genaugenommen ein mannheimstämmiger Komiker, mehr nicht. „Unterprivilegiert“ scheint er auch nicht zu sein, denn wäre er das oder wäre er das früher mal gewesen, würde er in seinem Programm sicher einen anderen Ton anschlagen. Dann hätte er aber auch nicht so viele „deutschstämmige“ Anhänger wie jetzt.

  2. Effy
    18. Januar 2013, 21:57 | #2

    Ein Erklärungsversuch:
    Ein Hauptbestandteil der Toleranz ist die Angst vor dem Fremden, würde ich etwas nicht als fremd empfinden, müsste ich es nicht tolerieren. Die Vorspiegelung dieses Fremden durch die Stereotypen auf der Bühne bewirkt ein Gefühl der Befreiung vor der Angst und dadurch wird das Ganze komisch.

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