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Lose Enden

10. Januar 2019 4 Kommentare

Nach Weihnachten, Neujahr und einer kleinen krankheitsbedingten Auszeit folgt nun ein unqualifizierter Zwischenruf — das Jahr geht ja gut los! Unqualifziert, weil ich Charlie Brookers „Black Mirror“-Spezial „Bandersnatch“ immer noch nicht gesehen habe, aber nichtsdestoweniger etwas dazu loswerden möchte:

Nämlich dass ich nichts mit dieser Form der „Interaktivität“ anfangen kann. Welchen Sinn soll es haben, Geschichten zu erzählen, bei denen ich als Zuschauer bestimmen soll, wie es weiter geht? Entweder will ein Autor eine Geschichte erzählen — oder halt nicht. Und entweder möchte ich mir eine Geschichte erzählen lassen, oder eben nicht. Seit wann sind Zuschauer die besseren Autoren? Haben Picasso oder van Gogh ihre Bilder von Museumsgängern zuende malen lassen? Und wenn ja, was wäre dabei wohl herausgekommen?

Habe ich kürzlich doch in eine Folge „Notruf Hafenkante“ oder was hineingezappt, nur um zu sehen, dass diese vermeintliche Mitentscheidung der Zuschauer bereits im Vorabendproramm angekommen ist. Da mussten sich die Zuschauer per Televoting dafür entscheiden, ob die tapfere Polizistin die letztlich sympathischen Tunichtgute am Ende davonkommen lässt oder sie einbuchtet. Was entweder in oder out of charakter der Polizistinnen-Figur ist — oder vollkommen egal. Und billig zu produzieren, denn dafür muss ich nur die gleiche Szene zweimal drehen, es ist schließlich die letzte der Episode. Was soll’s.

Nein, diese Form der vermeintlichen Mitbestimmung halte ich für künstlerisch wertlos. Alle Experimente haben bislang ergeben, dass sich Menschen, wenn sie sich zwischen Kunst und Bildern entscheiden müssen, wie man sie zu Billigrahmen im Baumarkt dazubekommt, sich immer für Katzen- und Bauarbeiter-auf-Stahlträger-Bilder entscheiden. Wie auch anders, schließlich muss Kunst, muss Geschichten eine Idee zugrunde liegen, die sich dem Betrachter oft nicht auf den ersten Blick erschließt, sondern nur, wenn man etwas Arbeit investiert. Ein Arbeitsbündnis zwischen Künstler und Rezipient braucht’s schon.

Nun habe ich schon verstanden, dass Brooker, Fuchs der er ist, offenbar für die Idee entschieden hat, genau das zum Gegenstand zu machen: dass es ganz egal ist, wie man sich entscheidet, weil man, egal welche Entscheidung man trifft, immer zu einem (gleich) bösen Ende kommt. Was bedeuten würde, dass man diese Form des Erzählens damit auch wieder ad acta legen kann.

Ich hoffe, dass das möglichst schnell geschieht — und hätte mir statt „Bandersnatch“ lieber mal wieder einen Jahresrückblick von Brooker gewünscht. Dieses Jahr?