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Artikel Tagged ‘Black Mirror’

Lose Enden

10. Januar 2019 4 Kommentare

Nach Weihnachten, Neujahr und einer kleinen krankheitsbedingten Auszeit folgt nun ein unqualifizierter Zwischenruf — das Jahr geht ja gut los! Unqualifziert, weil ich Charlie Brookers „Black Mirror“-Spezial „Bandersnatch“ immer noch nicht gesehen habe, aber nichtsdestoweniger etwas dazu loswerden möchte:

Nämlich dass ich nichts mit dieser Form der „Interaktivität“ anfangen kann. Welchen Sinn soll es haben, Geschichten zu erzählen, bei denen ich als Zuschauer bestimmen soll, wie es weiter geht? Entweder will ein Autor eine Geschichte erzählen — oder halt nicht. Und entweder möchte ich mir eine Geschichte erzählen lassen, oder eben nicht. Seit wann sind Zuschauer die besseren Autoren? Haben Picasso oder van Gogh ihre Bilder von Museumsgängern zuende malen lassen? Und wenn ja, was wäre dabei wohl herausgekommen?

Habe ich kürzlich doch in eine Folge „Notruf Hafenkante“ oder was hineingezappt, nur um zu sehen, dass diese vermeintliche Mitentscheidung der Zuschauer bereits im Vorabendproramm angekommen ist. Da mussten sich die Zuschauer per Televoting dafür entscheiden, ob die tapfere Polizistin die letztlich sympathischen Tunichtgute am Ende davonkommen lässt oder sie einbuchtet. Was entweder in oder out of charakter der Polizistinnen-Figur ist — oder vollkommen egal. Und billig zu produzieren, denn dafür muss ich nur die gleiche Szene zweimal drehen, es ist schließlich die letzte der Episode. Was soll’s.

Nein, diese Form der vermeintlichen Mitbestimmung halte ich für künstlerisch wertlos. Alle Experimente haben bislang ergeben, dass sich Menschen, wenn sie sich zwischen Kunst und Bildern entscheiden müssen, wie man sie zu Billigrahmen im Baumarkt dazubekommt, sich immer für Katzen- und Bauarbeiter-auf-Stahlträger-Bilder entscheiden. Wie auch anders, schließlich muss Kunst, muss Geschichten eine Idee zugrunde liegen, die sich dem Betrachter oft nicht auf den ersten Blick erschließt, sondern nur, wenn man etwas Arbeit investiert. Ein Arbeitsbündnis zwischen Künstler und Rezipient braucht’s schon.

Nun habe ich schon verstanden, dass Brooker, Fuchs der er ist, offenbar für die Idee entschieden hat, genau das zum Gegenstand zu machen: dass es ganz egal ist, wie man sich entscheidet, weil man, egal welche Entscheidung man trifft, immer zu einem (gleich) bösen Ende kommt. Was bedeuten würde, dass man diese Form des Erzählens damit auch wieder ad acta legen kann.

Ich hoffe, dass das möglichst schnell geschieht — und hätte mir statt „Bandersnatch“ lieber mal wieder einen Jahresrückblick von Brooker gewünscht. Dieses Jahr?

Jahresendabstimmung – die Auswertung

22. Dezember 2014 3 Kommentare

Unter den ersten drei Britcoms zwei amerikanische Serien (oder zumindest Coproduktionen), das hat es auch noch nicht gegeben. Ich meine allerdings, dass das mehr damit zu tun hat, dass „You’re the Worst“ und „Episodes“ sehr gut waren, und weniger damit, dass der Rest so schwach war.

Dass sich mein persönlicher Geschmack mit dem der Leser/Wähler so deckt, finde ich sehr erfreulich, ich würde den meisten Platzierungen auch zustimmen — bis auf „Mr. Sloane“, den ich auf dem 10. Platz überraschend weit abgeschlagen finde. Zu bieder in der Anmutung vielleicht? Zu britisch in der Haltung?

„Plebs“ vom zweiten Platz 2013 auf Rang acht abgerutscht: leider zu Recht, die zweite Staffel war schwächer als die erste — nicht sehr viel schwächer, aber doch spürbar.

Dass mit „Derek“ eine Sitcom von und mit Ricky Gervais einmal so marginalisiert würde (eine Stimme! EINE!), hätte noch vor ein paar Jahren vermutlich auch niemand vorhergesehen. Ich kann mir genaugenommen keine Meinung leisten, weil ich bis auf den Piloten und eine Folge der ersten Staffel (glaube ich), gar nichts davon gesehen habe. Aber mein educated guess wäre: das hat schon seine Berechtigung.

Graham Linehan, sonst immer etwa mit „The IT Crowd“ gut im Rennen, ist nach einem dritten Platz im letzten Jahr mit „Count Arthur Strong“ dieses Jahr nur noch sehr unprominent mit „The Walshes“ unterwegs — vielleicht ist der walisische Humor schwächer als der englische und irische („Father Ted“).

„Sherlock“ auf Platz eins der Dramaserien überrascht mich nicht im Geringsten; „Happy Valley“ auf Platz zwei (mit allerdings nur halb so vielen Stimmen wie „Sherlock“) freut mich, weil es da zu Recht gelandet ist. „The Driver“ hat womöglich einfach nicht die Aufmerksamkeit gefunden, die der Miniserie zustünde, die nämlich besser ist als ein vorletzter Platz.

Dass mit „Fargo“ die komischste der amerikanischen Dramaserien noch knapp vor dem sehr guten, aber vollkommen humorfreien „True Detective“ ins Ziel gekommen ist, ist einem Blog, in dem es vorwiegend um Komisches geht, völlig angemessen — auch ich hätte genau so gestimmt. Interessant, dass genau diese beiden Serien auch so abräumen — „Orange is the New Black“ hat zwar immer noch halb so viele Stimmen wie „Fargo“, aber alles danach fällt schon rapide ab.

Wie jedes Jahr ist es schade, dass die Weihnachts-Specials aus diesem Poll rausfallen; „The Wrong Mans“ z.B. werden ja mit einem Zweiteiler á eine Stunde noch einmal von der Länge her beachtlich nachlegen. Ansonsten wird man von James Corden im fiktionalen Zusammenhang vermutlich im nächsten Jahr nicht mehr so viel sehen, tritt er doch demnächst die Nachfolge von Craig Ferguson als Host der „Late Late Show“ auf CBS an. Was mich einigermaßen verblüfft hat, denn als Stand up-Comedian und Moderator hatte ich ihn gar nicht so auf dem Zettel.

Und um noch ein Weihnachts-Special ist es schade, dass es nicht im Poll war: Charlie Brookers „Black Mirror“-Special mit Jon Hamm ist wieder einmal sehr schön geworden. Dafür einen Sonderpreis!

Und damit jetzt schon mal frohes Fest und guten Rutsch allen Lesern!

Jahresendabstimmung: Die Auswertung

16. Dezember 2013 Keine Kommentare

Die Auswertung der Britcoms-Polls fällt dieses Jahr ein bisschen knapp aus: Schon weil nicht sehr viele Leser gevotet haben und die Ergebnisse damit nicht sehr aussagekräftig sind. („Some Girls“ z.B. taucht nur deshalb so weit oben auf, weil jemand aus Wien praktisch jeden Tag dafür abgestimmt hat — wer und warum, darüber kann ich nur spekulieren.)

Interessant finde ich, dass mehr Leser bei den ComedyDramas abgestimmt haben als bei den Sitcoms — vielleicht, weil da das Angebot in diesem Jahr nicht so groß war und die Wahl deshalb leichter fiel? Oder weil mit „The Wrong Mans“ und „Ambassadors“, von Charlie Brookers „Black Mirror“ mal ganz abgesehen, wirklich sehr starke Kandidaten nominiert waren?

Dass bei den Sitcoms „Family Tree“ ganz vorne gelandet ist, könnte gleich mehrere Gründe haben: vor allem den, dass Chris O’Dowd seit „The IT Crowd“ auch in Deutschland sehr zu recht einem vergleichsweise großen Publikum bekannt ist, und dass auch Christopher Guest seit „Spinal Tap“ zahlreiche Fans hierzulande hat. „Family Tree“ selbst aber ist bestimmt gut, m.M. aber nicht die beste Sitcom des Jahres. „Plebs“ kommt da schon näher dran — verdientermaßen in den Top drei. „Count Arthur Strong“ wiederum hat eventuell ebenfalls von „The IT Crowd“ und der Treue der Graham-Linehan-Fans profitiert, die Arthur möglicherweise gnädiger aufnehmen als Zuschauer, die die Serie ohne das Wissen um die Autorenschaft der Show gesehen haben. In Großbritannien jedenfalls ist „Count Arthur Strong“ weit weniger gut angekommen.

Wirklich schade finde ich nur, dass die zweite Staffel „The Café“ mit null Punkten nach Hause gegangen ist. Meine Begeisterung für die erste Staffel hat sich zugegeben auch nicht hundertprozentig auf die zweite übertragen, aber mehr als null Zähler hätte ich ihr schon zugestanden.

Tja, viel mehr kann man 2013 gar nicht über die Poll-Ergebnisse sagen. Außer dass „The Wrong Mans“ und „Ambassadors“, die jeweils fast doppelt so viele Stimmen bekommen haben wie die erfolgreichste Sitcom, offenbar beide einen Nerv getroffen haben. Wäre ich programmverantwortlich bei deutschen Fernsehsendern: ich würde beide Serien einkaufen! Und dann gleichzeitig auf ZDF.neo und Eins live laufen lassen, mwahahaHAHA! WEIL ICH BÖSE BIN!

Und damit Euch allen eine schöne Vorweihnachtszeit!

Familienpest

28. November 2012 Keine Kommentare

Hier das Humorkritik-Spezial aus der aktuellen Titanic mit allen Kaufempfehlungen für’s Weihnachtsfest. Von einer mal abgesehen: Ich würde außer den Sitcoms natürlich jederzeit und dringlichst zu Stewart Lees neuer Stand Up-DVD „Carpet Remnant World“ raten. Ich habe das Programm im Januar in London gesehen, und es ist wieder mal sehr gut — sollte mich wundern, wenn die DVD schlechter wäre.

Es ist trüb und kalt geworden draußen vor der Tür, und das ist nicht nur der wirtschaftlichen Gesamtlage geschuldet, aber auch. Und so wie in Großbritannien das Wetter traditionell noch ein bißchen schlechter ist als hierzulande, so verhält es sich auch mit der Konjunktur: Sie ist auch auf der lustigen Insel nur noch mit viel Alkohol und einer stiff upper lip zu ertragen. Was sich durchaus in der Comedyproduktion niederschlägt.

Tatsächlich haben etliche britische Sitcoms des vergangenen Jahres die Wirtschaftskrise direkt oder indirekt thematisiert: in „The Café“ (Sky1) etwa arbeiten Großmutter, Mutter und Tochter in ihrem kleinen Promenaden-Kaffeehaus am Strand von Weston-super-Mare — bzw. arbeiten eben die meiste Zeit eher nicht, weil kaum noch Gäste kommen. Die jüngste Tochter des Café-Klans ist gerade aus London in ihre kleinstädtische Heimat zurückgekehrt, weil es als Kinderbuchautorin doch nicht geklappt hat, und genau dieses Motiv (hier bearbeitet von Craig Cash und Ralf Little, die schon mit „Royle Family“ Maßstäbe gesetzt haben) findet sich dieses Jahr in verblüffend vielen Sitcoms: die Rückkehr der Boomerang-Generation in ihr Elternhaus.

In „Parents“ (Sky1) ist es eine ganze Familie, nämlich Jenny (Sally Phillips), Nick und ihre Teenager-Kinder, die bei den Großeltern einziehen (müssen), nachdem sie ihren Job verloren hat und seine Geschäftsidee (ein Energydrink für Topmanager) nicht so richtig funktioniert, und in „Cuckoo“ (BBC3) ist es die gerade volljährige Tochter, die nach einem Gap Year aus Thailand zurückkommt — und ihren frisch angetrauten us-amerikanischen Hippiegatten Cuckoo (Andy Samberg, in den USA ein „Saturday Night Live“-Star) gleich mit einziehen lässt.

Der „IT Crowd“-Veteran Chris O’Dowd schließlich verlegt die Krise in seiner ersten eigenen Sitcom gleich dahin, wo sie historisch vertraut ist: ins Irland der späten Achtzigerjahre, wo der „Moone Boy“ (Sky1) Martin, 11, seine Kindheit mit zahllosen Geschwistern verbringt – und mit seinem unsichtbaren Freund (O’Dowd). Der gibt nicht immer kluge Ratschläge, steht Martin aber jederzeit für lange Gespräche zur Verfügung, ganz wie Martins gleichalten Nachbarskindern deren unsichtbare Freunde (u.a. Johnny Vegas als Wrestler). Eine brillante Idee, schön umgesetzt von O’Dowd als Autor, der eigenen Angaben zufolge etliche autobiographische Details verarbeitet hat, und Regisseur Declan Lowney, der mit „Father Ted“ (Channel 4, 1995 – ’98) schon eine unsterbliche irisch-britische Sitcom in seinem Lebenslauf stehen hat. „Moone Boy“, mitproduziert von Steve Coogans Firma Baby Cow (Coogan hat auch einen Gastauftritt) ist herzlich warm und trotzdem höchst komisch — und hat in diesem Text die dringlichste Kaufempfehlung.

Fällt Ihnen eigentlich etwas auf? In der Tat: drei von vier Top-Sitcoms des Jahres 2012 stammen nicht von der BBC, sondern von Sky1. Tatsächlich mausert sich Rupert Murdochs Bezahlkanal in Großbritannien gerade zum Comedylieferant Nummer eins. Das dürfte vor allem auf Lucy Lumsden zurückzuführen sein, die den bis dahin praktisch gesichtslosen Sender als Head of Comedy direkt an die Spitze katapultiert hat. Lumsden war über zehn Jahre Programmchefin der BBC-Comedy, und sie hat es geschafft, überraschend viele überraschend prominente Comedians mitzunehmen, obwohl sie bei diesem bislang doch eher unsympathischen Sender nur noch von einer eingeschränkten Öffentlichkeit wahrgenommen werden.

Zu diesen Stars gehört auch Ruth Jones, Nebendarstellerin und Coautorin der BBC3-Erfolgssitcom „Gavin & Stacey“ (2007 – ’10). Jones hat mit „Stella“ (Sky1) das wohl beste ComedyDrama des Jahres lanciert: eine abermals von Wirschaftsdepressionen und Familienglück geprägte walisische Serie rund um eine alleinerziehende Mutter (Jones), deren Sohn (zu Beginn der Serie) im Gefängnis sitzt, deren Ex sich eine superprollige neue Flamme angelacht hat und deren beste Freundin und Schwägerin, Bestattungsunternehmerin Paula, stets ihre Blutalkoholwerte messen muß, bevor sie sich hinter das Steuer ihres Leichenwagens setzen kann. Wie „The Café“ und „Moone Boy“ zeichnet auch „Stella“ der realistische Stil und die genaue Charakterzeichnung aus; wie alle genannten Serien ist auch diese (für ComedyDramas ist das ohnehin die Regel) mit nur einer Kamera und ohne Livepublikum (also ohne Lacher) gedreht.

Daß kaum noch altmodische Multikamera-Sitcoms gedreht werden, ist fast ein bißchen schade: bei „Me And Mrs Jones“ (BBC1) hätten die Produzenten sonst vielleicht gleich gemerkt, daß die Gags längst nicht so gut sind, wie die Autoren vielleicht dachten. Diese britische Cougar-Variation spielt abermals mit einem Generationenkonflikt: die eigentlich fantastische Sarah Alexander („Coupling“, „Green Wing“) als alleinerziehende Mutter (ja, noch eine alleinerziehende Mutter) und der beste Freund ihres zwanzigjährigen Sohnes, Billy (der ebenso brillante Robert Sheehan, „Misfits“), machen das Leben vieler Menschen unnötig kompliziert, weil sie sich zueinander hingezogen fühlen. Tatsächlich aber glaubt man als Zuschauer keine Sekunde an diese Konstellation, schon weil Alexander tatsächlich alt genug sein könnte, um einen Sohn von 20 Jahren zu haben, aber viel jünger aussieht. Und so gibt es zwar einige hübsche Pointen (daß an der Schule etwa von einem alleinerziehenden Mann als „DILF“ die Rede ist), aber die Figurenzeichnung ist doch eher schwach. Und das, obwohl Autorinnen wie Produzentinnen (ja, eine rein weibliche Serie) es von „Smack The Pony“ und „Green Wing“ her noch besser wissen und können müßten.

Besser wissen und können müßte es auch Ricky Gervais: dessen Zwergen-Sitcom „Life’s Too Short“ (BBC2) mit Warwick Davis bemüht nicht nur abermals den mittlerweile wirklich antiquierten Mockumentary-Stil, sondern auch all die alten Peinlichkeits-Witze, die zwar hin und wieder noch funktionieren, meistens aber genauso flach fallen wie der kleinwüchsige Davis, wenn er aus seinem SUV steigt.

Wenn schon vorlaute Zwerge, dann doch bitte wie in „Spy“ (abermals Sky1), einer eher schnellen und schön bunten Agenten-Sitcom, in der Tim (Darren Boyd) wie die Jungfrau zum Kind plötzlich zu einem Job als Spion kommt, was er seinem äußerst dominanten zehnjährigen Sohn aber genausowenig anvertrauen kann wie seiner Ex. In der Folge darf Boyd seine bewährte John-Cleese-Komik mit viel unterdrückter Wut und Verblüffung spielen, die schon „Whites“ und „Green Wing“ sehr unterhaltsam gemacht hat, wenn er sich, seinem schwachen Charakter folgend, immer wieder der Autorität seines Bankerts unterwerfen muß. Darren Boyd ist es auch, der zusammen mit Stephen Mangan „Dirk Gently“ (BBC4) vor dem Totalreinfall bewahrt hat, obwohl aus der Douglas-Adams-Adaption von Howard Overman („Misfits“) doch etwas mehr zu machen gewesen wäre. Genau wie aus „A Touch of Cloth“ (ja doch, schon wieder Sky1), dem Versuch von Charlie Brooker, eine Art „Nackte Kanone“ auf britisch zu machen: diese zweiteilige Parodie auf praktisch alle englischen Krimiserien darf als zwar ambitioniert und streckenweise sogar recht lustig gelten, hat aber keinen so bleibenden Eindruck auf mich hinterlassen, daß ich sie zur Einkaufspriorität erklären würde. Ebensowenig wie Brookers zweite Serie des Jahres, „Black Mirror“ (Channel 4), die in drei Folgen (von je anderen Autoren) mediale Dystopien entwirft, finstere Science-Fiction-Medienkritik, die für Fans von Brookers bösem Humor womöglich taugen, aber eher nicht mehrheitsfähig sind.

Da würde ich doch all die Serien vorziehen, die in diesem Jahr eine schöne zweite, dritte oder vierte Staffel auf den Schirm gebracht haben: die zweite Season der Olympia-Sitcom „Twenty Twelve“ (BBC2/BBC4), der Puppen-Comedy „Mongrels“ (BBC3), der Sitcomautorensitcom „Episodes“ (BBC2/Showtime) oder die Specials des Uralt-Klassikers „Absolutely Fabulous“ (BBC1), „Ab Fab At 20“, die dieses Jahr gezeigt haben, dass das Comedykonzept von Jennifer Saunders auch zwanzig Jahre nach der ersten Folge noch tadellos funktioniert. Fast so alt ist die Figur des Alan Partridge (Steve Coogan), und auch seine neue Miniserie „Alan Partridge: Midmorning Matters“ (Sky Atlantic) macht Spaß und läßt darauf hoffen, daß der lange angekündigte Partridge-Kinofilm im nächsten Jahr endlich Formen annimmt. In diesem Sinne: Happy New Year!

Charlie Brooker verkauft sich!

29. Februar 2012 Keine Kommentare

Bzw. seine neue DVD „Charlie Brooker’s Black Mirror“: die steht seit Montag in den Online-Regalen Ihres Internets. Wer wissen möchte, worauf er sich da einlässt, ist gut beraten, die Blogeinträge von kürzlich nachzulesen: Da sind alle drei Folgen besprochen. Wer bei Amazon.uk shoppen kann: dort ist es etwas günstiger.

„Black Mirror“ zum Dritten

20. Dezember 2011 2 Kommentare

Nach zwei Verrissen und der Prognose, die Serie könne man insgesamt wohl abschreiben, muß ich nun doch noch etwas zum dritten Teil von Charlie Brookers „Black Mirror“ (Channel 4) und zur Ehrenrettung der Serie sagen: Die letzte Folge war nämlich gut.

https://www.youtube.com/watch?v=3bFCqK81s7Y?version=3&hl=de_DE

„The Entire Hirstory of You“ (Autor hier mal nicht Brooker, sondern Jesse Armstrong) hatte die mit Abstand glaubwürdigste Geschichte der Serie zu erzählen und tat dies sehr geradlinig, schnörkellos fast, mit einem Plot, wie er auch in jedem anderen Drama hätte ausgebreitet werden können (ja, der Comedy-Aspekt kam diesmal sehr kurz): der junge Anwalt Liam (Toby Kebbell) kommt von einem eher erfolglosen Vorstellungsgespräch zu einer Party, wo er seine Frau Ffion (Jodie Whittaker) dabei beobachtet, wie sie in mehreren Situationen fast flirtös mit dem Gast- und Angeber Jonas (Tom Cullen) redet. Später stellt er sie zur Rede und findet seinen Verdacht bestätigt: Ffions und Jonas‘ Affäre, vor Liams Zeit, war länger als die eine Woche, von der sie bis dahin immer geredet hatte. Sie war sogar länger als der Monat, den sie dann zugibt.

*** Hmpfja: Spoiler, again. ***

Im Unterschied zu den uns bekannten Konflikten, die sich aus solchen kleinen und großen Lügen ergeben, wenn sie auffliegen, gibt es hier aber ein tückisches kleines Gerät, das „grain“ genannt wird und das sich alle, die Spaß an solchen Gadgets haben, hinter einem Ohr haben implantieren lassen: Ein Aufzeichnungsgerät, das es ermöglicht, alles, was man je erlebt hat, in Stereo und HD abermals zu sehen und zu hören — ein Festplattenrekorder für die Realität, der Ehekrächen ungeahnte Möglichkeiten bietet. Denn man kann seine Aufzeichnungen entweder sich selbst vor Augen führen (was die Regie mit einer milchigen Färbung der Augen darstellt, zusammen mit dem abwesenden Gesichtsausdruck ein schön zombieesker Effekt) oder auf abermals ubiquitären Bildschirmen (die Show muß ihrem Namen ja gerecht werden) auch mit Freunden teilen kann. Oder eben mit treulosen Ehefrauen.

Ein Gedankenspiel, das gar nicht so weit von der Realität weg ist: Die lückenlose Dokumentation der individuellen Wahrnehmung hat ja längst begonnen; dank Handy-Kameras und Facebook kann jeder, der das möchte, jedes einzelne Mittagessen (bzw. die Bilder davon) mit allen teilen, die es interessiert — von da bis zu legendären Partys, die man noch Monate und Jahre später zusammen mit Freunden aus der Perspektive jedes einzelnen wieder und wieder ansehen kann, ist es nur noch ein kleiner Schritt.

Genauso klein aber ist der Schritt dahin, sich peinliche und demütigende Momente immer und immer wieder ansehen zu können. Oder zu müssen, zwanghaft, wie Liam, der sich schon im Taxi zur Party den letzten Satz seines Vorstellungsgespräches immer wieder ansieht bzw. -hört: „We hope we’re looking forward to seeing you again.“ Nicht gerade vertrauensfördernd, sich diesen Satz immer wieder sagen zu lassen.

Oder natürlich: Sex. Bei der Party etwa wirft Jonas aufrichtig, aber auch großmäulig in die Runde, er säße oft lieber im Wohnzimmer und sähe sich die re-dos früherer erotischer Abenteuer an, als zu der Frau in seinem Schlafzimmer zu gehen und mit ihr richtigen Sex zu haben. Eine Vorstellung, die Liam, ohnehin unsicher, nicht gefallen kann: daß sich Jonas immer wieder den Sex ansieht, den er mit seiner, Liams, jetzigen Frau hatte. Welche erschütternden anderen Möglichkeiten es gäbe, erzählt Armstrong (der überhaupt viele Ideen en passant anspielt, die sich aus der Grundidee ergeben könnten) in einer späteren Szene, als Liam und Ffion wilden Sex haben. Beziehungweise eben nicht — sie haben eher schlechten Blümchensex und sehen sich währenddessen die Aufzeichnung einer stürmischeren Nacht an.

Es endet alles nicht schön: der Untreue überführt per Videobeweis, der endlos rekapituliert werden kann — das ist eine ziemlich gruselige Vorstellung. Und das sogar obwohl (oder gerade weil) Liam eher unsympathisch dargestellt wird und das Mitgefühl bei der untreuen Nuß von Ehefrau liegt, in deren Vergangenheit gnadenlos herumgestochert wird.

Es hätte gewiß ambitioniertere Geschichten gegeben, die sich auf der Grundlage dieser Idee hätten entwickeln lassen — ganze Steven-Spielberg-Filme (mit Tom Cruise in der Hauptrolle) lägen da im Bereich des Denkbaren. Aber gerade diese einfache Erzählung, an die jeder anschließen kann, hat mich für sich eingenommen, eben weil sie keine „Jeder sein eigener Privatdetektiv“-Story entwickelt hat, sondern eine menschliche, persönliche, emotionale. Für Jesse Armstrong, Autorenduohälfte von „Peep Show“ und „Fresh Meat“ sowie „The Thick of It“, eine ungewöhnlich ernste Story, aber genauso clever und geistreich wie seine bisherigen Arbeiten. Mehr davon und weniger von Brookers seltsamen bis haarsträubenden Ideen — oder vielleicht einfach doch eine andere Reihenfolge, in der sich die Extreme steigern statt abzunehmen — hätten „Black Mirror“ womöglich gut getan.