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Artikel Tagged ‘Declan Lowney’

Kleiner Mann auf großer Leinwand

6. Dezember 2013 2 Kommentare

Muss man die „Alan Partridge„-Saga von drei Staffeln Sitcom, zwei Specials, einer Mini-Series und etlichen kleinen Auftritten in „The Day Today“ (BBC2, 1994) gesehen haben, um Alan in seinem erste großen Kinofilm „Alan Partridge: Alpha Papa“ genießen zu können?

Nein. Aber es hilft.

Ein Kinofilm braucht große Bilder, und „Alpha Papa“ liefert: eine Geiselnahme und die daran anschließenden Verfolgungsjagd durch die nordenglische Provinz samt großem Polizeiaufgebot, Schießereien und Menschen, die in Toilettenfenster klettern wollen und dabei ihre Hose verlieren. Die Geschichte dreht sich dabei um eine kleine Digitalradiostation, North Norfolk Digital, die von ihren neuen Eigentümern zwangsverjugendlicht werden soll — weg mit dem alten gemütlichen Radiogeplauder, her mit formatiertem Jinglegeballer und der aufgekratzten guten Laune von Frühstücksradiozombies.


Alan, mittlerweile Mitte fünfzig, und sein irischer Kollege Pat (Colm Meaney) stehen ganz oben auf der Abschussliste, und nachdem Alan Pat im Handumdrehen verraten und verkauft hat, dreht der durch, nimmt Geiseln und beginnt, aus der besetzten Radiostation sein eigenes Programm zu senden — mit Alan als von der Polizei ausgewähltem Vermittler und Pats partner in crime („guest“, korrigiert Alan Pat schnell). Doch früher oder später muss Pat darauf kommen, dass niemand anderes als Alan für Pats Rauswurf verantwortlich ist.

Alan Partridge wieselt sich mal wieder durch und changiert zwischen Entsetzen und Schwäche angesichts der großen Aufgabe und einem überdimensional aufgeblasenem Ego, das er aus seiner Rolle als „Gesicht der Geiselnahme“ zieht. Zu dem wird er von den lokalen Medien schnell gemacht, und diese Rolle nimmt er gerne an, nicht zuletzt, weil der Chef der neuen Besitzer von North Norfolk Digital (oder Shape, wie die Station inzwischen heißt), ihm einen prominenten Moderatorenposten in Aussicht stellt.

Steve Coogan, Armando Iannucci, Peter Baynham und Neil und Rob Gibbons als Autoren sowie Declan Lowney als Regisseur (der auch schon bei „Father Ted“ Regie geführt hat) ist mit „Alpha Papa“ eine gute Mischung aus Slapstick und „Alanisms“ gelungen, den für Alan typischen Weisheiten („Never, never critisise Muslims! Only Christians! And Jews a little bit.“) Viele Figuren aus dem Partridge-Universum tauchen wieder auf: seine verhärmte Assistentin Lynn (Felicity Montague, kaum verändert seit damals), Alans Moderatorenkollege Dave Clifton (Phil Cornwell) und, hier nicht als Hotelangestellter, jedoch abermals als beinah unverständlicher Geordie, Simon Greenall. Und auch Alans Sidekick seit der Fosters-Miniserie, Simon (Tim Key), als der viel schlagfertigere, komischere, aber stets von Alan geduckte Comoderator, funktioniert hier gut.

Aber obwohl „Alpha Papa“ kein Reboot ist (anders als etwa „In The Loop“, das zwar deutlich auf „The Thick of It“ beruhte, aber in einer Art Paralleluniversum zu spielen schien), haben Coogan und Co. klugerweise darauf verzichtet, allzu viele Anspielungen und Bezugnahmen auf Alans Vergangenheit einzubauen — sein Markenzeichen, das „Ahaaa“ aus „Knowing Me, Knowing You“ (BBC2, 1994) taucht zum Beispiel gar nicht mehr auf. Der Film, das versteht sich ohnehin von selbst, soll eigenständig funktionieren, und das tut er auch.

Fast.

Denn ein kleines Problem scheint mir doch nicht ganz gelöst worden zu sein: Alan Partridges Charakter musste sich für den Film ändern. Alan ist nicht mehr so ein Arschloch wie früher, er braucht für 90 Minuten einfach die Sympathie des Zuschauers, sonst würde er vermutlich unerträglich. Aber prompt ist er eben nicht mehr ganz Alan Partridge — und „Alpha Papa“ ist, wie ein Kritiker schrieb, darum eigentlich mehr ein Film, wie ihn Alan Partridge über Alan Partridge drehen würde: einer, in dem Alan auch mal Held sein darf.

Zu dem wird er nämlich zwischendurch: in einer Wendung des Films ist Alan (und auch Pat, dem seine Zuhörer am Rande der Verfolgungsjagd zujubeln) plötzlich ein Widerstandskämpfer, er steht auf einmal für die Unbeugsamkeit des kleinen Mannes, der gegen die Zurichtung des Großkapitals aufbegehrt. Eine Wendung, die ich sehr lustig fand, die aber im Film nicht so weit ausgespielt wird, wie ich es kurz vermutet habe — weil sie nämlich im Grunde gegen die Figur Alans geht: Niemals, nie im Leben hätten dem „alten“ Alan Partridge seine Zuhörer zugejubelt. Ganz im Gegenteil. Sie hätten ihn mit faulen Eiern beworfen.

Am lustigsten war Alan früher, als er klein, schwach und jämmerlich und doch von oben herab war, als er seine Position als Moderator dazu ausnutzte, seine Gäste klein zu machen und sie, wenn auch nicht immer absichtlich, ihre Defizite spüren zu lassen. Er war ein Würstchen, unreif in seinen sozialen Umgangsformen, hin und wieder trotzig, immer feige. Sich dessen aber nicht so bewusst wie beispielsweise David Brent. Er war kein Held, kein Retter des alten Radios vor dem gesichtlosen Formatradio. Er war ein Jammerlappen.

Der ist er hier nicht mehr, kann es vielleicht auch innerhalb des Filmformats auch nicht sein, ist aber trotzdem noch ein kleiner Mann auf einer (zu) großen Leinwand — ein Dilemma, das sich vermutlich kaum lösen ließ.

Das ruiniert den Film keineswegs, „Alpha Papa“ ist nach „The World’s End“ der komischste britische Film des Jahres. Aber er wirkt weniger filmisch als „The World’s End“, ist weniger großes Kino als eben Fernsehen, ins Kino übersetzt. Vielleicht hat er auch deswegen den Sprung nach Amerika und auf den Kontinent (soweit ich weiß) nicht geschafft, anders als „The World’s End“.

Vielleicht hätte „Alpha Papa“, um an äußerer wie innerer Größe zu gewinnen, dann eben doch den Trick anwenden sollen, den das „Inbetweeners“-Movie angewendet hat (wie auch „In The Loop“, die „Mister Bean“-Filme und bestimmt noch ein paar andere, die aus Fernsehserien entstanden sind) — und ins Ausland gehen, etwa in die USA. Das haben die Produzenten von „Alpha Papa“ recht schnell ausgeschlossen, und ich bewundere sie für diese Entscheidung, weil sie dafür spricht, dass Iannucci, Baynham und Coogan dem Charakter Alans treu zu bleiben versuchten, der nun einmal in die Provinz gehört.

Aber für den Film wäre ein ganz anderes Setting dann vielleicht doch eine stabilere Grundlage gewesen.

„Alpha Papa“ ist seit Montag auf DVD und BluRay erhältlich.

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16. Oktober 2012 2 Kommentare

Die gute Nachricht: eine der besten Serien dieses Jahres, „Moone Boy“ (Sky 1) von und mit Chris O’Dowd („The IT Crowd“), gibt es jetzt auf DVD zu bestellen. Das sollte sich niemand entgehen lassen, der den irisch-britischen Humor von O’Dowd mag, den er mit Graham Linehan teilt — kein Zufall, dass „Moone Boy“ mehrfach auf die beste irisch-britische Sitcom aller Zeiten, „Father Ted“, anspielt, die ebenso von Linehan stammt wie „The IT Crowd“. (Von „Father Ted“ gibt es zu Weihnachten übrigens — schon wieder — ein neues Boxset, diesmal hoffentlich mit etwas intuitiver verständlichem Menü.) Beide Serien teilen sich darüberhinaus den gleichen Regisseur, nämlich Declan Lowney.

Die womöglich schlechte Nachricht: für gewöhnlich erscheinen die DVDs der ersten Staffel nicht schon direkt nach dem Ende der Erstausstrahlung, sondern dann, wenn die zweite Staffel anläuft — also in der Regel ein Jahr nach der ersten. Ich hoffe mal, dass diese schnelle Publikation in diesem Falle nicht bedeutet, dass es keine zweite Staffel geben wird, obwohl ich das nicht für ausgeschlossen halte. Denn die imaginären Freunde von Kindern, das zentrale Feature dieser Serie, überleben ja nur selten (und dann vermutlich eher in klinischen Fällen) die Pubertät, und Martin (David Rawle) steht direkt vor seiner. Das wäre durchaus schade. Aber vielleicht finden O’Dowd und sein Coautor Nick Vincent Murphy ja sogar einen Weg, auf die Figur des unsichtbaren Freundes zu verzichten, wer weiß.

Der unsichtbare Zweite

17. September 2012 7 Kommentare

Es gibt Sitcoms, die haben eine so gute Grundidee, dass man sich in ihnen sofort zuhause fühlt. Eine Idee, die so brillant ist, dass sie naheliegend erscheint (obwohl dann ja auch schon mal jemand anderes hätte draufkommen können). Wenn diese Idee dann auch noch so schön umgesetzt ist, dass man als Zuschauer das Gefühl hat, genau diese Serie hätte man lange vermisst, obwohl man sie noch gar nicht gesehen hat —

dann könnte es sich um Chris O’Dowds „Moone Boy“ handeln (gerade angelaufen bei Sky1, die einmal mehr ein Händchen für Comedy beweisen). „Moone Boy“ erzählt die Geschichte einer Kindheit: Martin ist elf und hat, wie viele Kinder, einen unsichtbaren Freund. Unsichtbar aber nur für die Menschen in der Story; wir können ihn durchaus sehen: Es ist Sean (Chris O’Dowd, „The IT Crowd“), der ihm immer zur Seite steht. Mal mit klugen, mal mit weniger klugen Ratschlägen, manchmal nur, um allzu derbe Schimpfworte mit seinem Banjo zu übertönen. Einmal hilft er Martin (David Rawle) bei einem Liebesbrief: „You smell even nicer than…“ — „Crisps.“ („I smell like crisps?“ fragt später die Adressatin. Martin: „Nicer!“) Und Sean ist genauso uncool wie Martin, das sieht man schon daran, dass sie beide die gleiche schlimme Wollmütze tragen.

Patina erhält „Moone Boy“ dadurch, dass es ins Irland der Achtziger verlegt ist; es ist nämlich tatsächlich halb autobiographisch von O’Dowd angelegt, und obwohl die Zeiten rau sind (wann waren sie das nicht in Irland) und die Schulkameraden von Martin sich als echte Bullies erweisen, sind ihre Väter das genaue Gegenteil: der Vater der Bullies, von Martins Dad zur Rede gestellt, erweist sich als Softie, mit dem sich gut trinken und Karten spielen lässt, was Martin nicht weiterhilft, aber der ersten Folge zu vielen Lachern Anlass gibt: Immer mehr butterweiche und überforderte Väter schließen sich zusammen, tun so, als ob sie Angeln oder Karten spielen, sind aber in Wirklichkeit echte Herzchen („Be dad, not sad!“), die sich von ihren Kindern herumschubsen lassen. Etwa wenn sie gerne ihr „Water-Colouring Programme“ (was auch immer das sein soll) sehen wollen, die Kinder aber „Dynasty“ gucken möchten: „Switch over please!“ versucht Martins Dad vor versammelter Vätermannschaft sich gegen einen älteren Sohn durchzusetzen. „No Dad, Dynasty’s on!“ gibt der zurück, und „I think we should leave“ wispert sofort einer der eingeschüchterten Väter den anderen zu.

Zwar habe ich mich nicht wenig gewundert, als schon in der zweiten Folge Sean, der unsichtbare Freund, gar nicht richtig eingesetzt wurde; womöglich ist er in der Rolle des Sidekicks aber schon ganz gut aufgehoben. Dafür hatte Steve Coogan einen sehr guten Auftritt, und auch Johnny Vegas soll sich noch im Verlauf der Serie blicken lassen. Die ist mitproduziert von Baby Cow und wagt sich an nichts weniger als die Nachfolge von „Father Ted“ (1995 – ’98, Channel 4), unternimmt also den Versuch, genauso warm und komisch zu sein wie das große irisch-englische Vorbild. „Feck off, ducks!“ ruft Martin einmal, als ob es das father ted’sche Schimpfwort in den Achtzigern schon gegeben hätte.*

Diese Latte liegt hoch, aber „Moone Boy“ ist so schlafwandlerisch sicher im Ton, so eigenständig und rund, dass es sicher das Zeug zum kleinen Bruder von „Father Ted“ hat. Den Regisseur teilen sich die Serien jedenfalls: Declan Lowney, den sich Coogan auch als Regisseur des kommenden Alan Partridge-Films (2013 ist es so weit) ausgesucht hat.

* Tatsächlich gibt es „feck“ als (milderen) Ersatz für „fuck“ wohl schon länger, „Father Ted“ hat dem Wort nur größere Bekanntheit auch außerhalb von Irland eingebracht. Zumindest „feck off“ dürfte allerdings  trotzdem eine Anspielung auf „Father Ted“ sein.