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Geschwisterhiebe

19. August 2014 Keine Kommentare

Dass man „Siblings“ (BBC3) mit „It’s Always Sunny in Philadelphia“ (FX, seit 2005) vergleichen könnte, darauf hat mich erst der Guardian gebracht. Aber es stimmt schon: nicht nur der Easy-Listening-Soundtrack (den ich bei „It’s Always Sunny“ äußerst schätze), auch die cringe comedy ist sehr ähnlich — m.a.W.: beide Serien leben genau von dem Kontrast zwischen behaupteter Harmlosigkeit und tatsächlicher Gemeinheit der Geschichten.

Was die Serien außerdem gemein haben: eine eher simple Prämisse. Bei „It’s Always Sunny“ ist es die Absicht der fünf underachiever (darunter ebenfalls Bruder und Schwester), eine gemeinsame Bar zu führen; bei „Siblings“ gibt es nicht einmal diese Bar, da wohnen Hannah (Charlotte Richie) und ihr Bruder Dan (Tom Stourton) einfach zusammen und machen ihren Mitmenschen das Leben in zwei parallel geführten Erzählsträngen schwer, die natürlich in jeder Folge miteinander verbandelt werden.

In der ersten Episode (von zweien, „Siblings“ läuft immer nach „Cuckoo“) ist das einmal der Versuch der äußerst faulen Hannah, ihre neue Chefin im Büro um den Finger zu wickeln, und einmal die Suche von Dan nach neuen mates. Diesen neuen Freund scheint er in dem Sohn von Hannahs neuer Chefin zu finden. Problem: der ist querschnittsgelähmt, also muss auch Dan einen Rollstuhlfahrer spielen. Wer jetzt so eine Ahnung hat, worauf das hinausläuft (wird es wohl herauskommen, dass Dan nicht körperbehindert ist?): jepp, genau so.

Ab hier aber hat Writer/Creator Keith Akushie (Coautor einer Folge „Fresh Meat“, aus der man auch Richie alias Oregon kennt) ein Problem: denn zumindets der Rollstuhl-Plot ist wahnsinnig unoriginell. (Hannahs Plot allerdings, der sie auf eine Tagung mit ihrer Chefin führt, die mit einem flotten Dreier mit einem Barkeeper endet, ist schon origineller.) Flache Prämisse plus unoriginelle Story aber werden zu einer schwachen Sitcom, da können auch die durchaus komischen Oneliner („I’m sorry about the food. But in my defence, I didn’t think I’d get caught“) und die trockenen Dialoge nur noch wenig rausreißen. Da hatte „It’s Always Sunny in Philadelphia“ die wesentlich besseren Geschichten.

Die können aber durchaus noch kommen. Akushie wäre gut beraten, lieber etwas realistischer zu bleiben (ich meine mich erinnern zu können, dass es genau der knochentrockene, fast dokumentarische Realismus war, der „It’s Always Sunny“ so schmerzhaft lustig gemacht hat) und seine beiden Protagonisten eher ernst spielen zu lassen als ihnen allzu viele Zwinker-zwinker-Momente zu geben. (Gleiches gilt auch für die Nebenrollen: James Lance als Tierarzt Rich überspielt seine Rolle auch schmerzhaft, aber nicht schmerzhaft lustig.)

Und nicht zuletzt beim Soundtrack könnte „Siblings“ noch zulegen: „It’s Always Sunny“ hat sich da vorwiegend bei zwei Deutschen bedient, Heinz Kiessling und Werner Tautz, die in den Sechzigern und Siebzigern fantastische Bilbliotheksmusik gemacht haben, u.a. für Kiesslings Label Quadriga. Großbritannien aber ist dahingehend sehr viel besser aufgestellt, wenn ich allein an die riesige Musikbibliothek von KPM denke. Da gibt es ungehobene Schätze, die so teuer auch für die BBC nicht sein können. Sicher hat sogar die BBC selbst noch Unmengen Easy Listening-Schätze in ihren Bibliotheksbeständen, die es wert wären, gehoben zu werden.

Schlecht unterrichtet

Es ist weder selten noch außergewöhnlich, daß Fernsehserien über Staffeln hinweg in ihrer Qualität schwanken. Selten sind dritte und vierte Staffeln besser als erste und zweite, aber manchmal kommt natürlich auch das vor. Daß eine Serie aber so gut anfängt und dermaßen ins Bodenlose abfällt wie „Teachers“ (Channel 4, 2001 – 04), ist mir noch nicht so häufig untergekommen.

Nun ist es allerdings einfacher, gleichbleibende Qualität zu liefern, wenn das britische Sitcom-Prinzip greift: Ein oder zwei Macher, die als Autoren und Hauptdarsteller verantwortlich zeichnen, wenige Episoden pro Staffel, sitcom-kurze Folgen von 22 oder 30 Minuten. „Teachers“ ist das genaue Gegenteil davon: ComedyDrama mit knapp 50 Minuten langen Folgen, acht bis 13 Episoden pro Staffeln, einem halben Dutzend Autoren und Regisseuren und ebensovielen annähernd gleichberechtigten Figuren — mehr Kreuzfahrtschiff als Schnellboot.

„Teachers“ folgt einer Gruppe von Secondary-School-Lehrern in Bristol, die zum größeren Teil unreifer sind als ihre Schüler. Allen voran kämpft Simon (Andrew Lincoln, „Love Actually“) mit dem Erwachsenwerden, lebt er doch noch bei seinem Vater und dessen neuer Freundin, die eher in Simons Alter ist, und gerät regelmäßig in Konflikt mit Autoritäten wie seinem Vorgesetzten Bob, der Direktorin Clare oder seiner eiskalten, aber sehr attraktiven Kollegin Jenny (Nina Sosanya, „Nathan Barley“, „FM“). Rat und Hilfe sucht er bei seiner Kollegin Susan (Raquel Cassidy, „Lead Balloon“), trinken und alberne Pub-Spielchen spielen kann er mit seinen besten Kumpels Kurt und Brian. Jede Episode beschreibt eine Woche, jede Staffel ein Schuljahr.

Nicht über die Maßen originell, aber herzlich genug und dank glaubwürdiger Konflikte leidlich spannend, sind mir die erste und zweite Staffel schnell zu einem festen Bestandteil des Abendprogramms geworden: Ich habe es gerne gesehen, auch wenn (oder gerade weil) die Folgen nach einem schnell durchschaubaren Strickmuster gebaut sind und viele wiederkehrende Elemente haben. Jede Folge beginnt mit dem Weg zur Schule, der Wochentag taucht sehr hübsch auf Requisiten oder Kulisse geschrieben auf, wie überhaupt zahlreiche Sight Gags die Serie pimpen: etwa das maßlose Bullying auf Pausenhof und in Korridoren, das ebenso konsequent ignoriert wird wie die Esel, Schafe und anderen Tiere, die oft irgendwo im Hintergrund zu sehen sind. Auch daß praktisch jede Folge im Pub endet und mit den immer gleichen Sottisen (bevorzugt zu sexuellen Vorzügen und Defiziten des Kollegiums), ist eher anheimelnd als langweilig. Der vorzügliche Britpop-Soundtrack schließlich wertet die Serie zusätzlich auf.

Leider verlassen mit Simon, Susan und Jenny drei der wichtigsten Figuren nach zwei Staffeln die Serie; ein Verlust, den „Teachers“ nicht  wettmachen kann — weder durch den neuen Englischlehrer Matt (James Lance, „Moving Wallpaper“, „The Book Group“), noch durch andere neu eingeführte Figuren. Daß zu Beginn der vierten Staffel auch noch die unterbelichteten, aber lustigen Brian und Kurt ebenso wie Matt fehlen und auch noch der Schauplatz der ersten drei Staffeln gewechselt wird, versetzt „Teachers“ den Todesstoß. Allerdings zu einem Zeitpunkt, wo die Serie ohnehin schon komatös war, denn dank fehlender Konflikte war schon dem dritten Durchgang ziemlich die Luft ausgegangen.

Interessant zu erfahren wäre, was „Teachers“ so ruiniert hat: Warum so viele tragende Charaktere ausgestiegen sind, warum die Autoren in immer seichtere Gewässer abgedriftet sind, warum schließlich die anfänglich unterhaltsam surrealen Elemente (die der „Green Wing“-Ästhetik den Boden bereitet haben dürften) zu nur noch unglaubwürdigem Quatsch verkommen sind. Mir ist es jedenfalls völlig rätselhaft.

Erlesene Britcom

22. Juli 2009 4 Kommentare

The Book GroupKomisch, wie sehr man doch unwillkürlich vom Cover auf das Buch schließt: Ich habe Annie Griffins „The Book Group“ (Channel 4, 2002) lange links liegen lassen, weil mir das DVD-Cover so billig erschien (wie die DVD selbst es bei Amazon auch war) — und weil ich ihren Film „Festival“ so schwach fand. Eine schwere Fehleinschätzung! Channel 4 hat „The Book Group“ nach dem Ende der zweiten Staffel „Black Books“ auf deren Sendeplatz programmiert — und auf diesem Level befindet sie sich auch.

Denn „The Book Group“ ist sophisticated. Es beginnt als Kammerspiel: Die Amerikanerin Clare (Anne Dudek, das „eiskalte Biest“ aus „House“) ist neu in Glasgow. Um Freunde zu finden, gründet sie eine Lesegruppe, zu der sich in der ersten Folge eine bunte Truppe zusammenfindet: Ein extrem gutaussehender, stets ernster Querschnittgelähmter, drei vom Alltag unterforderte Gattinnen von Profifußballern (eine davon Holländerin, eine Schwedin sowie, in der Rolle der Janice, Michelle Gomez („Green Wing“)), ein blasierter Literaturstudent sowie ein offenbar berufsloser Trainingsanzugträger, von dem man bis zum Schluß nicht sicher sein kann, daß er überhaupt alphabetisiert ist. Dieser Haufen liest nun pro Folge ein Buch, zunächst Kerouacs „On The Road“, und in der ersten Folge geht es sogar noch erstaunlich viel um Literatur: „I think he was saying something about the superficialness of American culture. The American Dream, that anyone can go on a trip“, brilliert die Holländerin in ihrer Analyse.

In der zweiten Episode nehmen sie sich Paul Coelhos „Alchemist“ vor; nun gibt es schon viel mehr Schauplätze als nur ein Wohnzimmer, und es geht auch viel weniger um den Roman. Stattdessen bäckt Janice lieber eine Torte mit einem schönen Marzipan-Buch obendrauf und übt vor dem Spiegel Autoren-Interviews („Do you prefer a typewriter or the human hand?“). In der dritten Folge dann arbeitet „The Book Group“ mit dem Stilmittel des magischen Realismus, schließlich geht es um Márquez‘ „Liebe in Zeiten der Cholera“: „As the weeks go by, watching The Book Group is like watching something gently unfold. A flower maybe. Or a book“, lobpreist der Guardian.

Tatsache: In jeder weiteren Folge gewinnen die Figuren an Tiefe, werden immer vielschichtiger, überraschen mit Wendungen, die ihre Charaktere aber nicht brechen, sondern spannender machen; insbesondere für den Studenten Barney, dargestellt von James Lance („Moving Wallpaper“, „Boy Meets Girl“) hält das Drehbuch einige Überraschungen bereit. Das Drehbuch nimmt seine Figuren und ihre Twists sogar so ernst, daß sich die Serie unter der Hand beinah in ein Comedy-Drama verwandelt. Da bedauert man es einmal mehr, daß britische Serien immer nur sechs Folgen haben, und auch hier nur eine weitere, zweite Staffel das Licht der Mattscheibe erblickt hat. Wer sich diesen Monat aber nur eine DVD zulegen möchte: Der greife bitte zu „The Book Group“. Es wird sein Schaden nicht sein.