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Artikel Tagged ‘Martin Freeman’

Behind The Office

26. August 2009 Keine Kommentare

Der BBC-Comedy-Blog hat, bevor die BBC am Sonntag die ganze erste Staffel „The Office“ plus diverse Specials zeigt, schon mal einige Clips online gestellt, die freundlicherweise sogar außerhalb Großbritanniens geguckt werden dürfen — und sogar eingebettet! Darum hier in voller Länge:

The Beginning

The Style

Comedy V Humour

Staff Training

Impact

Wer alles zu Wort kommt in diesen Clips, entnehme man bitte den Tags; daß Christopher Guest dabei ist, sieht man schon daran, daß die Lautstärke-Regler der BBC-Player bis 11 gehen.

Boys who are girls and girls who are boys

Nacht. Außen. Ein Blitz schlägt in ein Umspannwerk. Wenig später stellen Danny (Martin Freeman, „The Office“) und Veronica (Rachael Stirling, die Tochter von Diana „Emma Peel“ Rigg) fest: Sie stecken im Körper des jeweils anderen. Das Problem: Sie kennen sich gar nicht, verlieren sich im Moment aus den Augen — und könnten unterschiedlicher nicht sein: Er Regalbefüller in einem großen Baumarkt mit Tendenz zum Pennerhaften, sie erfolgreiche Modejournalistin mit superreichem Verlobten.

Das ist der Ausgangspunkt für „Boy Meets Girl“ (ITV1, Mai 2009, schon jetzt auf DVD zu haben). Männer in Frauen, ob -körpern oder nur -kleidung — klingt nach einer Menge „lustiger“ „Charleys Tante“-Momente, wahnsinnig komischen Versuchen, in Stöckelschuhen zu gehen und sich zu schminken, nach der Sorte schenkelklopfender Farce also, die in Variationen jederzeit zu sehen ist, wenn man einen türkischen Fernsehsender einschaltet.

So ist „Boy Meets Girls“ allerdings zum Glück nicht gestrickt. Es gibt zwar auch solche Momente, sie sind aber die Ausnahme. Denn die Geschichte von David Allison, der bis jetzt nur durch seine Arbeit für einen Soap-Ableger in Erscheinung getreten, lotet die dunklen Seite des body swaps aus: Niemand glaubt den beiden ihre Geschichte, Danny (in Veronicas Körper) findet zwar dank ihres Handys immerhin heraus, wer er ist, und versucht mit wechselndem Geschick, ihr Leben weiterzuleben, während Veronica (in Dannys Körper) nicht einmal seinen Namen weiß und deshalb zwischen Obdachlosigkeit und Polizeigewahrsam pendelt. Zwischendurch landen beide in der Psychiatrie, Danny macht Veronicas Verlobtem Jay (Paterson Joseph, „Peep Show“) mal mehr, mal weniger absichtlich das Leben zur Hölle und beginnt eine Affäre mit seiner (lesbischen) Baumarkt-Arbeitskollegin, in die er lange von ferne verliebt war. Zum Schluß würde er auf seinen Männerkörper am liebsten ganz verzichten.

Rachael Stirling spielt Martin Freeman hier locker an die Wand: Sie ist beeindruckend gut als „Kerl“ (und hat auch viel mehr screen time als Freeman), was die ganze Serie enorm aufwertet. Und auch die kindskopfgroßen plot holes ein bißchen vergessen macht. Denn es ist doch ein bißchen weit hergeholt, daß es den beiden Protagonisten über Tage und Wochen nicht gelinge sollte, sich zu finden und miteinander Kontakt aufzunehmen (Veronica im Danny-Körper versucht es mehrmals an ihrem alten Arbeitsplatz, scheitert aber an der Security — statt einfach anzurufen). Folgerichtig hat die Serie es auch nur auf vier Episoden gebracht (die allerdings wie bei Comedy-Drama üblich 44 Minuten lang sind). Und das Ende ist tatsächlich recht vorhersehbar. Nur so viel: Eine zweite Staffel ist eher unwahrscheinlich.

Dude, where is the content?

12. Mai 2009 4 Kommentare

Nur um mal zu sehen, wie sich — neben Simon Pegg in „Star Trek“ — die anderen Stars meiner Lieblings-Britcoms auf der großen Leinwand so schlagen, habe ich mirFaintheart (2008, mit Jessica Hynes), The All Together (2007, mit Martin Freeman) und „Captain Eager and the Mark of Voth“ (2008, mit Tamsin Greig und Mark Heap) besorgt — und fürchte, nachdem ich die ersten beiden gesehen habe, daß auch der dritte nicht so richtig gut sein wird.

Hoffentlich aber nicht ganz so schlimm wie „Fainheart“, der mir weismachen wollte, Jessica Hynes („Spaced“) und ein mausgesichtiger Supernerd mit Vorliebe für Wikinger-Rollenspiele seien mal ein Paar gewesen. Das will der Spinner mit etlichen Nerd-Tricks wieder zusammenbringen, die für mich nach einer einzigen Aneinanderreihung von Klischees aussahen: Ein Comic Book Guy, der Tiberius heißt (und Fan welcher Fernsehserie ist? Richtig!). Ein Trekkie, der sich im Chat verabredet und beim Date feststellt, daß sein Gegenüber acht ist, woraufhin er prompt verhaftet wird. Usw. Ein schlimmer Schmarrn, der nicht besser wird, wenn man erfährt, daß es sich dabei angeblich um den ersten Kinofilm handelt, bei dem MySpace-User interaktiv mitwirken konnten. Von dieser Seite droht Drehbuchautoren also schon mal keine Gefahr; immerhin. Der Gag im Trailer deutet die Richtung an, in die der Film geht (und ist noch einer der besseren!):

https://www.youtube.com/watch?v=rjR60XStylc&hl=de&fs=1

Nicht viel besser allerdings: „The All Together“ (Trailer), der zwar mit einer gewissen Selbstironie aufwartet, diese aber nicht einlösen kann. Martin Freeman („The Office“, „The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“) ist ein kleines Licht beim Fernsehen, wäre aber gerne Drehbuchautor. Was er aber auf keinen Fall will: Einen Film drehen, bei dem am Anfang eine Stimme aus dem Off eine stimmige erste Szene ersetzen soll, und der anschließend etwas erzählen will, das der Autor nicht aus eigener Erfahrung kennt — beispielsweise irgendwelche Gangstergeschichten. Das erzählt uns in der ersten Szene Martin Freeman aus dem Off, und es folgt eine ausgedachte Gangstergeschichte, in die Freeman hineingezogen wird. Allerdings erst ganz zum Schluß. Ein Film, wie ihn Guy Ritchie drehen würde, wenn er noch weniger Talent hätte. Immerhin eine Wahrheit weiß „The All Together“: Es gibt immer mehr „comedy for people with no sense of humour“, denn „just because they don’t have a sense of humour doesn’t mean they don’t want to laugh“.

Tja. Schlechte Filme mit Leuten, die man eigentlich mag — soll man darüber bloggen? Wenn man zwei kurze Kritiken in einen Eintrag packt, geht’s gerade noch so, oder?

Nice? To customers?!

13. Januar 2009 1 Kommentar

In einer Welt, in der es noch kleine, inhabergeführte Metallwarenläden ohne elektrische Registrierkasse oder gar Barcodes und Scanner gibt, wo stattdessen neben dem großväterlichen Ladenbesitzer zwei mittzwanzigjährige Angestellte und ein Teilzeitverkäufer arbeiten, die den ganzen Tag gemein zueinander sind, aber auf eine total nette Weise, wie Kinder in einer Familie ohne Mama halt so miteinander umgehen und mit dem leicht vertrottelten Vater, in einer solchen Sitcom-Phantasiewelt spielt „Hardware“ (ITV, 2003 – 04). Kunden, insbesondere welche, die keine Ahnung haben oder einen Kaninchenstall bauen möchten, haben es nicht leicht, und Mike (Martin Freeman), einer der Angestellten, ist besonders unfreundlich:

Kunde: „Do you have a, um… it’s very hard to describe. It’s got a clip. And another bit that’s… clipped onto.

Mike: „A clipp-a-di-clippmatic?“

Kunde: „Is that what I mean?“

Mike: „No, but you were talking crap so I just thougt I join in.“

Das findet Steve, die Aushilfe, nicht sehr charmant, aber Mike beharrt: „There are some jobs where you’re supposed to be rude: Cabbies…“ Kenny (Peter Serafinowicz): „…school secretaries, doctor’s receptionists…“ Rex, der Besitzer: „…prostitutes…“. Mikes Weltbild wird erschüttert, als er erfährt, daß sich ein mehrfach grob abgefertigter Kunde in suizidaler Absicht vor einen Bus bzw. genaugenommen nur in die Nähe eines Busses geworfen (und überlebt) hat; Mikes in der Folge gefaßter Vorsatz, nett (!) zu den Kunden (!!) zu sein, ist allerdings nicht von Dauer.

Die Plots dieser ITV-Produktion von Simon Nye („How Do You Want Me?“) sind klassisches Fourth-Wall-Sitcom-Material, „Hardware“ bietet pointierte Dialoge, dem Setting in der Eisenwarenhandlung angemessen viele Sight Gags und sympathische Charaktere — allen voran den damals noch von „The Office“ heißen Martin Freeman. Den altmodischen Stil der Serie kann man mögen oder nicht, die immer mal wieder recht moralische Attitüde Nyes allerdings wirkt 2009 nicht weniger verstaubt als vor sechs Jahren. Sechs Jahre können ein halbes Leben sein (wenn man 12 ist), und umso schwerer verständlich ist heute, daß diese Sitcom einmal als  größter Wurf einiger Jahre in ihrem Genre und Sender gegolten hat. Die zweite Staffel enttäuschte die Fans der ersten, von denen es einige gab; in einer dritten wollte Freeman nicht mehr mitspielen. Ganz schlecht ist „Hardware“ freilich nicht: Als Steve den Beinaheselbstmörder im benachbarten Café wiedertrifft, spricht er ihm sein Mitgefühl aus: „Tut mir leid, von ihrem Mißgeschick mit dem Bus zu hören… Ist wahrscheinlich schwierig, das Timing richtig hinzukriegen: Entweder er bremst oder man prallt von der Seite einfach ab.“

Simon Nye feierte in den Neunzigern mit „Men Behaving Badly“ große Erfolge: Die Sitcom um zwei junge Männer, die sich ganz entgegen dem damaligen britischen Trend zum New Man überhaupt nicht verständnisvoll und wie Softies, sondern entschieden danebenbenahmen, erlebte sechs Staffeln und wurde 1996 sogar für zwei Sekunden zur besten Sitcom in der Geschichte der BBC gewählt.

„Hardware“ erscheint am 23. Februar auf DVD.

Confetti

1. November 2006 Keine Kommentare

Sehr oft wird es albern, wenn Alltäglichem der Hauch des Besonderen verliehen werden soll, indem es einem bestimmten Thema unterstellt wird (»Pizza Mexiko«, »Pizza Frühlingsrolle«). Peinlich wird es, wenn das an sich schon Besondere noch spezieller gemacht werden soll, indem ein Thema drübergestülpt wird: über eine Hochzeit zum Beispiel. Wer will schon wirklich unter Wasser, im Heißluftballon oder auf Skiern heiraten!

Bzw.: »Der Tag der Hochzeit soll für viele Menschen der schönste ihres Lebens werden. Nicht alle wollen ihn sich durch Gimmicks ruinieren. Manche aber doch.« So formuliert es Antoni, Redakteur der Hochzeitszeitschrift »Confetti« in der gleichnamigen Komödie, die, aufgemacht als Dokumentation, einen Wettbewerb um die originellste Hochzeit des Jahres begleitet. Drei Paare stehen dabei im Mittelpunkt: blasiert-ehrgeizige Tennisspieler hie, Nudisten und stimmlich untertalentierte Musicalfans da. Zur Seite stehen ihnen zwei reizend schwule Hochzeitsplaner, denen die undankbare Aufgabe zufällt, sich Themenhochzeiten (Tennis, Nudismus, Musical) auszudenken – und gleichzeitig die Auflagen des Hochzeitsmagazins zu erfüllen: z.B. die unsympathischen Tennisspieler gewinnen und die Nudisten auf keinen Fall nackt heiraten zu lassen. Nicht ganz einfach, vor allem, wenn man es mit ehrgeizigen Versagern (Tennis), dickköpfigen Nackerten (Nudismus) und einer ständig dazwischenfunkenden Familie (Musical) zu tun hat.

Daß »Confetti« dennoch ein schöner Film wurde, liegt zum einen daran, daß hier die Creme der britischen Sitcom-Schauspieler versammelt ist (u.a. Stephen Mangan aus »Green Wing«, Felicity Montagu aus »I’m Alan Partridge«, Martin Freeman aus »The Office« und Jessica Stevenson aus »Spaced«); zum anderen, daß, dem Genre der Dokumentation folgend, viel extemporiert wurde. Zwanzig Stunden Filmmaterial hatte die Regisseurin Debbie Isitt angeblich, als sie mit dem Schnitt begann. Das hätte sie zwar nicht davon abhalten müssen, gegen Ende die eine oder andere Szene zu kürzen, doch die Improvisationen, in denen Freeman und Stevenson mit ihrem ganzen Clan Choreographien aus MGM-Musikfilmen der vierziger Jahre üben, das erfolgssüchtige Tennis-Pärchen in einer stillen Szene im Hotelzimmer vom ganzen Jammer seiner Existenz überwältigt wird oder die Hochzeitsplaner in albernen Elfenkostümen den beiden FKK-Freaks etwas vortanzen, um sie von den Vorteilen des Angezogenseins zu überzeugen – die sind in voller Länge sehr komisch. Wer’s vor Monatsfrist im Kino wegen fehlender Werbung verpaßt hat, schaue sich »Confetti« nun bitte auf DVD an. Aber bloß nicht die deutsche Version.

Zuerst erschienen in TITANIC 11/2006

Büro, Büro

Über eine neue Form der Sitcom habe ich kürzlich sehr lachen müssen: Die Dokutainment-Parodie „The Office“, die gerade in Großbritannien alle Rekorde bricht. „The Office“ erzählt mit den Mitteln einer TV-Dokumentation die Vorgänge im Management des mittelständischen Papiervertriebs Wernham Hogg in Slough: Die Geschäfte gehen schlecht, die Zusammenlegung mit einer Schwesterfirma droht, parallel dazu natürlich auch Entlassungen. Leider ist der Chef David Brent völlig unfähig, kann weder mit seinen Untergebenen umgehen noch mit seiner Vorgesetzten und hält sich irrtümlich auch noch für einen verkannten Comedian, obwohl er für seine „Scherze“ stets peinlich berührtes Schweigen erntet – oder gar Heulkrämpfe, wenn er etwa zum Zwecke eines practical jokes das Empfangsfräulein „entläßt“, weil es „Post it-Notes gestohlen“ hat. War natürlich nur „Spaß“.

Auf Oneliner, Gags im herkömmlichen Sinne, verzichtet „The Office“ dabei fast völlig; Komik wird hier anders erzeugt: Je peinlicher Brent wird, je verständnisloser die Sales Representatives sich angesichts seiner Auftritte ansehen, je quälender und länger er sich um Kopf und Kragen redet, desto größer wird auch die Spannung im Zuschauer, bis sie qua Gelächter abgebaut werden kann. An den komischsten Stellen muß man schier den Blick abwenden, so unangenehm berührt fühlt man sich. Und die Identifikation wird nicht nur durch den dokumentarischen Ansatz gefördert, sondern auch dadurch, daß beinahe jeder ähnliche Szenen, ähnliches kollegiales Verhalten – Büro, Büro – aus eigener Anschauung kennt. Geradezu philosophisch könnte man angesichts dieser Meta-Komik werden, die in ihren besten Momenten geradezu zu einem Umschlag der Komödie in die Tragödie führt, denn Brent ist nicht nur ein Alptraum von Chef, sondern auch eine tragische Figur, mit der man nicht erst Mitleid entwickelt, wenn sie ihrer finalen Entlassung mit hochnotpeinlichem Flehen um Weiterbeschäftigung begegnet.

Eine Meisterleistung der beiden „Office“-Erfinder Ricky Gervais (alias David Brent) und Stephen Merchant also, die nicht nur in England einschlug: Die Serie ist bereits mehrfach prämiert, hatte in England fünf Millionen Zuschauer, setzte schon mit der ersten Staffel unglaubliche 500 000 DVDs und Videos ab (die zweite erscheint demnächst) und ist bereits an über 60 Länder weltweit verkauft; ob auch an Deutschland, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Die möglichen Verbrechen einer Synchronisation will ich mir ebensowenig vorstellen wie ein deutsches Remake. So bleibt nur die Empfehlung, sich möglichst eine Kopie zu besorgen, oder sich erstmal online zu informieren.

(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 5/2003)