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Artikel Tagged ‘Hardware’

Olympic Comedy #2

Die Olympischen Spiele 2012 werfen auch in der Comedy immer größere Schatten voraus: Demnächst werden sich Ben Miller und Alexander Armstrong als „Felix And Murdo“ an einer Sitcom versuchen, die die Olympischen Spiele in London zum Thema haben wird. Allerdings die von 1908.

Nach der BBC, die mit „Twenty Twelve“ im März eine eher unterwältigende (und möglicherweise geklaute) Mockumentary zum Thema vorgelegt hat, schickt nun Channel 4 die Stars seiner „Armstrong And Miller Show“ (hier eine Kurzkritik, hier und hier zwei Beispiele) als edwardianische Gentlemen ins Rennen (womöglich im wahrsten Sinne des Wortes). Felix und Murdo seien dabei allerdings „wie Typen von heute, abgesehen davon, daß die besten Drogen noch legal sind“.

Mit lads der lasterhaften Sorte kennt sich der Autor der Show aus: Simon Nyes größter Erfolg dürfte die Kumpel-Sitcom „Men Behaving Badly“ gewesen sein (ITV/BBC1, 1992 – 98), in der Martin „Doc Martin“ Clunes ebenso die Hauptrolle hatte wie in Nyes letzter größerer Sitcom, dem Remake „Reggie Perrin“ (BBC1, 2009 – ). Ich bin kein Fan von Simon Nye, seine jüngste Kinder-Comedy „Just William“ (BBC1, 2010) hat mich (trotz Daniel Roche, dem Ben in „Outnumbered“) nicht überzeugt, und auch „Hardware“ (ITV, 2003 – 04) war zwar solide komisch, aber kein Höhepunkt an Originalität. Daß auch „Felix And Murdo“ live vor einem Studiopublikum aufgezeichnet werden soll, deutet schon darauf hin, daß Nye nichts von seiner Vorliebe für Retro-Sitcom-Settings verloren hat.

Noch in diesem Monat soll eine Pilotfolge gedreht werden; die Herstellung wird Objective Productions übernehmen („Peep Show“), Regie führt Christine Gernon („Gavin & Stacey“, „Absolutely Fabulous“).

I didn’t get where I am today by doing remakes!

„The Fall and Rise of Reginald Perrin“ ist eine dieser 70er-Jahre-Sitcoms, die für Briten meiner Generation kindheitsprägend waren; die Catchphrase I didn’t get where I am today by (hier irgend etwas Abseitiges einsetzen) kennt in England noch heute so ziemlich jeder. Perrin, gespielt vom hervorragenden Leonard Rossiter (außer in der ebenfalls epochalen Sitcom „Rising Damp“ auch in Kubricks „2001“ und „Barry Lyndon“ zu sehen), Reginal Perrin also war eine klassische Sitcom-Figur: Ein höherer Angestellter mit Vorstadthäuschen, glücklichem Familienleben und einer ausgewachsenen Midlife Crisis, die ihm seine sinnlose Tätigkeit, die einfältige Sekretärin, den selbstgefälligen „I didn’t get where I am today“-Boß und seine speichelleckenden Kollegen völlig unerträglich macht. Perrin beginnt in der ersten Staffel, sich zunehmend in Tagträume zu flüchten und merkwürdig zu benehmen und täuscht schließlich Selbstmord vor, um der Stupidität seines Alltags zu entkommen; als er (in der zweiten Staffel) ein kleines Geschäft für Quatsch eröffnet, um damit vorsätzlich zu scheitern, beginnt jedoch ein ungeahntes Comeback.

Ein solches nationales Heiligtum neu zu verfilmen, ist natürlich heikel. Wenn man aber, wie ich, das Original kaum gucken konnte, weil es für heutige Verhältnisse doch allzu behäbig inszeniert und mir die britische Gentleman-Attitüde auch zu fremd ist, die kein Klagen über persönliche Malaise zuläßt und Perrins Verhalten umso tabubrechender macht — dann kann man, glaube ich, über die in England gerade ausgestrahlte Sitcom „Reggie Perrin“ (freitags um 21.30 Uhr, BBC1) einigermaßen unvoreingenommen urteilen. Und so urteile ich: Gähn. Puh. Na ja.

Daß „Reggie Perrin“ so schwach ist, liegt eher nicht an Martin Clunes („Men Behaving Badly“) als Perrin, schon eher an Autor Simon Nye (ebenfalls „Men Behaving Badly“ sowie „Hardware“), der den Autor der Ur-Serie David Nobbs hier als Co-Autor zur Seite hatte, und mit Sicherheit an den schwachen Witzen, die von umso furioserem Gelächter begleitet werden (das aus einer abgelaufenen Konserve zu kommen scheint). Der heutige Reggie sitzt im Vorortzug umgeben von Leuten mit Ohrstöpsel-Kopfhörern und Laptops und leidet daran, daß die Menschen es verlernt haben, miteinander zu reden — ach je ach je. Und daß er seine Aktentasche jeden Morgen einfach unachtsam in sein Büro feuert, statt damit wie der alte Reginald wenigstens nach dem Kleiderständer zu zielen (und auch oft zu treffen), ist schon symptomatisch, auch wenn ich gerade nicht weiß wofür. So muß ich also auf einen Schlußakkord in Moll enden: „Reggie Perrin“ muß man nicht sehen, und „The Fall and Rise of Reginald Perrin“ auch nur, wenn man vorher schon alles aus den Achtzigern, den Neunzigern und dem Besten von heute gesehen hat. I’m very sorry.

Nice? To customers?!

13. Januar 2009 1 Kommentar

In einer Welt, in der es noch kleine, inhabergeführte Metallwarenläden ohne elektrische Registrierkasse oder gar Barcodes und Scanner gibt, wo stattdessen neben dem großväterlichen Ladenbesitzer zwei mittzwanzigjährige Angestellte und ein Teilzeitverkäufer arbeiten, die den ganzen Tag gemein zueinander sind, aber auf eine total nette Weise, wie Kinder in einer Familie ohne Mama halt so miteinander umgehen und mit dem leicht vertrottelten Vater, in einer solchen Sitcom-Phantasiewelt spielt „Hardware“ (ITV, 2003 – 04). Kunden, insbesondere welche, die keine Ahnung haben oder einen Kaninchenstall bauen möchten, haben es nicht leicht, und Mike (Martin Freeman), einer der Angestellten, ist besonders unfreundlich:

Kunde: „Do you have a, um… it’s very hard to describe. It’s got a clip. And another bit that’s… clipped onto.

Mike: „A clipp-a-di-clippmatic?“

Kunde: „Is that what I mean?“

Mike: „No, but you were talking crap so I just thougt I join in.“

Das findet Steve, die Aushilfe, nicht sehr charmant, aber Mike beharrt: „There are some jobs where you’re supposed to be rude: Cabbies…“ Kenny (Peter Serafinowicz): „…school secretaries, doctor’s receptionists…“ Rex, der Besitzer: „…prostitutes…“. Mikes Weltbild wird erschüttert, als er erfährt, daß sich ein mehrfach grob abgefertigter Kunde in suizidaler Absicht vor einen Bus bzw. genaugenommen nur in die Nähe eines Busses geworfen (und überlebt) hat; Mikes in der Folge gefaßter Vorsatz, nett (!) zu den Kunden (!!) zu sein, ist allerdings nicht von Dauer.

Die Plots dieser ITV-Produktion von Simon Nye („How Do You Want Me?“) sind klassisches Fourth-Wall-Sitcom-Material, „Hardware“ bietet pointierte Dialoge, dem Setting in der Eisenwarenhandlung angemessen viele Sight Gags und sympathische Charaktere — allen voran den damals noch von „The Office“ heißen Martin Freeman. Den altmodischen Stil der Serie kann man mögen oder nicht, die immer mal wieder recht moralische Attitüde Nyes allerdings wirkt 2009 nicht weniger verstaubt als vor sechs Jahren. Sechs Jahre können ein halbes Leben sein (wenn man 12 ist), und umso schwerer verständlich ist heute, daß diese Sitcom einmal als  größter Wurf einiger Jahre in ihrem Genre und Sender gegolten hat. Die zweite Staffel enttäuschte die Fans der ersten, von denen es einige gab; in einer dritten wollte Freeman nicht mehr mitspielen. Ganz schlecht ist „Hardware“ freilich nicht: Als Steve den Beinaheselbstmörder im benachbarten Café wiedertrifft, spricht er ihm sein Mitgefühl aus: „Tut mir leid, von ihrem Mißgeschick mit dem Bus zu hören… Ist wahrscheinlich schwierig, das Timing richtig hinzukriegen: Entweder er bremst oder man prallt von der Seite einfach ab.“

Simon Nye feierte in den Neunzigern mit „Men Behaving Badly“ große Erfolge: Die Sitcom um zwei junge Männer, die sich ganz entgegen dem damaligen britischen Trend zum New Man überhaupt nicht verständnisvoll und wie Softies, sondern entschieden danebenbenahmen, erlebte sechs Staffeln und wurde 1996 sogar für zwei Sekunden zur besten Sitcom in der Geschichte der BBC gewählt.

„Hardware“ erscheint am 23. Februar auf DVD.