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Der Mann, der Benny Hill war (extd. Rmx, Pt. 6)

Was bisher so alles geschah: Benny Hill wird geboren, wächst auf, wird zwar nicht auf Comedy-Bühnen, aber dafür im britischen Fernsehen groß. Und immer größer (i.e.: dick).

Mittlerweile wurde die „Benny Hill Show“ auch im Ausland erfolgreich. Zunächst in Australien, wo sein produzierender Partner Thames Television (anders als die BBC) mit anderen kommerziellen Fernsehsendern kooperierte, ab 1979 auch in den USA. Don Taffner, für Thames in Amerika tätig, bot halbstündige Versionen der mittlerweile einstündigen englischen Shows an, von denen in unregelmäßigen Abständen etwa drei pro Jahr produziert wurden, und sorgte dafür, daß aus ihnen alle für Amerikaner unverständlichen Anspielungen und Referenzen sorgfältig herausgeschnitten wurden. Immer mehr unabhängige Fernsehstationen griffen zu, und in kürzester Zeit war Benny Hill auch in den USA ein Superstar; womöglich gar noch erfolgreicher als in seiner Heimat, mit Sicherheit aber der bekannteste britische Comedian und vermutlich sogar der berühmteste Engländer im Ausland überhaupt. Auf die vergleichsweise prüden Amerikaner müssen Hills Albernheiten noch viel schmutziger gewirkt haben als auf seine Landsleute — eine wahre guilty pleasure.

Benny und Michael Jackson

Zu seinen frühen Fans zählte Charlie Chaplin, der eine ganze Sammlung von Benny-Hill-Videos bei sich zuhause hatte. Das jedenfalls stellten die erstaunten Hill und Kirkland fest, als sie anläßlich der Vergabe des Chaplin-Preises an Hill 1991 in die Schweiz eingeladen waren und ihnen die seltene Ehre zuteil wurde, einen Blick ins Arbeitszimmer von Hills Vorbild zu werfen. Chaplin, so wurde ihnen gesagt, habe Hill für einen der größten Comedians aller Zeiten gehalten. Bereits in den Siebzigern erklärte der junge Michael Jackson auf einer England-Tournee, ein Fan Hills zu sein: „He’s so funny!“ Später besuchte er den bereits schwer kranken Hill sogar zuhause und erklärte ihn zu seinem „all time hero“: „The funniest comedian in the world.“ Frank Sinatra behauptete, nur zwei Dinge wirklich zu wollen: mit dem London Symphony Orchestra zu singen und eine Theaterprobe von Benny Hill zu besuchen. Burt Reynolds, Michael Caine und viele andere sangen in „Benny Hill: The World’s Favourite Clown“ kurz vor dessen Tod ihr Lobpreis auf den lustigen Dicken, und sogar der Schriftsteller Anthony Burgess bezeichnete Hill im Guardian als „comic genius“. Auch wenn sie das nicht getan hätten: Die Millionen und Abermillionen, die Thames Television und Hill verdienten, sprachen für sich.

Doch in den Achtzigerjahren ändern sich die Zeiten abermals. Auf der einen Seite geht es immer weiter aufwärts: Als 1978 Hills Thames-Kollege und Konkurrent Kenny Everett in seine extrem erfolgreiche und innovative Sketch-Serie „The Kenny Everett Video Show“ die Burlesque/Risque-Dancegruppe Hot Gossip einbaut, will Benny Hill nachziehen, um nicht abgehängt zu werden. Also hebt er die „Hill’s Angels“ aus der Taufe, eine Tanzgruppe hübscher junger Frauen (unter denen auch Jane Leeves ist, die später als Daphne bei „Frasier“ berühmt werden soll). Diese sind meist spärlich bekleidet (in den Siebzigern spärlicher als in den Achtzigern), sorgen für glamouröse Tanzeinlagen und Augenfutter in den Sketchen – und für den ersten Gegenwind von Seiten eines kritischer werdenden Publikums. Als Hill das merkt, nimmt er sich sofort zurück.

Doch es ist zu spät, der Zeitgeist hat sich gedreht. Die Bewegung der Post-Punk-Comedy hat längst kritische Geister geweckt, die gegen das Establishment revoltieren, und Benny Hills pubertäre Scherze repräsentieren den Mainstream mehr als alles andere. Zum ersten Mal treten mit Dawn French und Jennifer Saunders nun starke Frauen für ein anderes Frauenbild an, und sie haben neben sich Comedians wie Alexei Sayle, den Sohn einer kommunistisch-jüdischen Immigrantin aus Litauen, und Lenny Henry, einen farbigen Comedian in der Tradition Richard Pryors. Alternative Comedy wurde dank eines jungen, explizit linken Publikums so groß, daß Robert Newman und David Baddiel in Benny Hills Todesjahr als erster Comedy-Act überhaupt die 12 000 Plätze der Wembley-Arena ausverkauften. Hills langjährige Paraderolle als Chinese Mr. Chow Mein gilt nun als rassistisch, und von jungen Comedians wie Ben Elton mußte sich der Großmeister der Komik plötzlich anhören, er sei ein schmutziger alter Mann, ja: Hills Schmuddelpostkartenhumor sei schuld daran, daß Frauen sich nicht mehr unbelästigt auf die Straße trauen könnten. „Es gibt vieles im Fernsehen, das mich ärgert“, sagt Elton 1987 in der populären Talkshow „Wogan“. „Ich meine, wenn ein Comedian jede einzelne Sendung damit beendet, daß er einer Frau die Klamotten vom Leib reißt und sie dann durch einen Park jagt — das finde ich in einer Welt, wo Frauen nicht gefahrlos durch einen Stadtpark gehen können, ziemlich beunruhigend.“ Diesen Angriff wiederum teilen immerhin nicht alle (und auch Ben Elton hat sich später wiederholt als großer Fan und Verehrer Benny Hills dargestellt). Der Independent etwa schreibt, Eltons Ausfall sei „like watching an elderly uncle being kicked to death by young thugs“.

„Did you hear about the actress who was so dumb, she couldn’t count to two without taking off her blouse?“

Dabei hatte er, Hill, doch stets darauf geachtet, allzeit selbst der Gegenstand des Spotts zu sein, daß sein Humor harmlos war und auf uralten Klischees beruhte, die nichts anderes sein wollten als eben Klischees. Sein Humor war der eines Zehnjährigen, der seine Kameraden mit Frivolitäten unterhielt, obwohl oder gerade weil deren tiefere Zusammenhänge ihm gar nicht klar waren. Mad schrieb, Hill habe sich das Gesicht eines unschuldigen Buben bewahrt, während sein Rest zu einem schmutzigen alten Mann geworden sei. Seine Scherze, in denen immer lächerliche Männer am Ende die Dummen waren, waren doch zutiefst harmlos, ja geradezu unschuldig. Im Gegensatz zur jungen Garde der Alternative Comedy, so sah er es, war ihm niemals auch nur ein „fuck“ über die Lippen gekommen, während neuerdings geflucht wurde, daß es selbst Hafenarbeitern die Schamesröte ins Gesicht trieb. Benny Hill ist schwer gekränkt.

Demnächst: Bennys Ende und Vermächtnis: Ist Benny Hill zu recht vergessen oder wegweisender Vordenker?

Zum letzten Teil.

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