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Artikel Tagged ‘Karl Theobald’

Veni, vidi, ridi

29. April 2013 4 Kommentare

Die einfachsten Rezepte sind doch oft die besten. Die Formel für „Plebs“ (ITV2, 2013) lautet: „Inbetweeners“ plus Zeitsprung ins alte Rom gleich luftig-leichte Sitcom mit hohem Unterhaltungswert — auch für über Dreißigjährige (= mich).

Marcus und Stylax sowie Marcus‘ fauler Sklave Grumio bilden dabei das spätjugendliche Comedy-Ensemble, bestehend aus the awkward one (Marcus), the horny one (Stylax) und the dim one (Grumio), die all die Plots durchdeklinieren, wie sie beispielsweise auch „Friday Night Dinner“ und „Fresh Meat“ anspielen: die ewigen Probleme mit den Mädchen, dem ersten festen Job samt äußerst reduziertem sozialen Ansehen, das dieser mit sich bringt, Geldnot, nervtötende Vermieter usw.

Die Wendung aber, diese modernen Themen und Motive ins antike Rom zu verlegen („Ich bin praktisch geborener Römer, ich bin seit sechs Wochen hier!“), bietet so viele komische Möglichkeiten, dass „Plebs“ zu einem unerwartet durchgängigen Vergnügen wird. Sei es, dass Marcus und Stylax Jobs als copier und shredder haben, so dass der eine den ganzen Tag im Schweiße seines Angesichts Schriftrollen abschreibt, die der andere dann oft genug (und vollkommen mühelos) zerreißen und wegwerfen darf, während ein dritter Angestellter nichts anderes zu tun hat, als als lebender Wasserspender mit einem Tonkrug herumzustehen und seine Chefin zu korrigieren, die ihn als water boy anspricht: „Water man! Water man!“ Sei es, dass die Jungs Flyer in die Finger bekommen, die zu typisch römischen Orgien einladen. Oder sei es, dass sie bei diesen Orgien dann schon am Türsteher zu scheitern drohen und sich die Frage stellen müssen, ob sie den Sklaven nicht einfach draußen lassen können:

Wie albern Sam Leifer und Tom Basden (der als Wasserträger selbst mitspielt) ihre erste Sitcom angelegt haben, wird unmittelbar deutlich, wenn konsequent Raggae als Soundtrack für die Serie etabliert wird, und von da an lacht man eigentlich mehr oder weniger durch: Über das bickering zwischen Marcus, Stylax und Grumio („I’ve always been into gladiating.“ — „It’s not called gladiating.“ — „I meant gladiatoring“), über die Hauptdarsteller Tom „Marcus“ Rosenthal (der im Grunde seine Rolle aus „Friday Night Dinner“ weiterspielen darf), Joel „Stylax“ Fry („White Van Man“, „Trollied“, „Twenty Twelve“) und Ryan „Grumio“ Sampson, und über die immer wieder gern gesehenen Altstars in Nebenrollen („Green Wings“ Karl Theobald als Vermieter, „Smack the Ponys“ Doon Mackichan als Chefin).

Nun gut, was die Zielgruppe angeht, muss ich vielleicht doch etwas einschränken: je jünger und je männlicher man ist, desto mehr dürfte „Plebs“ an einen gehen. Aber was will man machen, wenn auf antiken Vasen nun einmal die explizitesten Pornobildchen zu sehen sind?!

Genau so sollen Britcoms: jung, schnell und dreckig. Schön, dass ITV2 schon eine zweite Staffel bestellt hat. Noch schöner, dass die erste heute auf DVD erschienen ist.

Satire im Schongang

Sehen wir einmal ganz von dem Vorwurf ab, John Morton, der Autor von „Twenty Twelve“ (BBC4), habe die Idee zu einer Mockumentary über die Vorbereitung der Olympischen Spiele einfach von der australischen Sitcom „The Games“ (ABC, 1998) geklaut, auch wenn es Indizien für die Richtigkeit dieses Verdachts gibt (etwa daß die australischen Autoren Ross Stevenson und John Clarke ihre Idee der BBC vorgestellt und John Morton sogar eine „The Games“-DVD gegeben hatten). Ideen an sich sind nicht schützbar, und aus gutem Grund, sonst dürfte längst niemand mehr Geschichten über unglückliche Liebe oder eine schwierige Vater-Sohn-Beziehung schreiben, und solange Morton sich nicht bei den Plots, Storys oder gar Gags von „The Games“ bedient hat, sondern nur die grundliegende Idee kopiert hat (eine Handvoll unfähiger Planer sollen die Olympischen Spiele organisieren), mag das moralisch zwar zweifelhaft sein, aber eben kein Plagiat.

Tatsächlich trägt „Twenty Twelve“ deutlich die Handschrift Mortons, dessen „People Like Us“ (BBC2, 1999) schon sehr nahe an „Twenty Twelve“ war: ebenfalls eine Mockumentary (oder eher noch Docusoap-Parodie) mit einem Off-Sprecher (damals Chris Langham als Dokumentarfilmer Roy Mallard, heute David Tennant), in der pro Folge ein member of the public im Arbeitsalltag begleitet und oft als überfordert, unfähig, irgendwie seltsam gezeigt wurde. Immer aber, und das machte den Charme von „People Like Us“ aus, wurden die Polizisten, Anwälte, Makler, Journalisten oder Fotografen sehr behutsam behandelt, nie bloßgestellt oder vorgeführt. Mallard ging mit den Menschen, die er porträtierte, stets nachsichtig um — manchmal so nachsichtig, daß er geradezu auf sie hereinfiel und, obwohl nie vor der Kamera zu sehen, zur eigentlichen Hauptfigur wurde: der des scheiternden, linkisch-stümperhaften Filmemachers.

Doch „People Like Us“ ist mehr als zehn Jahre her (die zuvor im Radio gelaufene Version sogar 15); eine geplante dritte Staffel wurde damals zugunsten von „The Office“ nicht realisiert. Seitdem ist viel passiert in diesem Genre, nicht zuletzt „The Thick of It“ hat Maßstäbe gesetzt, was Mockumentarys angeht, die in einer politischen Sphäre spielen, und die Nachsicht (mit members of the public) ist längst bösartig-schwarzer Satire gewichen, die unfähige Vorgesetzte und Spitzenpolitiker mit dem Seziermesser auseinandernimmt.

Doch „Twenty Twelve“ hat keinen David Brent, keinen Malcolm Tucker zu bieten. Das Monster fehlt, der böse Blick auf öffentliche Personen fehlt, und das Ensemble von Olympia-Planern um Hugh Bonneville als Head of Deliverance Ian Fletcher, Amelia Bullmore als Head of Sustainability Kay Hope, Olivia Colman als Assistentin Fletchers, Jessica Hynes als Head of Brand Siobhan Sharpe und Karl Theobald als Head of Infrastructure Graham Hitchins ist infolgedessen leider recht konturlos geraten. Alle geben unaufhörlich ein ähnliches Nonsens-Gerede von sich: die enervierende PR-Nuß Siobhan, aber auch Kay Hope, die permament auf dem Unterschied zwischen „Legacy“ und „Sustainability“ herumreitet, und natürlich Fletcher als Kopf der Unternehmung und Repräsentant. Alle scheinen oft genug keine Ahnung von dem zu haben, was sie tun. Und ob es nun die Enthüllung einer Uhr ist, die den Countdown bis zum Beginn der Spiele herunterzählen soll, oder eine Busfahrt mit brasilianischen Funktionären zur olympischen Baustelle, die zur Odyssee wird: Nie wird es so richtig schlimm, nie wird die Lage aussichtslos, nie leidet man als Zuschauer mit einem Charakter mal richtig mit.

Statt dessen redet mal der eine, mal die andere Bullshit, und dann ist es vorbei. In der letzten, der zweiten Folge, wurde zur Verstärkung dieses Geschwätzes sogar der alte Gag der Dolmetscherin bemüht, die — haha! — etwas ganz anderes sagt, als sie eigentlich sagen soll, was dann natürlich voll entlarvend ist. Leider sind die Monologe, die langweiliges politisches Gerede karikieren möchten, hin und wieder tatsächlich langweilig. (Ein Fehler, über den James Cary in seinem Comedy-Blog ein schönes Stück geschrieben hat: nervige Charaktere und langweiliges Gerede, die tatsächlich nervig und tatsächlich langweilig sind.)

Selbst wenn „Twenty Twelve“ ab und zu mit Schmunzlern und (etwa einmal pro Folge) sogar mit einem richtigen Lacher aufwarten kann:  Die Zeit von Nachsicht mit ranghohen Funktionären ist vorbei, wahrscheinlich ist allmählich sogar die Zeit von Mockumentarys abgelaufen. Der warme Blick auf typisch englische Arbeitsweisen (besonders hier im Zusammenhang mit den Spielen, also unter den Augen der Weltöffentlichkeit), auf das muddling through, das britische Durchwurschteln also, scheint verfehlt — vor allem, weil die Fallhöhe eines milliardenschweren Projekts in den Händen von Schwätzern nach schweren Waffen geradezu schreit.

Twenty Twelve

10. März 2011 5 Kommentare

Nächstes Jahr finden die Olympischen Spiele in London statt, und schon nächste Woche hat BBC4 dazu eine sechsteilige Doku…-Comedy. Yes! „Twenty Twelve“.

They’ve got nine billion pounds to spend and plenty of time to think about it all. What can possibly go wrong?

Klingt lustig, sieht gut aus, und mit Olivia Colman („Peep Show“, „Green Wing“), Karl Theobald („Green Wing“), Jessica Hynes („Spaced“) und Amelia Bullmore („I’m Alan Partridge“) sind auch etliche gute Leute dabei; Autor John Morton steht für die sehenswerte Comedyserie „People Like Us“, gleichfalls eine Mockumentary, über die man heutzutage selten stolpert, weil der unselige Chris Langham eine Hauptrolle darin hat. Wen das nicht stört: Geheimtip!

„Twenty Twelve“-Top-Dialog:

– It’s a lot like flying an aeroplane: You get this right, no one’s gonna notice. You get this wrong…

– …everyone notices.

– First they notice, yeah. Then they die.

„Twenty Twelve“ läuft am Montag an.