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Artikel Tagged ‘Sanjeev Bhaskar’

Alles mögliche

4. Dezember 2015 1 Kommentar

Es hat schon einen Grund, dass Toyota sich damals für den Slogan „Nichts ist unmöglich“ entschieden hat, und nicht etwa für „Alles ist möglich“. „Nichts ist unmöglich“, das klingt nach der Verwirklichung von Utopie, dem Griff nach den Sternen, nach wilden Phantasien, die wahr werden, obwohl niemand das glauben wollte. „Alles ist möglich“ dagegen klingt nach dem Eingeständnis: Ja, irgendwas kann schon passieren, oder auch nichts, wer weiß das schon. Eh wurscht.

Leider hat sich Terry Jones bei „Absolutely Anything“ (2015) für „alles ist möglich“ entschieden. Und alles mögliche in seinen Film hineingestopft — außer einem dramaturgisch kohärenten Drehbuch.

Das rettet nicht einmal Simon Pegg (der allerdings bislang kaum je einen Film gerettet hat, in dem er der leading man war, wenn man von den Edgar-Wright-Filmen absieht). Schon gar nicht durch das Overacting, zu dem Kate Beckinsale und er scheinbar verpflichtet worden sind.

Aber von Anfang an. Eine Gruppe supermächtiger Außerirdischer, in Szene gesetzt durch eher billige CGI und gesprochen von den noch lebenden Monty Pythons, gibt einem per Zufall ausgewählten Erdling, dem vom Leben enttäuschten Lehrer Neil Clarke (Pegg), absolute Macht — „Bruce Almighty“ (2003) lässt grüßen. So wollen sie testen, wie moralisch die Erdbewohner sind und ob sie es also verdient haben, weiterzuleben, oder ob die Erde besser zerstört werden sollte.

Neil allerdings wird von seiner Superkraft nicht so sehr korrumpiert als verwirrt — sein größtes Handicap scheint darin zu bestehen, dass er seine Wünsche zu ungenau formuliert, so dass stets erst einmal Chaos entsteht, bevor er sich korrigieren kann. Das Ziel seiner Wünsche aber ist im Grunde Neils heiße Nachbarin Catherine (Beckinsale), und die beiden Haupt-Hindernisse zu ihrem Herzen sind Neils sprechender Hund Dennis (Robin Williams) und ihr hartnäckiger Verehrer Grant (Rob Riggle). Um nichts größeres geht es den ganzen Film über — obwohl das so naheliegend wäre, dass es regelrecht weh tut, was da alles verschenkt wird. Siehe abermals: „Bruce Almighty“.

So entspinnt sich eine unglaubwürdige RomCom, die von einem halbgaren Scherz zum nächsten stolpert, von versehentlich von den Toten erweckten Zombies zu einem albernen Kult, der Neils Kollegen Ray (Sanjeev Bhaskar) verfolgt, zu völlig abseitigen Problemen, die kurz vor dem Finale durch (endlich!) vernünftige Wünsche Neils entstehen: Wer hätte vermutet, dass das Ende von weltweiter Obdachlosigkeit dazu führt, dass sogar die Wüsten Afrikas mit Hochhäusern verbaut werden müssen? Und das Ende des Klimawandels zu einer Eiszeit führt? Niemand, weil das natürlich Unsinn ist.

Wie so vieles in „Absolutely Anything“: dass zunächst einmal diskutiert werden muss, in welcher irdischen Sprache die Außerirdischen reden möchten, es dann aber Zufall bleibt, dass sie sich auf Englisch einigen. Als ob diese Diskussion überhaupt nötig gewesen wäre, oder wenigstens zu Witzen geführt hätte. Dass Neil und Ray aus dem Nichts darauf kommen, darüber zu reden, was sie täten, wenn alle ihre Wünsche wahr würden. Dass Neil am Ende von seiner Allmacht so überfordert ist, dass er Selbstmord begehen möchte.

Alles bleibt unmotiviert, unzusammenhängend, rätselhaft — etwa warum es so ein großes Problem sein sollte, Wünsche korrekt zu formulieren.

Was für eine Verschwendung! Terry Jones macht nicht einmal aus seiner Macht, große Namen für seinen Film zu gewinnen, wirklich etwas: die Außerirdischen, Cleese, Gilliam, Idle, Palin, haben überhaupt kein Leben sondern sind erkennbar immer nur plot device, um die Handlung in Gang zu bringen. Die Scherze in Jones‘ selbstgeschriebenen Drehbuch (na gut: mit Gavin Scott, der daran angeblich seit Jahrzehnten herumgedoktort hat) klingen wie müde Sitcom-Kalauer aus den 80ern: „Give me the body of a great man“, sagt Neil, und schwupps! hat er Einsteins Körper. Wer hätte den nicht kommen sehen? „The London Underground is worse than anything we ever did in Guantanamo“, sagt ein Ami. Really?!

Sehr schade ist das alles. Nicht zuletzt, weil auch Robin Williams in seiner letzten Filmrolle hier sehr dünne Zeilen aufsagen muss. Aber nicht ganz unerwartet, denn Terry Jones‘ letzte Regiearbeit, „The Wind in the Willows“, war 1996, und auch diesen Film habe ich als sehr inkonsistent, anstrengend und unkomisch in Erinnerung. Dieser hier, erschienen im August, hat es in Deutschland nicht einmal in die Kinos gebracht, und wenn es überhaupt eine synchronisierte Fassung geben sollte, ist sie mir bislang nicht untergekommen.

Wer einen komischen Film sehen möchte, der gucke bitte absolutely anything else (jaja, ein Scherz, den ich mir von einer anderen Kritik zu „Absolutely Anything“ geborgt habe. Wenn der Film so faul sein darf, darf ich das auch). Zum Beispiel „Ant Man“, der ist nämlich dank Edgar Wrights Vorarbeit recht komisch geworden, auch ohne dass Wright selbst dabei Regie geführt hat.

Britcoms.de lebt!

11. Januar 2013 1 Kommentar

Ein frohes Neues allen Lesern und Alles Gute, britcoms.de — das Blog lebt und hatte am Montag vierten Geburtstag. Dass an dieser Stelle in den letzten vier Wochen nicht allzu viel passiert ist, hatte mehrere Gründe: ich war zweimal krank (bin es immer noch), Weihnachten, Silvester, und ungewöhnlich viel zu tun zwischen den Jahren war auch noch. Nicht zuletzt: Es war gar nicht mal so viel zu bloggen — die Weihnachts-Specials haben mich dieses Jahr weniger begeistert als in den Vorjahren.

Ausnahme: Das „Outnumbered“-Weihnachts-Special (BBC1, 24.12.), das zweite in Folge, ohne dass es zwischendurch reguläre neue Folgen gegeben hätte. Stärker noch als im Jahr davor hatte ich diesmal das Gefühl, dass die Autoren Guy Jenkin und Andy Hamilton das große Problem der vierten Staffel in den Griff bekommen haben. Wir erinnern uns: „Outnumbered“ lebte von drei Kindern, die ihren Eltern mit Klugscheißerei, sinnloser Aggression, Lügen und verheimlichten Problemen schön auf die Nerven gingen, und das in halb improvisierten Szenen, die sehr davon profitierten, dass zumindest die zwei jüngsten Kinder (Ramona Marquez als Karen und Daniel Roche als Ben, zu Beginn zehn und zwölf Jahre alt) mit offenkundig großer Lust am Spielen der Serie Leben einhauchten. Leben, das vielen ähnlichen Serien fehlt, in denen Kinder Kinder spielen, wie Erwachsene sie sich vorstellen, und Texte aufsagen, die Erwachsene geschrieben haben. Diese Natürlichkeit ging über die Jahre verloren, die Kinder waren irgendwann älter als ihre Rollen, und plötzlich stimmte die Chemie der ganzen Serie nicht mehr.

Das haben Hamilton und Jenkin nun aber wieder hingekriegt: das Special konzentrierte sich mehr auf eine typisch britische Story rund um eine entgleiste Weihnachtsparty mit viel Alkohol, Neurosen, Ärger mit der Polizei und anderen peinlichen Situationen, fügte einige immer gern gesehenen Gaststars dazu (Mark Heap, Sanjeev Bhaskar) — und fertig waren sehr amüsante 40 Minuten. So könnte ich mir sogar noch eine ganze Staffel „Outnumbered“ vorstellen; die wäre dann zwar nicht mehr das alte „Outnumbered“, sondern näher an einer traditionell geschriebenen und gespielten Sitcom — aber was soll’s. Also, BBC: Bitte mehr davon!

Das war’s dann aber auch schon mit der Weihnachtsherrlichkeit. Das „Downton Abbey“-Special (ITV1, 25.12.) war zwar okay, aber nicht herausragend: ein Familienausflug der Herrschaft nach Schottland (und ein Besuch des Jahrmarkts der Subalternen) brachte zwar einen Tapetenwechsel und schöne, ungewohnte Bilder, doch erst ganz am Schluss, als Cliffhanger, wurde die Handlung der Serie vorangetrieben. Das allerdings mit einem unweihnachtlichen Schock.

Den anderen Weihnachtsschock hat mir die erste Folge „A Young Doctor’s Notebook“ verpasst (vierteilige Miniserie, Sky Arts): Ein billiges Set (ich dachte erst, ich sei in einer BBC-Sitcom der frühen 80er), darin langatmig gespielt die düstere Adaption der „Aufzeichnungen eines jungen Arztes“ des bekannten russischen Humoristen Michail Bulgakow (bitte in die Luft gemalte Anführungszeichen mitdenken) — und als Stars tatsächlich, ich dachte, ich traue meinen Augen nicht: Jon Hamm (ja, der Jon Hamm, der Don Draper in „Mad Men“ spielt) und Daniel Radcliffe (ja, der Harry Potter, der Daniel Radcliffe in „Daniel Radcliffes Karriere“ spielt)?! Hm. Das war unerwartet. Und unkomisch. Wie zur Hölle kommen denn Don Draper und Harry Potter dazu, diesen komikfernen Schmarrn zu spielen? War an den Theatern dieser Welt keine Stellen mehr frei für überambitionierte Superstars, die kleine Nebenprojekte suchen?

Tscha, und das war Weihnachten. Gut, dass es vorbei ist.

Endlich Herbst

23. September 2010 11 Kommentare

Die Fall Season der US-Fernsehsender hat begonnen! Ich habe noch nichts gesehen (gibt’s denn was Neues, das man sehen müßte?), allerdings klingt „Outsourced“ (NBC, ab heute abend), über das ich gerade gestolpert bin, nicht sehr vielversprechend: ein amerikanischer Jung-Manager, der nach Indien versetzt wird, wo er in einer indischen Version von „The Office“ landet. Inklusive trotteliger Inder, die mit voll lustigen Akzenten uralte US-Popkultur-Referenzen darbieten.

Klingt nicht nur schlimm (wie ja so ziemlich alle Comedybemühungen von NBC), sondern auch entfernt wie „Mumbai Calling“ (2009), einer gemeinsamen Produktion von ITV, HBO und dem australischen Sender ABC1. Nur daß die wirklich in Indien gedreht haben, dementsprechend realistischer mit der Thematik umgegangen sind, als es bei „Outsourced“ den Anschein hat, und von Anfang an eine Wendung mehr in ihrem Setup hatten: Denn bei „Mumbai Calling“ war die Hauptfigur, die aus ihrem beschaulichen Londoner Leben gerissen und in ein Call-Center nach Indien versetzt wird, ein in England geborener Manager indischer Abstammung, der sich auf diesem Weg plötzlich mit seiner eigenen Herkunft konfrontiert sah und damit, wie wenig er über seine eigenen Wurzeln weiß.

Nun war auch „Mumbai Calling“ trotz  Sanjeev Bhaskar („Goodness Gracious Me“) kein für alle Zeiten unvergeßlicher Comedy-Höhepunkt. Aber es wirkte authentisch (location, location, location!)  und keine Sekunde problematisch im Umgang mit Ausländer-Stereotypen. Und es hatte viele Lacher auf der Seite der Inder, was „Outsourced“ wohl eher fehlt. Ich würde jedenfalls lieber eine zweite Staffel davon sehen als den amerikanischen Rip-Off.

Inder Bredouille

19. Juni 2009 6 Kommentare

Als die Frankfurter Rundschau im Laufe der Tageszeitungskrise im Allgemeinen und ihrer hausgemachten Misere im Besonderen einmal ein wenig Geld sparen wollte, kam irgend jemand auf die Idee, die Telefonzentrale von Redaktion, Verlag und Druckerei dort hin zu verlagern, wo es wenig kostet, jedenfalls weniger als in Frankfurt am Main: nämlich in den Osten, in ein Call-Center, seßhaft vermutlich in einer Mittelstadt in wasweißich Thüringen oder Sachsen. Seitdem wird der Anruf von jedermann, der die Frankfurter Rundschau anwählt, nicht im hessischen Idiom beantwortet, sondern, wenn er Glück hat, mit „Frankfodder Ründschau, güdn Dooch“ und „waskonnschfürSiedüün“. Von Vorgängen im Haus haben die Menschen im Call-Center naturgemäß keine Ahnung, vermutlich war nie einer von ihnen in Frankfurt/M. und hat auch noch nie eine Rundschau in der Hand gehabt.

Eine Sitcom in diesem Milieu könnte nun so gehen: Ein Ossi, seit kurz nach (oder besser noch vor) der Wende im Westen, hat es geschafft. Er hat einen schönen Job in einer westdeutschen Stadt bei einer z.B. Unternehmensberatung. Dort ist er rasch aufgestiegen, weil er seinen Job gut macht und kaum etwas an seine Herkunft erinnert. Dann bekommt sein Unternehmen den Auftrag, eine marode Tageszeitung vollends zu ruinieren, und richtet ein Call-Center in Ostdeutschland ein. Als es dort zu Problemen mit der Technik und der Mentalität der Angestellten kommt, erinnert sich ein hoher Manager der Unternehmensberatung: Da war doch ein Mitarbeiter, der ursprünglich aus dem Osten kam! Und prompt wird unser Ossi nach Zwickau versetzt, wo er, der den liberalen westlichen Lebensstil schätzt wie kein zweiter, plötzlich im kleinbürgerlichen Mief zwischen Unwilligen und Unfähigen sitzt, Chef zwar, aber ausgeliefert dem „Das machen wir hier schon immer so“ und „Da könnte ja jeder kommen“. Eine Fish out of water-Story mit dem Twist, daß dieser Fisch dahin zurück muß, wo er froh war, endlich weg zu sein.

Ganz so schlimm ist es nicht für Kenny Gupta (Sanjeev Bhaskar) in „Mumbai Calling“ (ITV, samstags, 21.30 Uhr). Er, der in Wimbledon korrigiere: Wembley geborene indisch-stämmige Engländer, muß nicht in den deutschen Osten, sondern nur nach Mumbai (hierzulande noch weitgehend als Bombay bekannt), um das (in Großbritannien operierende) Call-Center Teknobabel auf Vordermann zu bringen. Dabei wird er nicht nur in Kämpfe mit dem dortigen Büroleiter Dev (Nitin Ganatra) verwickelt, der zwar sympathisch ist, aber mehr an Frauen als an Arbeit interessiert, sondern auch noch mit Terri Johnson (Daisy Beaumont), einer Britin, die Gupta hinterhergeschickt wird, weil der sich über Monate hinweg an seinem Arbeitsplatz gar nicht blicken läßt, sondern lieber trinkt und in Clubs herumhängt — wer könnte es ihm verdenken.

https://www.youtube.com/watch?v=iK3EVYPomO8&hl=de&fs=1&

Drei Folgen „Mumbai Calling“ sind schon gelaufen, und Setting wie Cast sind eine angenehme Abwechslung zu anderen Sitcoms. Gedreht wurde vor Ort in Indien und mit indischen Schauspielern (Single Camera, kein Laugh Track), Sanjeev Bhaskar kann mit „Goodness Gracious Me“, einer ethnischen Sketch-Comedyshow, auf große Erfolge zurückblicken, und Daisy Beaumont ist als Ensemble-Mitglied von „Star Stories“ ebenfalls schon auf dem Comedy-Radar aufgetaucht. HBO hat „Mumbai Calling“ bereits im November vergangenen Jahres in Indien ausgestrahlt, ITV allerdings nach einem Pilot von Mai 2007 sehr lange zugewartet, bis sie die längst fertige Serie doch noch ausgestrahlt haben. Doch noch ausgestrahlt vermutlich wegen des großen Erfolgs von „Slumdog Millionaire“ (und weil auch ITV die Krise sehr zu spüren bekommt und es sich nicht leisten kann, fertige teure Serien einfach in den Giftschrank zu tun), so lange damit gewartet aber aus einem anderen Grund: „Mumbai Calling“ ist zwar schön anzusehen, aber nicht übermäßig dicht an Lachern. Was die Serie aber an Knaller-Pointen verschenkt, macht sie durch einen großen Sympathie-Bonus wett, den sie bei mir hat. Und vielleicht wird sie ja auch noch ein bißchen besser.

Einen Scherz hab ich noch, der leider für die Ossi-Sitcom unübersetzbar ist: „You want a four letter word?“ — „Yeah!“ — „Work!“