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Artikel Tagged ‘Terry Gilliam’

BBC-Film-Film: Das Leben des „Das Leben des Brian“

21. Juni 2011 9 Kommentare

Es ist noch gar nicht so lange her, daß „Monty Pyhton’s Life of Brian“ (1979) wieder in ganz Großbritannien gezeigt werden darf: Der Film hatte bis vor wenigen Jahren ein (freilich längst vergessenes) Aufführungsverbot in Aberystwyth (Wales) [oder auch nicht, siehe Kommentare]. Nun aber, da ausgerechnet die Judith von der People’s Front of Judea (alias Sue Jones-Davies) dort Bürgermeisterin ist war, darf auch der Film wieder in den Aberystwythschen Kinos aufgeführt werden.

Eine Anekdote, heute; seinerzeit aber gab es heftige Diskussionen um das vermeintlich blasphemische Meisterwerk der Pythons. Unter anderem in Irland und Norwegen durfte der Film nicht gezeigt werden, Kirchenvertreter in den USA und in Großbritannien liefen zu Proteststürmen auf — nicht zuletzt, weil viele den Film gar nicht richtig verstanden bzw. nie gesehen hatten und der irrigen Meinung waren, dort würde Jesus persönlich geschmäht. Tatsächlich aber kommt Jesus nur in einer Szene des Films vor, bei der Bergpredigt, und wird keineswegs durch den Kakao gezogen, sondern höchst respektvoll gezeigt. Die Trottel sind nur die, die ihn falsch verstehen.

Stoff für einen eigenen Film? Allerdings! BBC4 hat bekanntgegeben (und der Guardian berichtet), daß im Herbst ein 90-Minuten-Drama rund um „Das Leben des Brian“ ausgestrahlt wird: „Holy Flying Circus“. Die Pythons selbst werden dabei nichts mit dem Filmprojekt zu tun haben (hatten aber ein Mitspracherecht, das offenbar keiner von ihnen genutzt hat); der Film selbst soll kein Biopic werden, sondern mit surrealen Umschnitten, Puppen- und anderen Animationen arbeiten. Klingt… interessant. Hoffentlich wollen sich die Macher dabei nicht mit den Pythons in puncto Schrägheit messen, das könnte leicht schiefgehen.

Das Buch wird Tony Roche beisteuern, der Co-Autor u.a. von „The Thick of It“ und „In The Loop“ ist, und die Schauspieler, die die Pythons darstellen sollen, stehen auch schon fest:

Darren Boyd, John Cleese

Darren Boyd („Whites“, „Dirk Gentley“) wird John Cleese spielen — leuchtet mir unmittelbar ein, daß es da Ähnlichkeiten gibt, es unbestreitbar, und zwar nicht nur äußerlich. Boyd hat auch in seiner Art, unterdrückte Aggressionen zu spielen, gewisse Parallelen zum Spiel von John Cleese.

Charles Edwards, Michael Palin

Charles Edwards als Michael Palin hat ebenfalls deutliche Ähnlichkeiten.

Steve Punt, Eric Idle

Daß Steve Punt („The Mary Whitehouse Experience“) und Eric Idle sich ähnlich sehen, hat schon lange zu albernen Gerüchten geführt, Punt sei mit Idle verwandt oder gar sein Sohn — was natürlich Unsinn ist.

Tom Fisher, Graham Chapman

Mhm, geht auch klar…

Phil Nichol, Terry Gilliam

…genau wie diese Besetzung. Schön, daß mit Phil Nichol ein in Schottland geborener, aber in Kanada aufgewachsener Comedian einen amerikanischen Comedian in England spielt — fehlt nur noch eine Studienzeit in Australien oder so.

Rufus Jones, Terry Jones

Update: Und auch Rufus Jones als Terry Jones sollte funktionieren (ich hatte die Graphik vorbereitet, aber vergessen, sie hochzuladen. Mei, wo hab ich nur immer meinen Kopf?!).

Der fliegende Zirkus, revisited

Henning Wehn, der (soweit ich weiß) einzige deutsche Comedian im britischen Comedy-Business, mit einer Radiosendung auf BBC4 über die deutschen Folgen des „Flying Circus“, wie Alfred Biolek seinerzeit die Pythons nach Deutschland gelockt und mit Gin gefügig gemacht hat, die erste Folge schnell zu einem Alptraum wurde, weil Idles, Gilliams, Jones‘ und Chapmans „Deutsch“ praktisch nicht zu verstehen war, und wie die zweite Folge (auf Englisch mit deutschen Untertiteln — ja, das ging damals noch) dann doch zu einem Hit im deutschen Fernsehen wurde:

2011 marks the 40th anniversary of one of the Monty Python team’s most bizarre and least known television adventures, two forty five minute specials they made exclusively for German television.

Roll up, it’s Monty Python’s Fliegender Zirkus! This is the extraordinary tale of when the Pythons went Bavarian.

Die ganze Sendung (leider nicht einzubetten) gibt es hier, inklusive Gesprächen mit Terry Jones und Michael Palin sowie einem Interview mit Alfred Biolek auf Englisch!

Mit Dank an Matthias!

Comedy Landmarks (3): Gleneagles Hotel, Torquay

6. August 2010 2 Kommentare

Gutgut, es ist kein Comedy Landmark im eigentlichen Sinne, denn hier wurde nie eine Sitcom gedreht. Aber jeder kennt die Serie mit dem Hotel im Titel, das für das Gleneagles Hotel in Torquay an der englischen Riviera steht: „Fawlty Towers“ (BBC2, 1975-’79).

Das Glenagles. Die Außenansicht des Hotels, das in "Fawlty Towers" gezeigt wird, existiert leider nicht mehr - es ist 1991 abgebrannt.

In den frühen Siebzigern waren die Pythons zu Dreharbeiten am „Flying Circus“ im hübschen Seebad Torquay und residierten ebenda im Gleneagles. Der Hotelmanager des Gleneagles, ein gewisser Donald Sinclair, zeichnete sich rasch durch, nun ja, unkonventionelles Gebaren aus, indem er beispielsweise Eric Idles Aktentasche, die dieser kurz an der Rezeption liegen gelassen hatte, kurzerhand hinter eine Mauer vor dem Hotel brachte — schließlich hätte in der Tasche ja eine Bombe versteckt gewesen sein können. Idle soll eine gute Weile danach gesucht haben. Bei Tisch ließ Sinclair Terry Gilliam wissen, man esse in England nicht „so“: Gilliam hatte sein Mittagessen zunächst in kleine Stücke geschnitten und diese dann mit der Gabel in der rechten nach und nach verspeist. Jahre später, als die BBC mit John Cleese in Verhandlungen um eine Sitcom stand, erinnerte der sich an den „most wonderful rude man I have ever met“ — und so quartierte er sich abermals, später sogar mit seiner Frau Connie Booth, im Gleneagles in Torquay ein, um den erfrischend unhöflichen Hotelmanager zu studieren und Anekdoten über ihn zu sammeln. Die Geschichte ist so oft erzählt worden, ich erspare mir hier weitere Details.

So viel Presserummel gab es um das Gleneagles, daß Donald Sinclair es schließlich verkauft hat und in die USA ausgewandert ist

Leider war das Gleneagles völlig ausgebucht, als wir in Torquay ankamen. Schade, denn obwohl es mehrfach umgebaut und renoviert wurde, zuletzt 2006, strahlt zumindest die Lounge eine quasi historische Ruhe aus, und bei einem Tee und lecker Keksen hat man einen sehr schönen Blick hinunter zum Meer. Gegenüber der Rezeption sind einige gerahmte Zeitungsausschnitte und Autogramme, viel mehr erinnert nicht an „Fawlty Towers“. Ach doch: der Kellner. Der ist zwar nicht aus Spanien, sondern aus Polen, aber genauso sympathisch wie Manuel. Und bevor jemand fragt: We didn’t mention the war.

Prunella Scales, John Cleese, Connie Booth und Andrew Sachs (vorne)

Auf das Foto mit meinem dicken Bauch vor dem Gleneagles verzichte ich heute mal…

Saturiert Night Fever

6. März 2010 8 Kommentare

Was soll man angesichts dieses Trailers empfinden, der den gleichnamigen Film zum Monty-Python-Festakt „Not The Messiah“ bewirbt?
https://www.youtube.com/watch?v=Kewfy5pMeWA&hl=de_DE&fs=1&

Der Film wird an angeblich nur einem Tag in England in den Kinos laufen, nämlich am 25. März — glaube das, wer wolle. Die Saturiertheit, mit der da die einst anarchischen Witze zum millionsten Mal wiederholt werden, diesmal gesungen und mit dem BBC Symphony Orchestra als Band, und dann natürlich „Always Look on The Bright Side of Life“… Ich weiß nicht. Kann das lustig sein? Ist das noch das unzähmbare, antiautoritäre Biest Monty Python? Oder ein domestizierter, zahnloser Stubentiger? Hat John Cleese am Ende gut daran getan, sich nicht zu Eric Idle, dem Moder- und Initiator des Spektakels zu gesellen? Oder wäre es fair play gewesen, den Fans diesen Spaß zu gönnen, wenn schon Terry Gilliam, Terry Jones und Michael Palin ihn mitmachen?

Der Sinn der Pythons

30. Oktober 2009 Keine Kommentare

Auf gänzlich unsentimentale Weise gehen derzeit Larry David und Jerry Seinfeld die Wiedervereinigung des »Seinfeld«-Casts an: Sie spielen sie nämlich nur, im Rahmen von Davids aktueller Staffel »Curb Your Enthusiasm«, und wie es bei »Curb« zu schöner Routine geworden ist: Alle kriegen sich früher oder später mit »L.D.« in die Haare – für »Weißt du noch, damals«-Gefühligkeiten bleibt da zum Glück keine Zeit.

Das ist bei dem sechs einstündige Folgen starken »Monty Python: Almost the Truth – The Lawyer’s Cut« (Edel) anders. Die Pythons feierten soeben ja auch schon ihr vierzigstes Jubiläum, und entsprechend respektvoll begegnen sie zwar immerhin nicht sich gegenseitig, aber die prominenten Fans ihren Heroen, und alle kommen in dem 3-DVD-Box-Set ausführlich zu Wort: Stephen Merchant, Simon Pegg und Steve Coogan, Dan Aykroyd, Pink Floyds Nick Mason und Tim Roth dürfen gratulieren und ihre Kindheitserinnerungen zum besten geben, und natürlich die Pythons selbst bzw. David Sherlock, Graham Chapmans langjähriger Freund, an Stelle des verstorbenen Pythons.

Zwar gibt es für eingefleischte Pythonauten auch hier kaum neue Erkenntnisse (außer daß Eric Idle aufhören sollte, sich die Haare zu färben), aber das Altbekannte wird neu und kompetent erzählt – von den ganz frühen Tagen aller Pythons (»The Not-So-Interesting Beginnings«), die allerdings mit dann doch interessanten neuen Fotos und privaten Super-8-Filmchen schön angedickt werden, dem »Flying Circus« (»The Much Funnier Second Episode«) und den schäbigen Momenten (»The Sordid Personal Bits«), in denen die Zensur versuchte einzugreifen, die BBC beinah die Aufnahmebänder gelöscht hätte und die Pythons mit Chapmans alkoholinduzierter Arbeitsunfähigkeit, Cleeses Starallüren und den Rivalitäten zwischen den beiden Terrys zu kämpfen hatten.

So geht das weiter bis zum letzten Kinofilm, »The Meaning of Life«: Mit zahllosen Ausschnitten, die Lust machen, sich das Gesamtwerk der Pythons gleich noch mal reinzuziehen, und die geistesverwandten Geniestreiche des Python-Vorbilds Spike Milligan, der »Goon-Show« und der Bonzo-Dog-Doo-Dah-Band gleich hinterher – und doch bleibt nach aller Sentimentalität immer das Gefühl, man habe gerade mitgeholfen, Punk ins Museum zu bringen und damit der Anarchokomik alles Anarchistische (und auch alles Komische) zu nehmen, etwas auf einen Sockel zu stellen, das immer gegen alle Erhabenheit war, aus einer Komikergruppe eine Institution zu machen, die stets alle Institutionen vorgeführt und lächerlich gemacht hat. Ein Dilemma, aus dem man kaum herauskommt. Es sei denn, man greift zur Fernbedienung und widmet sich einer weiteren hervorragenden neuen Folge von Larry Davids »Curb«.

Zuerst erschienen in TITANIC 11/2009

Der schwere Rucksack der Bedeutung

17. Januar 2009 4 Kommentare

Manchmal, wenn ich Spielfilme gucke, insbesondere britische, die leider viel zu selten wirklich gut sind, bemerke ich erst, wie sehr ich Fernsehen liebe und Fernsehserien. Gestern: „Son of Rambow“ (gedreht von Hammer & Tongs alias Garth Jennings und Nick Goldsmith, „The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“), gesehen wegen Jessica Hynes, geb. Stevenson („Spaced“).  „Son of Rambow“ ist die Geschichte zweier Zehnjähriger, die auf den ersten Blick kaum etwas gemein haben: Der eine ist ein schüchterner, schmächtiger Pennäler aus einer religiösen Spinnerfamilie, der andere ein Bully, wie er im Klassenbuch steht; die beiden freunden sich against all odds an und drehen gemeinsam einen an „Rambo“ angelehnten Akschnfuim; einer hinter der Kamera, einer als Stuntman/Hauptdarsteller davor. Der ganze Film spielt in einer durch und durch künstlichen Frühe-80er-Jahre-Setting, das deutlich von den Fantasy-Welten des überschätzten Terry Gilliam inspiriert ist und in dem Zehnjährige halsbrecherische Actionspektakel zwischen den Kühltürmen eines stillgelegten Kraftwerks drehen und Teenager zu diesem Zweck Kübelwagen kaputtfahren können, ohne daß sie hinterher alle vor dem Jugendgericht landen, sondern mit ihrem Film ins Kino kommen, als Vorfilm von „Yentl“. Die fabelhafte Welt der Präpubertären sozusagen.

Dabei benehmen sich die Blagen aber nie wie Kinder, sondern immer so, wie Erwachsene sich das zurechtphantasieren und in ihrer Erinnerung an eigene Kindheitstage verklären: Die Schule mit ihren drakonischen Strafen! Die geheimnisvolle Erwachsenenwelt, durch Kinderaugen gesehen! Und natürlich die bffs (best friends forever) inklusive Blutsbrüderschaft und einer für alle, alle für einen! Aber da muß natürlich jeder durch, Stichwort coming of age und so, Charakterbildung, selbständig werden, klar, klar. Richtig aufregen könnte ich mich, je länger ich darüber nachdenke.

Möglicherweise rege ich mich auch deshalb so über diese Phantasiekinder auf, die in „Son of Rambow“ mit der Autorenfilmschablone gezeichnet worden sind, weil ich bis vor Wochenfrist noch die zweite Staffel „Outnumbered“ gesehen habe, die eindrucksvoll beweist, wie es eben auch gehen kann: Mit Kindern, die sich wie Kinder benehmen, ohne dabei in Reality TV-Verdacht zu geraten. Nein, „Outnumbered“ zeigt das Leben einer Mittelschichtsfamilie am Rande Londons in einem realistischen Stil, den es so bis dahin noch nicht gegeben hat, denn die Kinder improvisieren einen Gutteil der Szenen. Dabei ist zwar, ähnlich wie bei „Curb Your Enthusiasm“, Ausgangs- und Endpunkt jeder Szene klar, dazwischen aber und vor allem nach dem Endpunkt sind die drei fünf, sieben und elf Jahre alten Nachwuchsschauspieler frei zu improvisieren, und sie sind ganz offenbar Naturtalente.

Das Angenehmste bei „Outnumbered“ ist jedoch, wie unbekümmert hier mit der Story umgegangen wird: Es gibt nämlich kaum eine. Zwar gibt es eine gewisse Rahmenhandlung: Der Elfjährige geht auf eine neue Schule, die Eltern müssen sich zunehmend um den vergeßlichen Großvater kümmern, Konflikte mit nahen Familienmitgliedern wollen gelöst werden usw. Doch die einzelnen Folgen sind annähernd about nothing, viel mehr sogar als „Seinfeld“, das als „Show about nothing“ gehandelt wurde, es in Wirklichkeit aber nie war, denn „Seinfeld“-Folgen lassen sich ja problemlos nacherzählen, was bei z.B. „The Royle Family“ oder eben „Outnumbered“ deutlich schwerer fällt.

Es scheint eine der Freiheiten des Fernsehens zu sein, solche plotlosen Geschichten erzählen zu können und ohne Subtext auszukommen, den Spielfilme wie „Son of Rambow“ Gott weiß warum immer wie einen Rucksack voller Bedeutung mit sich herumschleppen müssen, vielleicht damit die Zuschauer etwas zum Nachdenken und Diskutieren haben, wenn sie aus dem Kino herauskommen. Statt einfach mal gut und kurzweilig unterhalten worden zu sein. Schade eigentlich.

Mehr zu „Outnumbered“ (erste Staffel auf DVD erhältlich) in der nächsten Humorkritik in TITANIC 2/2009!