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Herring Moustache

Richard Herring: "Hitler Moustache"

Richard Herring: „Hitler Moustache“

Die Wirkung eines Hitlerbärtchens hängt natürlich sehr davon ab, wie der Hitlerbärtchenträger sonst so aussieht. Richard Herrings Erscheinung in seinem letzten Programm „Hitler Moustache“ ist die einer typischen Kaurismäki-Figur: lange, ungepflegte Haare, leicht übergewichtig, schlecht sitzender dunkler Anzug mit ausgelatschten schwarzen Tretern dazu, auf der falschen Seite der 40. Herrings Hitlerbärtchen wirkt innerhalb dieses Ensembles hochgradig albern. Was für einen Stand Up-Comedian ja nicht zwangsläufig das schlechteste ist.

Herrings Versuch, dieses Bärtchen für sich zu reklamieren, es von seiner Nazi-Konnotation zu befreien und der Comedy zurückzugeben (immerhin hatte Chaplin es vor Hitler!), indem er es wochen- und monatelang spazierführt, ist gewiß von Anfang an zum Scheitern verurteilt und ebenfalls eher albern. Das Stand Up-Material aber, mit dem er seinen Bericht über diesen Selbstversuch andickt, gehört streckenweise zum Besten, was in diesem Jahr an Live-Comedy erschienen ist.

Denn Richard Herring (vormalige Hälfte des Comedy-Duos Lee & Herring an der Seite von Stewart Lee), braucht nur einen kurzen Anlauf, um von seinem Selbstversuch zu den Europawahlen zu kommen, bei denen die englische Faschopartei BNP unerwartet gut abgeschnitten hat — obwohl sie nicht mehr Wähler hatte als bei der letzten Wahl –, und von dort zu einer Publikums-, i.e.: Nichtwählerbeschimpfung. Was dann folgt, hat in der englischen Presse für Wellen gesorgt (allerdings auch deswegen, weil der Guardian Herring-Zitate aus dem Zusammenhang gerissen hatte): Rassisten seien nämlich im Grunde weniger rassistisch als Liberale. Schließlich gäbe es für Liberale 159 Staaten auf der Welt, für Rassisten aber nur vier verschiedene Rassen: eine weiße, eine schwarze, eine chinesische und die, die von den Fidschis über Indien, Nordafrika/Südeuropa bis Mexiko reiche. Was ja wohl bedeute, daß Rassisten 154mal näher an der Gleichheit aller Menschen seien als Liberale. Für Hardcore-Rassisten gäbe es überhaupt nur zwei Rassen: Weiß und schwarz — das sei ja nur noch einen Schritt von der Gleichheit aller Menschen entfernt.

Herrings Mäander ist ungewöhnlich politisch für englische Comedy, einerseits klar antifa-geprägt, andererseits ambivalent genug, etliche Hohoho-ganzschönkraß-Lacher zu provozieren; er sucht sich ab und zu einzelne Leute im Publikum aus, die er angehen kann, findet aber doch immer wieder zu einem Charme zurück, der seinen routine angenehm kurzweilig macht; seine Schlagfertigkeit und Präsenz auf der Bühne tun ein übriges, auch die DVD-Version seines Stand Ups erträglich zu machen (selbst wenn ich grundsätzlich kein Freund von Stand Up-DVDs bin, weil sie stets wirken wie Theateraufführungen im Fernsehen — die Atmosphäre geht immer verloren). Einziges Manko der üppig mit Bonusmaterial versehenen Doppel-DVD: Es gibt leider keine Untertitel.

http://www.amazon.co.uk/Richard-Herring-Hitler-Moustache-DVD/dp/B003IVZRVK/
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