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Very Black Mirror

Die erste Folge von „Black Mirror“ (Channel 4), der neuen Miniserie von Charlie Brooker, hat mich eher ratlos hinterlassen: „The National Anthem“ war zwar genau die rabenschwarze Satire, die von Brooker zu erwarten war — aber leider nicht so auf den Punkt wie viele seine anderen Arbeiten.

*** ACHTUNG, SPOILER! ***

Der englische Premier Michael Callow (Rory Kinnear) sieht sich von Terrorismus der (haha!) schweinischsten Sorte bedroht: Entführer haben Prinzessin Susannah gekidnappt und drohen über einen nicht zurückverfolgbaren YouTube-Clip damit, sie umzubringen, falls Callow nicht live auf allen Fernsehkanälen ein, ähm, Schwein fickt. Ja, ein lebendes Schwein, bis zum Schluß und mit Wackelkamera gefilmt, damit Motion-Capturing- oder ähnliche Tricks ausgeschlossen sind. Zwar versucht Downing Street, das Erpresservideo nach Kräften aus der Öffentlichkeit fernzuhalten, aber weder YouTube noch Twitter lassen sich als Nachrichtenkanäle trockenlegen, und die ausländischen Medien halten sich natürlich auch nicht an britische restriction orders. Nach mehreren vergeblichen Versuchen, die Zügel wieder in die Hand zu bekommen, und nachdem sich die Öffentlichkeit gegen ihn gestellt hat, bleibt dem Premier nichts übrig: Es kommt, live im Fernsehen, zum Äußersten. Den Zusehern in Pubs, Krankenhäusern und zuhause aber vergeht das Lachen recht schnell. Im Epilog erfahren wir, daß auch ein Jahr später Callow noch an der Macht ist, die Öffentlichkeit hinter ihm steht, seine Frau aber hat sich von ihm abgewendet.

Geschmacklosigkeit ist ein Stilmittel. Ein drastisches, aber nicht von vorneherein ein verwerfliches. Trotzdem ist mir, um mal ein ganz schlimmes Klischee zu bedienen, das Lachen im Hals stecken geblieben — und das ist nun nicht so gut. Denn hier hatte ich das Gefühl, daß das aus noch anderen Gründen war als nur, weil „The National Anthem“ erschreckend weit jenseits aller sonst gültigen Geschmacksgrenzen sogar des englischen Fernsehens operierte (was wohl nur Charlie Brooker schafft).

Da waren einfach von Anfang an Fragen der Plausibilität, die zu schwerwiegend waren, als daß man sie einfach des hübschen Gedankenspiels wegen zur Seite legen konnte: Seit wann verhandeln Politiker mit Terroristen? Gerade wenn man einen so realistischen Ansatz wählt wie Brooker hier, ohne tongue in cheek, sondern mit einer allgegenwärtigen Beklemmung, die sich auf den Zuschauer überträgt, einen Ansatz ähnlich wie den von „The Thick of It“, aber mit einem viel dramatischeren Plot — dann muß eine so grundliegende Frage geklärt sein. Ebenso wie das Verhalten der Öffentlichkeit. Gut, Brookers Botschaft, die Öffentlichkeit ist ein Haufen Kretins, kommt relativ schnell klar rüber, sie ist ja auch seit Jahren die selbe — aber würde die öffentliche Meinung tatsächlich so umschlagen, wären alle so dermaßen cheerful, wie „Black Mirror“ das zeigt, wenn der Premier öffentlich ein Schwein bumst…?

Irgendwie konnte ich das alles nicht recht glauben. Vielleicht, weil ich es selbst nicht sehen wollte — und das ist ja nun Brookers Haupt-Dreh: Einen erst in dem Glauben lassen, man könnte sich guten Gewissens über die gezeigten Medien-Trottel von „Nathan Barley“ oder die Big-Brother-Deppen von „Dead Set“ lustig machen, weil man selbst was besseres sei — und einen dann kalt erwischen, wenn man sich doch mit ihnen identifiziert.

Das soll nun alles nicht heißen, daß die Show insgesamt schlecht gewesen wäre. Da waren sehr schöne Scherze drin: „The Guardian is running a fucking live blog and a short think piece on the historical symbolism of the pig“ bzw. der Hinweis der Beraterin, der Premier solle doch nicht ganz so schnell zum Höhepunkt kommen, weil die Öffentlichkeit sonst denken könnte, er hätte am Ende Spaß an dem Ganzen. Und auch die Darsteller waren allesamt fantastisch, genauso das look and feel der ganzen Episode.

Aber es war alles ein bißchen zu unglaubwürdig und ungemütlich, um so viel Spaß zu machen wie Brookers andere Fiction-Serien. Ein bißchen zu absehbar, ohne große Wendung am Schluß, die nochmal alles rumreißt und zeigt, daß eine ganz andere Perspektive auf die grotesken Vorgänge möglich oder gar zwingend wäre. Vielleicht stellen die verbleibenden zwei Folgen die erste in einen Kontext, der die Serie insgesamt in einem anderen Licht dastehen läßt; allein ich bezweifle es. Schließlich sind alle Episoden in sich abgeschlossen — es wäre also möglich gewesen, eine andere, einleuchtendere erste Folge zu finden.

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