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Artikel Tagged ‘Echo Beach’

Animierte Tapeten

25. Februar 2009 1 Kommentar

Bin ich das, oder hat Fernsehen tatsächlich bessere Chancen, glaubwürdig zu sein, wenn es sich um sich selbst dreht? Ich jedenfalls habe eine ausgesprochene Vorliebe für Sitcoms, die vom Fernsehen (und Film) handeln: „Entourage“, um mal eine Serie zu erwähnen, um die es hier noch nicht tausendmal gegangen ist, „30 Rock“, „Larry Sanders“ und natürlich „Curb“; aus England klarerweise alle Alan Partridge-Serien, mit „Garth Marenghi’s Darkplace“ und „Rob Brydon’s Anually Retentive“ konnte ich allerdings nicht ganz so viel anfangen (zu viele In-Jokes), dafür wiederum mehr mit der Big Brother-Zombie-Serie „Dead Set„.

Hinter den Kulissen einer Fernsehserie spielt nicht nur die zweite Staffel „Extras“, sondern auch das vor knapp einem Jahr zum ersten Mal ausgestrahlte Moving Wallpaper. „Moving Wallpaper“ steht für anspruchsloses Fernsehen oder, abschätzig, Fernsehen insgesamt, und abschätzig gegenüber seinem Job ist auch die Hauptfigur hier: der knallharte Produzent Jonathan Pope (Ben Miller, „The Worst Week Of My Life“). Der wird zwei Wochen vor Sendebeginn für eine neuen Soap namens „Polnarren“ von ITV abgestellt, die Show auf Vordermann zu bringen, und tut das auch prompt: Aus einer sozialkritischen, anspruchsvollen Soap über das schwere Leben der Küstenbewohner Cornwalls wird im Handumdrehen „Echo Beach“, inklusive völlig überarbeiteter Drehbücher, einem Surf-Shop und Jason Donovan in der Hauptrolle — ja, der aus „Neighbours“, der Stock-Aitken-Waterman-„Sealed With a Kiss“-Australier Jason Donovan. Pope hat ein Ziel: Er will mindestens einen „British Soap Award“ — und dementsprechend plant er die Serie so, daß jede Kategorie („Most Dramatic Episode“, „Villain Of The Year“) bedient wird. Dabei ist er zwar über die Maßen egoistisch und gefühllos, also ein weiteres Serien-Ekel, in das man sich prima verlieben kann, aber auch eher ahnunglos. Seine Erfolge basieren mehr auf Zufall und der Zuarbeit seines Teams als auf seiner Kompetenz. Was Nancy Heads (Raquel Cassidy, „Lead Balloon“), Head Of Continuing Drama bei ITV, natürlich bemerkt. Und alles unternimmt, Pope so schnell als möglich zu feuern.

Fast amerikanisch sähe „Moving Wallpaper“ aus, wäre die „Echo Beach“-Produktion nicht so klein, mit einer knappen Handvoll Autoren, einer zickigen Möchtegernschauspielerin und einem Set, das wegen knappen Budgets „gedalekt“ werden muß, sprich: im Wesentlichen aus dem gleichen Pappmaché gebaut werden muß wie seinerzeit die ultrabilligen „Doctor Who“-Roboter. Der Clou bei „Moving Wallpaper“ allerdings ist: Es geht nicht um eine fiktionale Serie — „Echo Beach“ gibt es tatsächlich. Es spielt in Cornwall, hat einen Surfshop, und in der Hauptrolle zu sehen ist Jason Donovan. Alles, worauf bei „Moving Wallpaper“ angespielt wird, ob Pope ein kleines Mädchen zum Weinen bringt oder es um eine dramatische Explosion geht, die aber niemanden töten darf, ist bei „Echo Beach“ (ebenfalls ITV) zu sehen. Eine nachgerade geniale Idee von verschränkten Wirklichkeiten, die weidlich genutzt wird für Anspielungen auf britisches Fernsehen, Schauspieler, die Schauspieler spielen, die Schauspieler spielen — unendliche Möglichkeiten, die sich auftun. Leider hat diese TV-Version einer Matrioschka einen kleinen Haken: „Echo Beach“ ist durchaus keine Parodie, sondern ernst gemeint. Möglicherweise war genau das die Herausforderung für das „Moving Wallpaper“-Team, daß die „fiktionale“ Serie als eben das funktionieren sollte, was sie darstellte; der „Moving Wallpaper“-Zuschauer jedoch sieht sich mit einer eher langweiligen und unglaubwürdigen Soap konfrontiert, die einfach nicht lustig ist. Weil sie es nicht sein will.

„Moving Wallpaper“ aber funktioniert gut, und hat, anders als „Echo Beach“, daher eine zweite Staffel bekommen, in der es nun um „Renaissance“, eine One-Off Zombie-Show, geht. — Zombie-Show? Ich bin gespannt!

Meine DVD übrigens enthält keine Untertitel, was umso bedauerlicher ist, als viele Anspielungen auf britisches Alltags-TV für Leute, die es nicht gesehen haben können, ohnehin schwer verständlich sind.