Archiv

Artikel Tagged ‘Michael McIntyre’

Stand Up in den Zeiten von Twitter

1. Februar 2012 2 Kommentare

Was kann Bill Hicks froh sein, dass er zu Zeiten lebte, als Twitter noch nicht erfunden war! Der Mann kam sein ganzes (zugegeben kurzes) Leben praktisch mit den gleichen 120 Minuten Material aus, das er immer und immer wieder verwendete. Gutes Material, sicher. Aber halt doch recht überschaubare Mengen davon.

Stewart Lee dagegen, dessen neues Programm „Carpet Remnant World“ ich in London zu sehen die Gelegenheit hatte, berichtet von eher neuen Problemen: Nach zwei Staffeln „Comedy Vehicle“, die je (fast) drei Stunden (fast) neues Material erforderlich machten, braucht er dringend frischen Witze-Stoff — schließlich kommt ein Teil seines größer werdenden Publikums, nachdem es die Show gesehen hat, und will keine alten Scherze nochmal vorgesetzt bekommen. Neue Scherze probiert er regelmäßig in 20-Minuten-Slots zusammen mit anderen Comedians in Pub-Hinterzimmern aus, um ein Gefühl für Form und Inhalt zu bekommen; Scherze also, die er eventuell erst ein paar Stunde zuvor geschrieben hat und die noch längst keine endgültige Form haben. Scherze aber, die er am gleichen Abend noch bei Twitter nachlesen kann, wo Hardcore-Fans sie bereits der Weltöffentlichkeit zu lesen geben. Womöglich mit der Anmerkung: Schwach! Früher war er besser!

Schlechte Zeiten für Stand Up-Comedians also. Immerhin das Filmen und Fotografieren kann man dem Publikum verbieten, und das wird auch recht strikt durchgesetzt. Zumal es in Lees aktuellem Programm selbstverständlich wieder um Meta-Ebenen geht und deshalb einzelne Witze, aus dem Zusammenhang gerissen, leicht verfälscht wiedergegeben werden können, selbst als Film-Clips. In „If You Prefer a Milder Comedian, Please Ask for One“ war es ein Rant über „Top Gear“ und darüber, dass er sich wünsche, Richard „The Hamster“ Hammond sei bei seinem Raketenautounfall brutalst zu Tode gekommen; ein Rant, der nur verständlich war, wenn man seinen Rahmen kannte: Nämlich dass Lee den skrupellosen Humor von „Top Gear“ und das Bullying v.a. Jeremy Clarksons zum Gegenstand gemacht hatte („It’s only a joke, like on ‚Top Gear‘!“). Schon da versuchte die Yellow Press (vergeblich), Lee ans Bein zu pinkeln; im Falle eines anderen Rants gegen Michael McIntyre, der, laut Lee, seinem Publikum seine „warme Diarrhoe mit dem Löffel verabreicht“, klappte das schon besser: Da ließ sich für das ungeübte Auge nicht so leicht erkennen, dass das lediglich der extrem neidische Blick einer Bühnenfigur war, die Lee spielt, nämlich sein Alter Ego als erfolgloser Stand Up-Comedian, der dem familienkompatiblen, sprich: sehr harmlosen McIntyre dessen irren Erfolg neidet. Und vor allem dessen Möglichkeit, äußerst schlichte observational comedy zu machen.

In Lees neuem Programm geht es unter anderem um Islam und scheinbar naive Kinderfragen (Lees Sohn ist, glaube ich, fünf); abermals ein (vorgeblicher) Versuch, beobachtende Comedy zu machen, und der Bericht darüber, wie schwierig das ist und wie ermüdend. Abermals versucht Lee, sein Publikum in die Irre zu führen, es glauben zu lassen, seine Witze verhungerten auf offener Bühne, er, Lee, könne also gar keine Stand Up-Comedy. Aber das klappt schon nur noch bedingt. Mittlerweile wissen zum Glück doch die meisten, wie gut Stewart Lee wirklich ist, obwohl er immer noch damit spielt, dass ein Teil seines neuen Publikums falsche Erwartungen hat und doch besser gleich heimgehen sollte.

Noch ein Problem der modernen Welt: Lees Publikum ist intelligent genug, das Internet bedienen zu können, und lädt sich deshalb seine DVDs zunehmend illegal herunter. Ein Problem, harrharr, das Michael McIntyre nicht hat — sagt Lee. Shame! Besser: online bestellen! Meine Tips wären: „Stewart Lee’s Comedy Vehicle“ (die zweite Staffel) und die letzte Live-Show „If You Prefer a Milder Comedian, Please Ask for One“. Und für weitergehend Interessierte: seine Quasiautobiographie „How I Escaped My Certain Fate“ mit vielen Stand-Up-Transkripten (das „Album“, sozusagen) sowie die letzte „EP“, also den Text von „If You Prefer…“ (hierzulande leider nur für Kindle erhältlich), wie schon in der Autobiographie mit zahlreichen Fußnoten versehen, die Absatz für Absatz erklären, was da wie funktioniert. Für Humortheoretiker eine prima Sache!

The British Comedy Award 2011: Nominations

16. Januar 2011 Keine Kommentare

Nächsten Samstag werden die British Comedy Awards 2011 verliehen, und die Jury hat gestern die Nominierten bekanntgegeben. Aus dieser Liste geht imho vor allem eines hervor: 2010 war kein sehr gutes Comedy-Jahr.

Über die Nominierungen für „Comedy Panel Shows“ gehe ich hinweg — ich sehe sie einfach nie, auch wenn bestimmt sowohl „Have I Got News For You“ wie auch „Shooting Stars“ und „Would I Lie To You?“ ihre Meriten haben. Ich tippe mal, HIGNFY wird gewinnen, weil das Konzept der Show, Comedy-Improvisationen zu aktuellen Nachrichten, so anspruchsvoll ist. Neu ist es allerdings nicht — HIGNFY läuft seit 1990 in der BBC. Und lustiger fand ich während meines Englandurlaubs „Would I Lie To You?“, bei dem die Panels erraten müssen, ob die (autobiographischen) Geschichtchen, die von Gästen zum Besten gegeben werden, tatsächlich stimmen oder frei erfunden sind.

Als „Best Comedy Entertainment Programme“ sind „Harry Hill’s TV Burp“, „The Graham Norton Show“ und „Newswipe“ nominiert. Toi, toi, toi für Charlie Brooker — allerdings ist „Newswipe“ kein genuines Comedy-Format.

Charlie Brooker ist neben Ant & Dec und Harry Hill ebenfalls einer der Nominierten in der Kategorie „Best Comedy Entertainment Personality“. In den Kategorien „Best Male Comic“ sind David Mitchell, Harry Hill und Michael McIntyre am Start, „Best Female Comic“ sind entweder Jo Brand, Sarah Millican oder Shappi Khorsandi. Bei den Herren fände ich Mitchell am sympathischsten (und sowohl Hill als auch McIntyre ausgesprochen unsympathisch); bei den Damen kenne ich nur Jo Brand, und die war zumindest in „Getting On“ ganz gut.

Jetzt aber: „Best New British TV Comedy“. Hier stehen „Grandma’s House“, „Miranda“ und „The Trip“ zur Auswahl, und ich schätze mal, „Miranda“ macht das Rennen. Schon weil die beiden anderen Nominierten entweder so wenig zur Identifikation einladende Figuren wie Simon Amstell in der Hauptrolle spazierenführen, oder kaum laute Lacher erzeugen konnten wie Coogans und Brydons „Trip“, das doch eher ein stiller Schmunzler für die Zeit nach Mitternacht war.

Ich muß allerdings zugeben, daß mir die zweite Staffel „Miranda“ überraschend doch noch ganz gut gefallen hat. Nicht zuletzt, weil ich der Frau mal eine Folge gezeigt habe, und ihr diese altmodische Slapstick-Sitcom mit der tollpatschigen Miranda umstandslos so ans Herz gewachsen ist, daß sie mehr sehen wollte. Was will man da machen! Nach drei Folgen hatte sie mich dann.

Warum aber fehlen „Whites“ und „Rev.“? Beide hätte ich „Grandma’s House“ in jedem Fall vorgezogen.

Die „Best Male/Female Breakthrough Artists“ überspringe ich gerade mal und komme direkt zu den „Best Sketch Shows“, which are: „Harry & Paul“, mit dem ich leider wenig anfangen kann, trotz der eigentlich guten Harry Enfield und Paul Whitehouse, „Horrible Histories“ (gut, aber genaugenommen ein Kinderprogramm) und „The Miller & Armstrong Show“. Letztere meine Favoriten, wie aufmerksamen Lesern dieses Blogs nicht entgangen sein wird. Nicht auf der Shortlist: „That Mitchell & Webb Look“, was in der vierten Staffel mittlerweile leichte Ermüdungserscheinungen zeigt.

„Best Sitcom“: „Miranda“, „The Inbetweeners“ und „The Thick Of It“. Es wird natürlich „Miranda“, schon weil sie so dermaßen erfolgreich war; die letzte Staffel „The Thick Of It“ lief m.W. schon 2009, es ist mir nicht klar, warum das dieses Jahr wieder nominiert ist. Gar nicht erst nominiert: „The IT Crowd“. Aus guten Gründen.

„Best Comedy Actor“: Nominiert sind James Buckley („The Inbetweeners“), Peter Capaldi, Rob Brydon („The Trip“) und Tom Hollander („Rev“), bei den Damen Jo Brand, Katherine Parkinson und Miranda Hart.

Und zum Schluß: „Best British Comedy Performance In Film“: Neben dem (mir unbekannten) Aaron Johnson („Kick Ass“ — hä?) sind Kayvan „Hands too big“ Novak und Nigel „We’re bombing the mosque“ Lindsay aus „Four Lions“ nominiert, der auf diesem Weg wenigstens noch mal ein bißchen zu seinem Recht kommt. Natürlich wäre es mir ein Fest gewesen, wenn als drittes noch Riz Ahmed in der Hauptrolle als sympathischer Selbstmordattentäter auf der Liste gewesen wäre, aber man kann nicht alles haben.

Nächsten Samstag wissen wir mehr; meine Spannung hält sich allerdings in Grenzen — es wird eh alles „Miranda“ gewinnen. Behaupte ich jetzt einfach mal.