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Artikel Tagged ‘Richard Hammond’

Mehr Drama, Baby!

22. Januar 2019 Keine Kommentare

Es gilt halt letztlich doch: ohne Konflikt ist alles nix. Verblüffend nur, dass das auch für sowas wie Auto-Shows gilt.

Die drei enfants terribles der Autoshows jedenfalls dürfen, seit sie zu Amazon Prime gewechselt sind und ihre Show nicht mehr „Top Gear“ heißt, sondern „Grand Tour“, machen, was sie wollen. Klingt traumhaft, führt aber zu verblüffend langweiligen Sendungen.

Gerade ist „Grand Tour“ in die dritte Staffel gestartet, und dass James May mittlerweile Jeremy Clarkson im Dickwerden noch zu übertreffen versucht, deutet schon drauf hin, wie bequem sie es sich eingerichtet haben mit ihrem Alterswerk. In der ersten Folge jedenfalls genügt es ihnen — bis auf einen Test eines sog. McLaren Senna –, mit drei Muscle Cars durch das sterbende Detroit zu heizen und sich über urban gardening zu mockieren, sprich: durch Gemüsebeete zu fahren, die sich Selbstversorger angelegt haben.

Das ist zwar völlig konsistent mit allem, was „Top Gear“ schon an Umwelt-Ignoranz an den Tag gelegt hat — aber es hat mittlerweile etwas Abgeschmacktes, was nicht nur daran liegt, dass da drei (vermutlich) Millionäre, alte, weiße Männer, sich über Armut lustig machen. Das alleine fände ich schon grenzwertig, zumal es ja nun in allererster Linie die hier mit Hochglanzbildern beworbene Automobilindustrie und ihre Lobbyisten waren, die ganz Detroit in Armut gestürzt haben, und zwar nicht die Manager, sondern die Trottel am Band, deren Immobilien nun so wenig wert sind, dass sie kaum noch umziehen können.

Dick im Geschäft: May, Clarkson, Hammond in „The Grand Tour“

Nein, die Fadesse von „Grand Tour“ hat auch etwas mit den inneren Mechanismen der Show zu tun: nämlich dass es mittlerweile keinerlei Konflikt mit Kontrollinstanzen mehr gibt, die zumindest bei der BBC noch vorhanden waren. Ein Großteil des Spaßes war es halt doch zu sehen, wie Clarkson, Hammond und May sich den Auflagen ihrer Redaktion zu entziehen versuchten oder zumindest die Regeln wenn schon nicht brachen, so doch in ihrem Sinne verbogen. Da wurden eben doch noch Service-MAZen simuliert, Gebrauchs- und Alltagsautos zumindest mit Rezensionsparodien versehen, die Nähe zum Zuschauer wenigstens durch ihre explizite Verhöhnung noch in die Show geholt.

Der Freibrief aber, den Streaminganbieter ihren Stars geben, führt nicht zwangsläufig zu besseren Shows. Eher im Gegenteil. Der Wiener Standard hat neulich in einem lesenswerten Stück darüber sinniert, ob das Prinzip des „Hauptsache viel und prominent“, dem Netflix, Amazon & Co. ihre Qualitätskontrollen offenbar geopfert haben, nicht auf die Dauer Fernsehserien eher ruiniert.

Für „The Grand Tour“, so scheint es gerade, trifft das wohl zu. Schad‘ drum.

Some random „Top Gear“ facts

26. Januar 2016 1 Kommentar

Aus dem schönen Buch „And On That Bombshell“ von Richard Porter, dem langjährigen Script Editor der größten Auto-Fernsehshow der Welt:

Auch im „Top Gear“-Team wusste lange Zeit niemand, wer „The Stig“ war — nicht zuletzt, weil sich (zumindest der erste „Stig“) einen falschen französischen Akzent zulegte, um sich nicht durch seine Stimme zu verraten, wenn er dann doch mal ein paar Sätze mit Leuten von der Produktion wechseln musste.

Tatsächlich war es dem Team bei Androhung von fristloser Kündigung nicht nur verboten, die Identität des „Stig“ zu verraten, sondern sogar, sie überhaupt herauszufinden.

„The Stig“ sollte zunächst „The Gimp“ heißen, nach dem maskierten „Gimp“, der auf den geknebelten Bruce Willis in Quentin Tarrantinos „Pulp Fiction“ losgelassen werden soll. Die BBC verbat sich allerdings diese Anspielung, und das Team musste einen neuen Namen finden.

Die legendären Rennen zwischen den „Top Gear“-Moderatoren, etwa um die Frage zu klären, ob man mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Auto schneller von England nach Südfrankreich kommt, wurden alle tatsächlich durchgeführt. Außendrehs, in denen man die Autos vor der Kamera vorbeifahren sieht, wurden allerdings oft am Tag danach nachgedreht.

Die interessante Frage, ob ein Affe ein Auto zu fahren in der Lage wäre, konnte leider nie geklärt werden — leider fand sich kein Affenzulieferer, den man hätte ansprechen können, und auch den Mitarbeitern eines bekannten Monkey Sanctuary konnte niemand vermitteln, dass ein Affe womöglich sogar Spaß daran hätte haben können, eine Runde in einem automatikgetriebenen Wagen zu drehen.

Apropos „Top Gear“ und Tiere: Auch die Idee, sich den Top Gear Dog zuzulegen, der Clarkson, May und Hammond durch die achte Staffel begleitete, stellte sich als nicht allzu durchdacht heraus: dem Labradoodle wurde es regelmäßig beim Autofahren schlecht, und so lebhaft er war, wenn die Kameras nicht liefen — sobald die Show aufgezeichnet wurde, legte er sich einfach irgendwo im Studio zum Schlafen hin. Aber auch davon abgesehen — es hatte offenbar niemand so weit gedacht, dass man mit einem Hund in der Show dann ja auch irgend etwas hätte machen  müssen. Und so wurde der Hund zu einem der zahlreichen Haustiere, die Richard Hammond auf seiner Farm beherbergt.

Das als reasonably priced car bekannt gewordene Segment, in dem ein Star ein preigünstiges Auto um den Top Gear Testtrack prüglen durfte, entstand nur, um in dieses bräsige Auto einen speziellen Stargast zu setzen, dessen mondäner Stil damit auf größtmögliche Weise kollidiert wäre: Bryan Ferry. Für dieses Vergnügen nie gewonnen werden konnte allerdings ein spezieller Star: Bryan Ferry.

Stand Up in den Zeiten von Twitter

1. Februar 2012 2 Kommentare

Was kann Bill Hicks froh sein, dass er zu Zeiten lebte, als Twitter noch nicht erfunden war! Der Mann kam sein ganzes (zugegeben kurzes) Leben praktisch mit den gleichen 120 Minuten Material aus, das er immer und immer wieder verwendete. Gutes Material, sicher. Aber halt doch recht überschaubare Mengen davon.

Stewart Lee dagegen, dessen neues Programm „Carpet Remnant World“ ich in London zu sehen die Gelegenheit hatte, berichtet von eher neuen Problemen: Nach zwei Staffeln „Comedy Vehicle“, die je (fast) drei Stunden (fast) neues Material erforderlich machten, braucht er dringend frischen Witze-Stoff — schließlich kommt ein Teil seines größer werdenden Publikums, nachdem es die Show gesehen hat, und will keine alten Scherze nochmal vorgesetzt bekommen. Neue Scherze probiert er regelmäßig in 20-Minuten-Slots zusammen mit anderen Comedians in Pub-Hinterzimmern aus, um ein Gefühl für Form und Inhalt zu bekommen; Scherze also, die er eventuell erst ein paar Stunde zuvor geschrieben hat und die noch längst keine endgültige Form haben. Scherze aber, die er am gleichen Abend noch bei Twitter nachlesen kann, wo Hardcore-Fans sie bereits der Weltöffentlichkeit zu lesen geben. Womöglich mit der Anmerkung: Schwach! Früher war er besser!

Schlechte Zeiten für Stand Up-Comedians also. Immerhin das Filmen und Fotografieren kann man dem Publikum verbieten, und das wird auch recht strikt durchgesetzt. Zumal es in Lees aktuellem Programm selbstverständlich wieder um Meta-Ebenen geht und deshalb einzelne Witze, aus dem Zusammenhang gerissen, leicht verfälscht wiedergegeben werden können, selbst als Film-Clips. In „If You Prefer a Milder Comedian, Please Ask for One“ war es ein Rant über „Top Gear“ und darüber, dass er sich wünsche, Richard „The Hamster“ Hammond sei bei seinem Raketenautounfall brutalst zu Tode gekommen; ein Rant, der nur verständlich war, wenn man seinen Rahmen kannte: Nämlich dass Lee den skrupellosen Humor von „Top Gear“ und das Bullying v.a. Jeremy Clarksons zum Gegenstand gemacht hatte („It’s only a joke, like on ‚Top Gear‘!“). Schon da versuchte die Yellow Press (vergeblich), Lee ans Bein zu pinkeln; im Falle eines anderen Rants gegen Michael McIntyre, der, laut Lee, seinem Publikum seine „warme Diarrhoe mit dem Löffel verabreicht“, klappte das schon besser: Da ließ sich für das ungeübte Auge nicht so leicht erkennen, dass das lediglich der extrem neidische Blick einer Bühnenfigur war, die Lee spielt, nämlich sein Alter Ego als erfolgloser Stand Up-Comedian, der dem familienkompatiblen, sprich: sehr harmlosen McIntyre dessen irren Erfolg neidet. Und vor allem dessen Möglichkeit, äußerst schlichte observational comedy zu machen.

In Lees neuem Programm geht es unter anderem um Islam und scheinbar naive Kinderfragen (Lees Sohn ist, glaube ich, fünf); abermals ein (vorgeblicher) Versuch, beobachtende Comedy zu machen, und der Bericht darüber, wie schwierig das ist und wie ermüdend. Abermals versucht Lee, sein Publikum in die Irre zu führen, es glauben zu lassen, seine Witze verhungerten auf offener Bühne, er, Lee, könne also gar keine Stand Up-Comedy. Aber das klappt schon nur noch bedingt. Mittlerweile wissen zum Glück doch die meisten, wie gut Stewart Lee wirklich ist, obwohl er immer noch damit spielt, dass ein Teil seines neuen Publikums falsche Erwartungen hat und doch besser gleich heimgehen sollte.

Noch ein Problem der modernen Welt: Lees Publikum ist intelligent genug, das Internet bedienen zu können, und lädt sich deshalb seine DVDs zunehmend illegal herunter. Ein Problem, harrharr, das Michael McIntyre nicht hat — sagt Lee. Shame! Besser: online bestellen! Meine Tips wären: „Stewart Lee’s Comedy Vehicle“ (die zweite Staffel) und die letzte Live-Show „If You Prefer a Milder Comedian, Please Ask for One“. Und für weitergehend Interessierte: seine Quasiautobiographie „How I Escaped My Certain Fate“ mit vielen Stand-Up-Transkripten (das „Album“, sozusagen) sowie die letzte „EP“, also den Text von „If You Prefer…“ (hierzulande leider nur für Kindle erhältlich), wie schon in der Autobiographie mit zahlreichen Fußnoten versehen, die Absatz für Absatz erklären, was da wie funktioniert. Für Humortheoretiker eine prima Sache!

Stewart Lee vs. Top Gear

12. November 2010 1 Kommentar

Die Zeiten, in denen Stewart Lee von seinen Tourneen ärmer nach Hause kam, als er losgefahren war, sind noch gar nicht so lange her. Ein Vorwurf, den Kritiker ihm in dieser Phase seiner Karriere immer wieder machten, war: Er beherrscht sein Publikum nicht; er schafft es nicht, seine Zuschauer zu fesseln; es gibt immer wieder lange Phasen ohne erkennbare Gags, in denen sich Unwohlsein im Auditorium breit macht, bis Lee es zurückgewinnen kann. Mittlerweile spielt Lee vor großen, gut gefüllten Rängen, und Fans wie (die meisten) Kritiker haben begriffen: Er macht das absichtlich. Die Dekonstruktion der comedy routine ist zentraler Bestandteil seiner Show, nicht etwa ein Fehler oder Unvermögen. Ganz im Gegenteil: Stewart Lee beherrscht (nach immerhin 20 Jahren im Business) diesen Kniff meisterlich.

Keine Frage also: die ersten zehn Minuten „If You Prefer a Milder Comedian, Please Ask For One“*, in denen weder der große Auftritt mit Kunstnebel und Light Show zu funktionieren scheint, in denen das Publikum auf seine Fragen Antworten gibt, mit denen er scheinbar nichts anfangen kann, in denen er wieder und wieder von vorne anfängt und schließlich damit beginnt, wie merkwürdig und unnatürlich es doch ist, daß Comedians auf die Bühne gehen und aus dem Nichts auf irgend ein Thema zu sprechen kommen — diese Selbst-Sabotage ist Inszenierung, und Lees Publikum weiß das auch. (Kein Zufall übrigens auch, daß die Show nicht in London gefilmt wurde, sondern in Glasgow, vor einem Publikum, das Lee für chronisch unzugänglich und widerborstig hält.)

Weil das Publikum nun aber so genau weiß, was Lee vorhat, kann, ja: muß er schwerere Geschütze auffahren, um die Leute aus der Reserve zu locken. Das schwerste Geschütz in seiner jüngsten (und m.M. besten) Show ist eine Suada, die geschlagene 40 Minuten dauert, sich also genügend Zeit nimmt, immer furioser auf einen sagenhaft lustigen Höhepunkt von Beschimpfungen und wüsten Todeswünschen hinzuarbeiten, und mit der Lee eine der beliebtesten Fernsehshows Englands aufs Korn nimmt: „Top Gear“. Hier die ersten Minuten (die retrospektiv gesehen von äußerster Harmlosigkeit sind):

Video leider nicht mehr online

Wie Stewart Lee sich im Verlauf der restlichen Show in eine Art Nervenzusammenbruch hineinsteigert, sollte man gesehen haben. Schon damit man anschließend das Bonus-Material-Interview umso mehr genießen kann, in dem Lee dem Schauspieler Kevin Eldon haarklein erzählt, wie kalten Herzens er sich auf „Top Gear“ kapriziert habe: weil er genau wisse, daß jedes Publikum mindestens zur Hälfte „Top Gear“ verehrt. Wie Lee die vorsätzliche, gut bezahlte political incorrectness von Jeremy Clarkson übernimmt und gegen ihn richtet („It’s only a joke! Like on Top Gear!“), und wie er vor allem Richard Hammonds feige Wieselhaftigkeit zerlegt, mit der sich dieser mit seinen eigenen Bullys identifiziert: Das ist vom Feinsten.

Tut aber meiner eigenen Begeisterung für „Top Gear“ selbstverständlich keinen Abbruch. Wenn das diese berühmten Widersprüche sind, mit denen man in der Postmoderne leben muß, dann soll sie mal ruhig weitermachen, die Postmoderne.

*DVD hat Untertitel

Nein, diese Wissenschaftler!

12. August 2009 1 Kommentar

Ja, das ist das Sommerloch: Ein über fünf Jahre alter Text aus der Frankfurter Rundschau — und noch nicht mal über eine Sitcom! Sondern über, schnarch! eine Wissenschaftssendung. Allerdings eine, die ich heute jederzeit wieder einschalten würde: „Brainiac“, damals noch mit Richard „The Hamster“ Hammond, der aus seiner Stammsendung „Top Gear“ den Spaß am Wohnwagenzerstören zu „Brainiac“ herübergerettet hat. Das lief seinerzeit auf Viva — wie lange ist das her, daß auf Viva wissenschaftliche Sendungen zu sehen waren…!

Zu schade für Klingeltöne-Runterlader: „Brainiac“ auf VIVA

Ist es der Spaß an Explosionen, scharfen Mädels und Haushaltsgegenständen, die man nicht in Mikrowellenherden verbrutzeln sollte, der hier wissenschaftlich verbrämt wird? Oder ist es doch eher „Knoff Hoff“ für die MTV-Generation? Bei „Brainiac“, so viel steht fest, werden Büros mit Schießpulver, Kühlschränke mit Plastiksprengstoff  und Wasserkanister mit TNT gesprengt und die Explosionen anschließend von jungen, knapp bekleideten Schönheiten mit Noten von eins bis zehn bewertet, es wird getestet, ob bei Erdbeben, großer Hitze oder Kälte der Fettwanst oder die Bohnenstange besser wegkommt und welche Früchte auf Wasser schwimmen: Wird die Brombeere schwimmen? Geht die Birne unter? Selbstredend werden alle Früchte von „Professorin Myang Li“ am Pool präsentiert, und natürlich hat „Professorin Myang Li“ immer ihren „großen Früchtekorb“ dabei.

„Brainiac“ ist eine Sendung für alle, die im Chemieunterricht immer dann aufgepaßt haben, wenn etwas gezischt und gekracht hat. Nur daß Chemie selten von „Tina Turner and her Bunsen Burner“ unterrichtet wurde. Das hat „Brainiac“ dem Schulwesen eindeutig voraus. Und natürlich ist „Brainiac“ viel näher am Alltag als irgendwelche chemischen Verbindungen im Reagenzglas. Hier werden Fragen beantwortet, wie es sich Vierzehnjährige nur erträumen können, etwa die, wie ein Tresor mit Gewalt zu öffnen wäre: Mit dem Auto dagegenfahren nutzt nichts, schießt man aber mit einem Leopard II auf ihn, gibt der stärkste Geldschrank klein bei. Ob allerdings ein Panzer für ein paar Millionen und Munition für ein paar weitere tausend Pfund dafür stehen, einen lumpigen Tresor zu knacken, dessen Geldinhalt sich bei schwerem Artilleriebeschuß natürlich ebenso verflüchtigt wie der Behälter selbst, läßt auch der Moderator offen. – Pfund, ja, englische Pfund, denn „Brainiac“ ist ein britisches TV-Format, entwickelt für den Sender SkyOne und für VIVA dankenswerterweise nur mit Untertiteln versehen. So ist der trockene Humor des Moderators Richard Hammond erhalten geblieben, der hin und wieder aus den unsinnigsten Versuchsanordnungen doch noch ein Quentchen Erkenntnis zu ziehen vermag.

Großbritannien übrigens ist das Land, das nach der letzten Pisa-Studie gute zehn Positionen vor Deutschland durchs Ziel gegangen ist. Das liegt vielleicht nicht an „Brainiac“. Aber Spaß macht es schon, Wohnwägen explodieren zu sehen und trotzdem etwas zu lernen. Und sei es nur, daß Birnen und Brombeeren untergehen und es sowohl bei Erdbeben als auch großer Kälte besser ist, über- als untergewichtig zu sein. That’s what I call Science!

Erschienen zuerst ungefähr am 6.1.2005 in der Frankfurter Rundschau.

The best car show… in the world!

Das geht ja gut los: Gleich der hmpfte Beitrag ist nicht von mir! Sondern vom geschätzten Kollegen Gärtner! Und dann noch nicht mal über eine Sitcom — sondern eine Autosendung! Die aber ist (renn-)streckenweise so komisch, daß ich sie hier unbedingt jetzt sofort vorstellen muß. Und als Alibi gibts hier noch einen Link zu YouTube, wo sich eine schöne Parodie auf Jeremy Clarkson findet, der „Top Gear“ zusammen mit Richard „The Hamster“ Hammond und James „Captain Slow“ May präsentiert. Die Parodie übrigens stammt aus „Harry and Paul“, einer Koproduktion von Harry Enfield und Paul Whitehouse, der seinerseits mit „The Fast Show“, „Help“ und… aber dazu ein andermal.

Wenig auf der Welt ist so genuin stumpfsinnig wie eine Autofahrersendung im Fernseh: Von den immergleichen Moderationsmaschinen werden bei immergleichen sog. Vergleichstests die immergleichen Beschleunigungswerte, Kofferraumvolumina und Höchstgeschwindigkeiten ermittelt, nur damit irgendein Kraftfahrzeug Sieger im Segment »Untere Mittelklasse« werden kann – prima Diätfernsehkost für einen verkaterten Regennachmittag also, wenn man nichts Intelligentes erträgt.
Daß die Briten, wie so oft, auch hier wieder ein ganzes Stück weiter sind, beweist Jeremy Clarksons ganz anders funktionierende Autoshow »Top Gear«, die in Deutschland via Satellit oder Kabel auf BBC World zu sehen ist. In kurzweiligen 25 Minuten geht es zwar auch um Autos und Vergleiche, aber diese lassen den ja gar nicht so nötigen Ernst meist vermissen: Da tritt z.B. ein Aston Martin DB5, vierzig Jahre nachdem er James Bond durch »Goldfinger« gefahren hat, noch mal gegen einen Jaguar E-Type an, und die Moderatoren prügeln die eminent teuren Vehikel bis an die Unfallgrenze über die Rennstrecke, nur um festzustellen, daß die noblen Hersteller damals bei Daten wie Leistung und Höchstgeschwindigkeit massiv geschummelt haben; ein andermal wird geprüft, ob man schneller mit einem Mercedeswagen und über Land in Oslo ist als mit der Fähre (mit dem Wagen, aber nur wegen schwerer See) bzw. ob’s rascher mit dem Flugzeug in die Schweiz geht oder eben doch mit dem Ferrari; oder es wird versucht, mit einem Kombi-Ford und einem fünffachen Überschlag ins Guinness-Buch der Rekorde zu kommen. Zu dieser automobilen Allotria paßt dann das erfreulich achtlos in eine nur notdürftig gestylte Halle gestellte Publikum, das die begeistert gewälzten Wettrennerlebnisse der Moderatoren mit demselben respektvollem Gegicker begleiten darf wie Grundschulkinder die Heldengeschichten der Pausenrabauken.
»This week, Jeremy declared himself dead, Richard tried to drown himself and James broke a speed limit«, informiert uns die Homepage, und auf dieser Spur zwischen lapidar ironisiertem Format und ganz eigentlichem, nämlich kindlichem Enthusiasmus fürs Spielzeug fährt die ganze Sendung. Das gefällt mir gut.

(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 9/2005)