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The British Comedy Award 2011: Nominations

16. Januar 2011 Keine Kommentare

Nächsten Samstag werden die British Comedy Awards 2011 verliehen, und die Jury hat gestern die Nominierten bekanntgegeben. Aus dieser Liste geht imho vor allem eines hervor: 2010 war kein sehr gutes Comedy-Jahr.

Über die Nominierungen für „Comedy Panel Shows“ gehe ich hinweg — ich sehe sie einfach nie, auch wenn bestimmt sowohl „Have I Got News For You“ wie auch „Shooting Stars“ und „Would I Lie To You?“ ihre Meriten haben. Ich tippe mal, HIGNFY wird gewinnen, weil das Konzept der Show, Comedy-Improvisationen zu aktuellen Nachrichten, so anspruchsvoll ist. Neu ist es allerdings nicht — HIGNFY läuft seit 1990 in der BBC. Und lustiger fand ich während meines Englandurlaubs „Would I Lie To You?“, bei dem die Panels erraten müssen, ob die (autobiographischen) Geschichtchen, die von Gästen zum Besten gegeben werden, tatsächlich stimmen oder frei erfunden sind.

Als „Best Comedy Entertainment Programme“ sind „Harry Hill’s TV Burp“, „The Graham Norton Show“ und „Newswipe“ nominiert. Toi, toi, toi für Charlie Brooker — allerdings ist „Newswipe“ kein genuines Comedy-Format.

Charlie Brooker ist neben Ant & Dec und Harry Hill ebenfalls einer der Nominierten in der Kategorie „Best Comedy Entertainment Personality“. In den Kategorien „Best Male Comic“ sind David Mitchell, Harry Hill und Michael McIntyre am Start, „Best Female Comic“ sind entweder Jo Brand, Sarah Millican oder Shappi Khorsandi. Bei den Herren fände ich Mitchell am sympathischsten (und sowohl Hill als auch McIntyre ausgesprochen unsympathisch); bei den Damen kenne ich nur Jo Brand, und die war zumindest in „Getting On“ ganz gut.

Jetzt aber: „Best New British TV Comedy“. Hier stehen „Grandma’s House“, „Miranda“ und „The Trip“ zur Auswahl, und ich schätze mal, „Miranda“ macht das Rennen. Schon weil die beiden anderen Nominierten entweder so wenig zur Identifikation einladende Figuren wie Simon Amstell in der Hauptrolle spazierenführen, oder kaum laute Lacher erzeugen konnten wie Coogans und Brydons „Trip“, das doch eher ein stiller Schmunzler für die Zeit nach Mitternacht war.

Ich muß allerdings zugeben, daß mir die zweite Staffel „Miranda“ überraschend doch noch ganz gut gefallen hat. Nicht zuletzt, weil ich der Frau mal eine Folge gezeigt habe, und ihr diese altmodische Slapstick-Sitcom mit der tollpatschigen Miranda umstandslos so ans Herz gewachsen ist, daß sie mehr sehen wollte. Was will man da machen! Nach drei Folgen hatte sie mich dann.

Warum aber fehlen „Whites“ und „Rev.“? Beide hätte ich „Grandma’s House“ in jedem Fall vorgezogen.

Die „Best Male/Female Breakthrough Artists“ überspringe ich gerade mal und komme direkt zu den „Best Sketch Shows“, which are: „Harry & Paul“, mit dem ich leider wenig anfangen kann, trotz der eigentlich guten Harry Enfield und Paul Whitehouse, „Horrible Histories“ (gut, aber genaugenommen ein Kinderprogramm) und „The Miller & Armstrong Show“. Letztere meine Favoriten, wie aufmerksamen Lesern dieses Blogs nicht entgangen sein wird. Nicht auf der Shortlist: „That Mitchell & Webb Look“, was in der vierten Staffel mittlerweile leichte Ermüdungserscheinungen zeigt.

„Best Sitcom“: „Miranda“, „The Inbetweeners“ und „The Thick Of It“. Es wird natürlich „Miranda“, schon weil sie so dermaßen erfolgreich war; die letzte Staffel „The Thick Of It“ lief m.W. schon 2009, es ist mir nicht klar, warum das dieses Jahr wieder nominiert ist. Gar nicht erst nominiert: „The IT Crowd“. Aus guten Gründen.

„Best Comedy Actor“: Nominiert sind James Buckley („The Inbetweeners“), Peter Capaldi, Rob Brydon („The Trip“) und Tom Hollander („Rev“), bei den Damen Jo Brand, Katherine Parkinson und Miranda Hart.

Und zum Schluß: „Best British Comedy Performance In Film“: Neben dem (mir unbekannten) Aaron Johnson („Kick Ass“ — hä?) sind Kayvan „Hands too big“ Novak und Nigel „We’re bombing the mosque“ Lindsay aus „Four Lions“ nominiert, der auf diesem Weg wenigstens noch mal ein bißchen zu seinem Recht kommt. Natürlich wäre es mir ein Fest gewesen, wenn als drittes noch Riz Ahmed in der Hauptrolle als sympathischer Selbstmordattentäter auf der Liste gewesen wäre, aber man kann nicht alles haben.

Nächsten Samstag wissen wir mehr; meine Spannung hält sich allerdings in Grenzen — es wird eh alles „Miranda“ gewinnen. Behaupte ich jetzt einfach mal.

Depperte Dschihadis

24. September 2010 4 Kommentare

Eine Podiumsdiskussion zum Thema militanter Islamismus. Barry, ein weißer englischer Konvertit und fanatischer Muslim, hat gerade einige verwirrende, widersprüchliche (und natürlich lustige) Sachen gesagt, als ein dunkelhäutiger junger Mann im Publikum aufsteht und sich darüber beklagt, daß alle Welt junge dunkelhäutige Männer für Bombenleger hält. »Wenn mich alle für einen Bombenleger halten, warum soll ich mich dann nicht wie einer verhalten?« ruft er und öffnet die Jacke, damit alle sehen können: Er trägt einen Sprengstoffgürtel. Und beginnt, vor dem zunächst entsetzten, dann eher verwirrten Publikum zu rappen: »I’m the Mujahideen/and I’m making a scene/Now you’s gonna feel/what the boom-boom means!« Er zündet — »Allahu akbar!« — die Ladung, doch unter dem Geschrei der Menschen stellt sie sich als Attrappe mit Krachern und Luftschlangen heraus: »Oh man, come on. Just ’cos I’m muslim you thought it was real?!«

Daß man nicht genau weiß, was man davon halten soll: das ist die große Stärke von Chris Morris’ eben auf DVD erschienener Islamisten-Satire »Four Lions«. Eines weiß ich allerdings sicher: Sie ist unglaublich lustig. Denn »Four Lions« setzt ganz auf Fallhöhe. Er erzählt die Geschichte einer Gruppe englischer Muslime in Sheffield, die, vom Trainingscamp in Pakistan übers Bombenbauen bis hin zur Ausführung, einen Selbstmordanschlag in London verüben wollen. Ihre Motive und die Charakterzeichnung sind dabei vollkommen glaubwürdig. Um so mehr zünden die Elemente der Farce, wenn sich mehrere Möchtegern-Dschihadisten als reichlich deppert entpuppen: Das Bekennervideo besteht nur aus Bloopers, der Einsatz von Krähen als Bombenträger funktioniert nicht so recht, und aus Geheimhaltungsgründen müssen die angehenden Attentäter ihre Kommunikation in einem Kinder-Chatforum abwickeln.

So scheitert der heilige Krieg zuvörderst an irdischen Mißgeschicken. Doch leistet der Film weder dem Antiislamismus Vorschub, noch spielt er die Versöhnlichkeitskarte aus, die »The Infidel« im letzten Akt so ungeschickt aus dem Ärmel zieht. Statt dessen unterläuft »Four Lions« immer wieder auf das Komischste die Erwartungen des Zuschauers. In einer Szene versucht Omars tief religiöser Bruder den angehenden und im Glauben weniger gefestigten Omar für dessen Attentatspläne zur Rede zu stellen: Der Koran verbiete solche Aggression, einem echten Moslem sei in jedem Falle verboten zu töten. Doch noch bevor man die Hand vor dem Mund hat, um angesichts dieser Political Übercorrectness herzhaft zu gähnen, wird das Gut/Böse-Schema schon wieder durchbrochen: Denn der feine Herr Moslem weigert sich, das Zimmer zu betreten, in dem sich Omars Frau aufhält; und zu Hause sperrt er während des Gebets die Frauen sogar in einen sehr kleinen Verschlag (»Bevor du die Kloschüssel hast rausnehmen lassen, war es eine Toilette!«).

Drehbuchautor Chris Morris, heißt es, habe nicht nur mit Terrorismusexperten, Imamen und Muslimen gesprochen, bevor er sich ans Schreiben machte, sondern den fertigen Film auch einem Ex-Guantánamo-Häftling vorgelegt — der dann zu dem Schluß kam, es sei nichts zu sehen, was britische Muslime beleidigen könnte. Das überrascht, schließlich werden etliche der heiligen Krieger als veritable Vollpfosten dargestellt. Aber eben nicht alle, und mit Omar (sehr gut: Riz Ahmed), dem vernünftigsten und mitfühlendsten der Bande, haben die Islamisten sogar eine Identifikationsfigur, die den Zuseher in das denkbar größte Dilemma versetzt: Er ist nicht weniger als ein sympathischer islamischer Selbstmordattentäter – etwas, das es im Bewußtsein der westlichen Welt eigentlich gar nicht geben dürfte.

»Four Lions« ist Chris Morris’ Debüt auf der großen Leinwand und sein erstes Lebenszeichen, seit er vor fünf Jahren mit Charlie Brooker die ebenfalls großartige mediensatirische Sitcom »Nathan Barley« abgeliefert hat; zum Glück gibt es zumindest von seinen Co-Autoren Sam Bain und Jesse Armstrong mehr und regelmäßiger Komisches zu sehen: zum Beispiel „The Thick of It“, an dem sie zusammen mit Armando Iannucci ebenfalls mitschreiben.

Zuerst erschienen in Titanic 10/2010